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Rollstuhlfahrer aus Hedersleben Rollstuhlfahrer aus Hedersleben: Bei Borussia Dortmund geht ein Traum in Erfüllung

Von Andreas Bürkner 16.03.2014, 13:20
Mitten unter den Zuschauern im Stadion und die Südtribüne im Rücken: Steven Mester erlebte dank vieler Helfer erstmals live den BVB.
Mitten unter den Zuschauern im Stadion und die Südtribüne im Rücken: Steven Mester erlebte dank vieler Helfer erstmals live den BVB. Andreas Bürkner Lizenz

Hedersleben/Dortmund/MZ - Noch nicht einmal richtig am Stadion angekommen, da ist Steven Mester schon überwältigt von den ersten Eindrücken, der Masse an Menschen und den Klängen aus dem Betonkessel. Er muss erst einmal tief durchatmen und Tränen unterdrücken. Sagen kann er nichts. Kaum ist er an diesem Sonnabend auf seinen Platz gefahren worden, da hat er schon Dortmunds Trainer Jürgen Klopp erspäht. Es kommt noch besser. „Der stand beim Fernsehinterview nur wenige Meter vor mir, als er von Fotografen umkreist wurde“, berichtete er anschließend seinem Bruder Marten, der weiter oben auf der Tribüne saß.

So richtig fassen kann es Steven Mester auch Stunden später nicht: sein Traum ist wahr geworden. Zum ersten Mal hat er ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft Borussia Dortmund live im Stadion erlebt. Wie lange er dazu überhaupt noch die Möglichkeit gehabt hätte, ist völlig unklar. Der 22-Jährige leidet an einer ständig fortschreitenden, unheilbaren Muskelerkrankung und sitzt daher bereits seit sechs Jahren im Rollstuhl.

Die Karten für das Spiel hatte Daniel Kuhn, ein Fußballer aus Hedersleben (Harz), über den Manager der Stiftung „Leuchte auf“ des Dortmunder Vereins besorgt. Vom Traum des 22-Jährigen hatte Kuhn aus der Mitteldeutschen Zeitung erfahren. Als Hederslebens Bürgermeisterin Kornelia Bodenstein vor einem halben Jahr für die Familie um die alleinstehende Mutter Kathrin sowie Steven und Marten Mester eine Spendenaktion startete, äußerte der junge Mann diesen Lebenswunsch für die erste Fahrt. Vorrangig wurde ein behindertengerechtes Auto gesucht. Das alte war zu klein, das Einsteigen für ihn unmöglich.

Auch der neunjährige Marten ist bereits von der Erkrankung betroffen, daher wurden gleich zwei Plätze für einen Rollstuhltransport notwendig. Dank vieler kleiner und größerer Spenden von Bürgern sowie der Hilfe mehrerer Stiftungen kam das gebrauchte Fahrzeug samt Lift und Rollstuhlplatz gerade noch rechtzeitig für die Fahrt nach Dortmund.

„Bei solchen Anfragen helfen wir gern, wenn uns das dahinter steckende Schicksal überzeugt“, begründete Marco Rühmann von der BVB-Stiftung die kostenlosen Karten für das Spiel. Steven Mester kam so am Sonnabend bis an den Spielfeldrand. Auch seinem Dortmunder Lieblingsspieler Pierre-Emerick Aubameyang kann er so beim Warmmachen aus nächster Nähe zuschauen. „Es ist alles noch viel, viel beeindruckender, als ich mir das in meiner Vorstellung gedacht hatte“, ist er schon zur Pause begeistert. Vor allem die Fans auf der Südtribüne, die mit einer Masse an Fahnen und Schals ihre Mannschaft ununterbrochenen anfeuern, imponieren ihm. Natürlich hat er einen Sieg seiner Mannschaft erhofft, zumal Gegner Mönchengladbach zuvor monatelang schwächelte. Doch selbst das 0:2 zur Halbzeit kann sein einmaliges Erlebnis nicht mehr trüben. „Eigentlich ist das Ergebnis egal, Hauptsache ich bin hier dabei.“

Die Hoffnung auf einen Erfolg keimt noch einmal auf, als Dortmund der Anschlusstreffer gelingt. In den Jubel einstimmen kann der Fan aus dem Harz, seine Arme hochreißen nicht. Dafür ist seine Muskulatur schon zu sehr geschwächt. Wie lang er sich überhaupt noch wenigstens teilweise bewegen kann, ist unklar.

In die dicke Jacke von seinem Lieblingsverein eingehüllt und mit dem schwarz-gelben Schal am Arm ist er einfach nur froh, die Atmosphäre genießen zu können. Fachmännisch beobachtet er: „Jürgen Klopp hat ordentlich gemeckert, aber das brauchen die Jungs bei der heutigen Leistung auch.“ Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit zerschlägt sich die Hoffnung auf ein Happy End auf dem Rasen. Während die Fans ihre Mannschaft teils auspfeifen, lächelt Steven Mester überglücklich. Er hat seinen Lieblingsverein im Stadion erlebt und ist so begeistert, dass er jetzt sogar mehr will: „Vielleicht klappt es mit dem neuen Auto nochmals mit einem BVB-Spiel?“