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Quedlinburg zeigt Gesicht

Von Gerd Alpermann und Detlef Valtink 16.09.2007, 16:17

Quedlinburg/Halberstadt/MZ. - Quedlinburgs Bürgermeister Eberhard Brecht und die Mitglieder des Runden Tisches für Demokratie und Toleranz sind stolz auf die Quedlinburger und ihre Gäste, die am Sonnabend "Gesicht gegen Rechts" gezeigt haben und beweisen, dass "demokratieverachtendes Gedankengut" keinen Platz in der Weltkulturerbstadt hat.

Brecht, als auch Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke sind sich nach den Wochenendaktionen in beiden Städten einig. Und sprechen von Aufbruchstimmung und einer neuen Qualität der Auseinandersetzung mit dem erstarkenden Rechtsextremismus, wohl wissend dass diese Aktionen allein das Problem nicht lösen. "Menschen, die sich von der Politik verlassen fühlen, für die müssen wir einstehen. Damit sie aus ihren Nöten heraus, nicht mit rechtsradikalen Denken erfüllt werden", benannte Brecht eine Möglichkeit, das Problem zu lösen.

Sowohl in Halberstadt bei der Aktion "Auf die Plätze" als auch in Quedlinburg, wo es unter anderem die Angebote des offenen Mikrophones auf dem Bahnhofsvorplatz und die Friedensandacht in der Marktkirche gab, nutzten Tausende diese Möglichkeit, sich zu positionieren. Bereits kurz nach 10 Uhr kamen die Ersten auf den von der Polizei gesicherten Bahnhofsvorplatz in Quedlinburg, um gegen einen Aufmarsch von Rechtsradikalen zu protestieren. Neben Bürgermeister Brecht traten Vertreter von Parteien, Gewerkschaft, Jugendzentren und Bürger Quedlinburgs an das Mikrophon, um deutlich zu machen: "Diese Stadt gehört uns." Gegen 13.30 Uhr formierte sich ein Demonstrationszug in Richtung Marktkirche. Durch eine vermummte so genannte "Antifa-Gruppe" verzögerte sich der Start, so dass die Teilnehmer verspätet zum Friedensgebet in die Marktkirche eintrafen. Dort hatten um 14 Uhr die Glocken geläutet und dann der ökumenische Gottesdienst für ein tolerantes und friedliches Quedlinburg begonnen. Worte für Quedlinburg sprachen die Pfarrer Dr. Ekkehard Steinhäuser und Martin Gentz vom evangelischen Kirchspiel, der katholische Pfarrer Christoph Tretschok und Pastor Jens Fabich von der Adventgemeinde. Trotz der noch fehlenden Demonstranten vom Bahnhof waren die Bänke in der Kirche fast voll besetzt.

Auf dem Marktplatz richtete kurze Zeit später Bürgermeister Eberhard Brecht Worte an die Teilnehmer der Aktion "Wir stellen uns quer" gegen den rechtsradikalen Aufmarsch in der Stadt. Er freute sich, dass viele Menschen auf den Markt gekommen waren, um ihren Unmut gegen Naziumtriebe zu manifestieren: "Quedlinburg ist eine liebenswerte Stadt. Sie steht für Toleranz und Demokratie." Gäste seien sonst immer willkommen, solche aber nicht. Er erinnerte an den Abend zuvor in Halberstadt. Zu diesem Fest waren auch viele Quedlinburger gekommen. An diesem Sonnabend seien nun viele Menschen aus Halberstadt und Wernigerode hier, um zu zeigen, dass sie für die Demokratie einstehen.

Der Bürgermeister forderte alle Teilnehmer auf, weiter auf dem Markt zu bleiben, und zu zeigen, dass das Herz der Stadt den Demokraten gehört. Es gelte zu verhindern, dass die Nazis den Platz in Beschlag nehmen. Und das gelang.

Spärlich dagegen sind die Quedlinburger außerhalb der Marktplatzes der Aufforderung nachgekommen, Regenschirme oder Tücher jeder Farbe außer braun aus dem Fenster zu hängen. "Die Quedlinburger dürfen nicht so ängstlich sein", fordern Elisabeth und Herbert Wendler aus Göttingen. "Wir haben uns von der angekündigten Demonstration nicht einschüchtern lassen und sind hierher gekommen. Demokraten müssen aufstehen, um den Rechten ihre Grenzen aufzuzeigen", sind die Hessen überzeugt. Auswirkungen hatte die Demonstration trotzdem auf das Tourismus-Wochenendgeschäft. Gleich mehrere Reiseunternehmen haben nach MZ-Informationen ihre Bus-Touren in die Weltkulturerbestadt kurzfristig storniert. Und auch in der Stiftskirche mussten etliche avisierte Führungen aufgrund von Absagen ausfallen.