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Seit 60 Jahren immer nur Märklin

Von DETLEF ANDERS 15.02.2009, 18:38

QUEDLINBURG/MZ. - Rund 120 Lokomotiven und über 300 Wagen nennt er sein Eigen. Der Wernigeröder Bauingenieur, heute im Rentenstand, zeigt einen Teil seiner Sammlung jetzt im Mitteldeutschen Eisenbahn- und Spielzeugmuseum in Quedlinburg, ergänzt durch Material von Museumsbetreiber Klaus Breitschuh.

Während die Jugend von heute Gameboy-Spiele oder Barby-Puppen sammelt, schlägt das Herz von Ulrich Tautz für Spielzeug-Eisenbahnen. "Begonnen hat alles im Krieg, in den Jahren 1943 / 44", erzählt Tautz. Er war gerade drei Jahre alt, als er zu Weihnachten von seinem Vater die erste Märklin-Eisenbahn geschenkt bekam. Welche Spur es war, weiß er heute nicht mehr - nur dass es eine große braune Dampflok mit Tender sowie ein oder zwei Wagen war. "Mein Vater hatte sich als Kind schon immer eine Eisenbahn gewünscht, aber nie eine bekommen", weiß Ulrich Tautz heute. So dienten er und sein Bruder dem Vater wohl eher als Vorwand zur Anschaffung des Spielzeugs, zu dem natürlich bald passendes Holzspielzeug wie Häuser kam. Leider hatte die Freude an der Bahn nicht lange Bestand.

Spielzeug selbst geschnitzt

Die Familie, die in Brandenburg an der Havel wohnte, musste 1945 mit dem Handwagen flüchten. Im Juni 1945 landete die Familie bei den Großeltern in Wernigerode. "Nach dem Krieg gab es für uns so gut wie kein Spielzeug, nur aus Holz gebastelte Spielsachen, die mein Vater aus Holzabfällen hergestellt hatte."

Der Vater von Ulrich Tautz arbeitete 1948 einige Monate in Schleswig, wo eine Tante wohnte. Von seinem Lohn kaufte er seinen Söhnen die erste elektrische Eisenbahn von Märklin mit der Spurweite 00 / H0. "Jeder bekam eine Tenderlok TM 800, einen Packwagen, zwei Personenwagen und zwei Güterwagen sowie Schienen und zwei Handweichen." Den Trafo bastelte der Vater selbst. "Von der Verwandtschaft wurde mein Vater oft für verrückt erklärt, wo doch 1948 viele andere Sachen wichtiger waren." Doch der Vater beschenkte seine Söhne weiter zu jeder Festlichkeit mit neuen Wagen, Bahnhöfen, Bahnsteigen oder Stellwerkshäuschen. Oft gab es Streit, wer damit spielen durfte.

Natürlich wollte Ulrich Tautz dann auch Lokomotivführer werden. Schließlich wohnte die Familie direkt an der Harzer Schmalspurbahn in Hasserode und die anderen Großeltern in Oschersleben an der Reichsbahn. Bis zu seiner Hochzeit 1968 beschäftigte sich Ulrich Tautz mit den Märklin-Bahnen. Doch da es in der DDR nichts davon zu kaufen gab und Familie sowie Beruf wichtiger waren, schlummerte die Bahn lange im Keller. Erst als die Mutter Rentnerin wurde, in den Westen reisen konnte und 1980 einen Kontakt zu einem Eisenbahnclub in Schleswig aufbauen konnte, erwachte das Interesse wieder.

Schinken gegen Märklin-Bahn

Gegen die DDR-Piko-Modelle konnte er die begehrten Märklin-Modelle eintauschen. Doch Tautz erinnert sich noch schmunzelnd, wie er an die Bückware Modellbahnen kam. Schinkenspeck und Wurst wurden zu Tauschobjekten. Als der Tauschfreund 1988 erkrankte, kam die Freundschaft zum Erliegen. Nach der Wiedervereinigung begann Ulrich Tautz, seine Bahn neu zu ordnen und Fachliteratur zu kaufen. Auf Auktionen konnte er sich - soweit es der Geldbeutel zuließ - alles kaufen. "Heute besteht meine Eisenbahnanlage aus alten Bahnen und zum Teil auch neuen Digital-Eisenbahnen von Märklin."

Rund 15 seiner 120 fahrbereiten Märklin-Loks hat er zusammen mit Karl-Heinz Fricke, einem Bekannten, der für ihn und auch das Quedlinburger Museum alte Modellbahnen repariert, für die Sonderausstellung ausgewählt. Natürlich dürfen auch passende Waggons und Schienenstränge, ein Bahnhof und ein selbst gebastelter Kran, die aus den 50er Jahren stammen, nicht fehlen. Klaus Breitschuh hat die Ausstellung mit eigenen Modellen von Märklin, die jedoch aus der Zeit nach 1960 stammen und im Gegensatz zu den älteren Bahnen aus Blech nun aus Kunststoff gefertigt sind, ergänzt. Daneben sind alte Kataloge zu sehen.

Neben den Loks darf auch eine Auswahl der rund 300 Waggons nicht fehlen. "Ich will damit noch spielen und habe daran viel Freude", bekennt der 67-Jährige, der Modellbahnfreunde kennt, die ihre Sammlung nur in Vitrinen aufbewahren. Seine eigenen Söhne interessieren sich zwar auch hin und wieder dafür, doch Umbauten an der acht Quadratmeter großen Anlage bewältigt er allein. "So habe ich nie Langeweile, sehr zum Verdruss meiner lieben Ehefrau, die leider an meinem Hobby nicht sehr interessiert ist.