1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Quedlinburg: Quedlinburg: Türen als Gesellenstücke

Quedlinburg Quedlinburg: Türen als Gesellenstücke

Von Gerd Alpermann 16.07.2013, 20:45
Claudia Hennrich (rechts), Leiterin des Fachwerkzentrums, zeigt der Italienerin Ada Giarrocco, wie sie mit einem Skalpell ältere Farbschichten säubert.
Claudia Hennrich (rechts), Leiterin des Fachwerkzentrums, zeigt der Italienerin Ada Giarrocco, wie sie mit einem Skalpell ältere Farbschichten säubert. Chris Wohlfeld Lizenz

Quedlinburg/MZ - Der Schlussspurt beginnt. In wenigen Wochen muss das Projekt vollendet sein. Das Fachwerkhaus Schlossberg 11 schließt dann den Komplex der Lyonel-Feininger-Galerie in Quedlinburg ab. Am 1. September sollen alle Arbeiten beendet sein und am 6. September ist Übergabe an die Stiftung Dom und Schlösser, zu der die Feininger-Galerie seit dem vergangenen Jahr gehört.

Die Restaurierung des Gebäudes, das um 1660 als Propsteivorwerk entstanden ist, wird vom Deutschen Fachwerkzentrum Quedlinburg geleitet und ausgeführt. Es ist zugleich ein internationales Jugendprojekt. Einbezogen sind Lehrlinge des Fachwerkzentrums, Jugendliche des Freiwilligen Jahrs in der Denkmalpflege über die Jugendbauhütte, betreut durch den Internationalen Jugendgemeinschaftsdienst, sowie Praktikanten.

Jeden Tag neue Erkenntnisse

Die Geschäftsführerin des Fachwerkzentrums, Claudia Hennrich, ist dieser Tage viel auf der Baustelle zu finden. Sie schildert, wie akribisch die ökologischen, denkmalpflegerischen und energetischen Belange beachtet worden sind. „Jeden Tag gibt es praktisch neue Erkenntnisse, wie das Haus einstmals aussah“, erläutert sie. Und alles was machbar war, wurde erhalten, wie die vorhandenen Putze aus den Jahrhunderten, seit 1756 liegen genaue Beschreibungen über das Haus vor. Behutsam werden die Fehlstellen ergänzt und cremeweiß gestrichen. Anschließend gelingt mit der Schmutz-Wasser-Technik Acqua Sborca eine farbliche Anpassung an das historisch Überkommende. Jedes Zimmer erhält so seinen besonderen historischen Reiz. Zu den Jugendbauhüttlern, die damit beschäftigt sind, gehören die Italienerinnen Paola D’Alicarnasso und Ada Giarrocco.

Eine besondere Herausforderung ist auch die Aufarbeitung der Türen unter Leitung von Tischlermeister Martin-Johannes Diebes. Zwei Lehrlinge, so zum Beispiel Lena Schirrmeister, werden mit einer Tür zum Hof beziehungsweise zum Garten hin ihr Gesellenstück anfertigen. Aber nicht alle historischen Türen sind noch vorhanden. Mehrere konnte Horst Schöne vom Depot historische Baustoffe der Stadt bereitstellen. „Sie stammen zwar nicht aus diesem Haus, passen aber hervorragend zu der Zeitepoche“, betont Claudia Hennrich und freut sich, auch hier nach der restauratorischen Aufbereitung Schmuckstücke liefern zu können. Zu den besonderen Stücken gehört auch die Eingangstür vom Schlossberg aus, die noch vorhanden war und in der Werkstatt des Fachwerkzentrums restauriert wurde. Es ist ein Original aus dem Jahr 1756 mit Oberlicht. Damals befand sich nur im Erdgeschoss des Schlossbergs 11 Wohnraum. Darüber waren Speicher angeordnet.

Räume für Musikpädagogik entstehen

Und weiter geht es mit der Treppe, die noch ein Original darstellt. Sie ist, wie vieles andere, bereits restauriert. Dagegen wurde die Treppe zum Garten hin neu, aber der Historie angepasst, gestaltet. Die Stäbe entstanden unter Anleitung von Drechslermeister Günther Ohk. Auch die Fußböden sind zum Teil schon verlegt, aber sicher abgedeckt. Um genügend Bohlen zu haben, deren Holz aus der Zeit der verstärkten Erwähnung vor 250 Jahren stammt, wurde Altholz auf dem Boden, der nur gesichert, aber nicht ausgebaut wird, gewonnen und entsprechend zugeschnitten.

In dem Fachwerkgebäude entstehen Räume für die Museumspädagogik. In einem Raum wird eine Druckpresse stehen und die Schwarze Küche, weitgehend original belassen, wird Ausstellungen vorbehalten bleiben. Sind sonst Balken und Decken verkleidet und gestrichen, so wurden in einem Eckraum im Zwischengeschoss ein Bogen der Schwarzen Küche erhalten und auch die Balken und Decken offengelassen. „Unser Lieblingsraum“ sagt Claudia Hennrich zu dem Zimmer mit Blick auf den Garten hin zu Klopstocks Gartenhaus. Einst war es der Raum für das Bierbrauen. Beim Einpassen der Innenfenster ist ein Raum weiter Moomba Chipalaye beschäftigt. Er stammt aus Sambia. Das Fachwerkzentrum konnte ihm eine Stelle als Tischlerlehrling offerieren.

Wenn am 6. September die Übergabe des Schlossbergs 11 und des neu hoch gezogenen Seitenanbaus als Erweiterung der Ausstellungsfläche der Galerie erfolgt, ist der Blick des Fachwerkzentrums vermehrt auf ein anderes Projekt gerichtet. Jede Sanierung ist ein Meisterstück, vermittelt Erfahrungen für das nächste. Das ist verstärkt ab 1. September die Hühnerbrücke 4 in Halberstadt. Es handelt sich bei dem Haus aus dem Jahr 1697 um das älteste Schulhaus der Kreisstadt, was etwa 30 Jahre leer stand.

Lena Schirrmeister schafft Durchblick zum Schloss.
Lena Schirrmeister schafft Durchblick zum Schloss.
Chris Wohlfeld Lizenz