Quedlinburg Quedlinburg: Zurück ins eigene Heim
quedlinburg/MZ. - Obwohl sie wissen, dass dies noch eine Weile dauern wird, macht sich ein wenig Ungeduld breit. Auch, weil ihnen bis jetzt Informationen fehlen, wie es in den kommenden Wochen weiter geht.
"Ich war noch nicht wieder oben, ich kann es auch noch nicht. Ich hab immer noch alles vor Augen", sagt Ingrid Rasehorn und ringt um Fassung.
Die 75-Jährige und ihr gleichaltriger Mann Heinz haben beim nächtlichen Feuer am 8. Dezember fast ihr komplettes Haus verloren. Nach Verschweißarbeiten am Dach hat sichein Schwelbrand unbemerkt über Stunden zu einem ausgedehnten Feuer entwickelt. Nur noch die Mauern und die Vorderfront der Nummer 30 lassen heute erahnen, dass hier ein schmuckes Fachwerkhaus gestanden hat.
Heinz Rasehorn dagegen war schon öfter "oben", um sich vom Stand der Dinge in punkto Wiederaufbau ein Bild zu machen. Doch seine Blicke sind leer, als er davon erzählt. Denn zurzeit wird das Haus entkernt. Ein riesiges Kellerloch, darunter felsiger Untergrund, klafft in der Mitte - ringsum nur Steine, Schutt, Holz, Kabel und Metallrohre. Überbleibsel, die vom Feuer nicht "gefressen" wurden. Ein Lebenswerk ist in jener Nacht den Flammen zum Opfer gefallen - 47 Jahre lang hat der Rentner am gemeinsamen Heim gewerkelt, hat das im 16. Jahrhundert gebaute Haus fast von Grund auf wieder richtig bewohnbar gemacht. "Im Mai wären wir 48 Jahre dort oben auf dem Münzenberg gewesen", rechnet er vor. Nun wohnen Rasehorns inmitten der Stadt, im Stieg 28, in einer Zweiraumwohnung - übergangsweise. Das Ehepaar hofft, Ende dieses Jahres wieder einziehen zu können. Auch wenn durch die letzten drei Wochen Frostwetter die Beräumungsarbeiten ins Stocken geraten sind. "Am 1. März sollen die ersten Maurerarbeiten anfangen", weiß Rasehorn vom zuständigen Architektenbüro Qbatur. Mehr aber auch nicht.
Aber was sie wissen: Dass sie jederzeit Hilfe aus der Familie bekommen. Ob es von den Töchtern Heike Bechmann (48) oder Marion (50) ist. Eine von ihnen ist immer zur Stelle. Genauso wie Ingrids Bruder Helmut Sommer. Selbst den Weg vom Heimatort Friedrichsbrunn bis nach Quedlinburg scheut der 62-Jährige nicht. "Wenn ich den nicht gehabt hätte. Er ist immer da, wenn ich ihn brauche. Ob zum einkaufen fahren oder anderes", freut sich Frau Rasehorn.
In Fragen Schadensregulierung gibt es bei den Rasehorns bisher keine Probleme. 20 000 Euro gab es über die Hausratsversicherung, von der Gebäudeversicherung erstmal 50 000 für den Anfang. Hinzu gekommen sind noch 1 049 Euro aus Spenden der Bürger, die diese auf Konten der Stadt einzahlen konnten. Dagegen steht allerdings eine Gesamtschadenssumme von etwa 170 000 Euro. Doch das Ehepaar gibt die Hoffnung noch lange nicht auf, bald wieder in den eigenen vier Wänden wohnen zu können.
Hoffnung, bald wieder in sein Haus ziehen zu können, hat auch Lothar Warmholz, dessen Haus Nummer 29 ebenfalls stark beschädigt wurde. "Ich habe es zwar nebenan bei meinem Sohn Gerald immer gut, aber das eigene Zuhause fehlt eben doch", so der 68-Jährige.
Dass er, so wie einst vom Architektenbüro angekündigt, schon im Sommer wieder in sein saniertes Haus einziehen könnte, sieht er mittlerweile etwas skeptisch. "Bisher wurde noch nicht viel gemacht. Nur die zerstörten Möbel wurden rausgeräumt. Und es ist alles noch feucht", sagt der gelernte Elektriker und zeigt in der Küche sowie im Bad auf die vom Löschwasser durchtränkten Decke und Wände aus dem völlig zerstörten ersten Geschoss. Wieviel Liter Wasser hier rein flossen, lässt sich nur erahnen. "Ich muss hier ständig heizen, damit alles austrocknen kann. Hier hält man es gar nicht aus", sagt Lothar Warmholz mit dem Hinweis auf den muffigen Geruch in seinem mit viel Liebe und jahrzehntelang hergerichteten Haus.
Wie es jetzt überhaupt weiter geht? Rentner Warmholz zuckt mit den Schultern. Wenigstens hat er schon 8 000 Euro von den Versicherungen bekommen, aber auch 65 Euro von Nachbarn, die bei der letzten Silvesterparty für das Brandopfer gesammelt hatten.
Aber eigentlich ist er unzufrieden mit dem Fortgang der Arbeiten. "Wenigstens das Dach hätte schon zu sein können", meint er und hofft, dass irgendwann seine schlaflosen Nächte ein Ende haben werden, wenn er dann spätestens zum Herbst wieder in sein geliebtes Heim zurück kann.
Diese Hoffnung bleibt ihm, obwohl jeden Tag die Gedanken an jene schreckliche Nacht im Kopf kreisen und es eine unerträgliche Situation für ihn ist.