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QuedlinburgQuedlinburg: Gefährdetes Fachwerk

Von KATRIN LÖWE 13.04.2011, 20:54
Mit einem Großaufgebot rückten in der Nacht zum Mittwoch (13.04.2011) die Wehren der Stadt Quedlinburg und Umgebung zu einem Brand mehrerer Fachwerkhäuser im Quedlinburger Marschlinger Hof 7 aus. (FOTO: CHRIS WOHLFELD)
Mit einem Großaufgebot rückten in der Nacht zum Mittwoch (13.04.2011) die Wehren der Stadt Quedlinburg und Umgebung zu einem Brand mehrerer Fachwerkhäuser im Quedlinburger Marschlinger Hof 7 aus. (FOTO: CHRIS WOHLFELD) Photo by: Chris Wohlfeld

QUEDLINBURG/MZ. - Bei der Nachrichtwar Detlef Horenburg am Mittwoch schlagartig hellwach.Sein einziger Gedanke: nicht schon wieder!Ein Großbrand in der historischen Altstadtvon Quedlinburg. MZ-Redakteur Horenburg, 51,weiß, was das bedeutet. Im Juni vergangenenJahres hat es sein Elternhaus im Augustinernerwischt, einen Fachwerkbau aus dem 17. Jahrhundert,"vor acht Jahren erst komplett saniert". Ausgebrochenwar das Feuer zwei Häuser weiter, weil jemandSperrmüll davor entzündet hatte. "Aber derWind stand ungünstig", sagt Horenburg. DieFlammen griffen über das Dach über. Und inQuedlinburg wie in vergleichbaren Orten mithistorischer Bausubstanz heißt es oft: Brenntein Haus, brennen schnell auch gleich dreioder vier.

So wie am Mittwoch. Drei Fachwerkhäuser wurdenbeim Großbrand in der Unesco-Welterbestadtzerstört, rund 100 Feuerwehrleute kämpftenstundenlang gegen die Flammen. Ausgebrochenwar das Feuer nachts aus noch ungeklärterUrsache im Dachstuhl eines leerstehenden Hauses.Schnell griff es auf zwei Nachbarhäuser über.

Bekanntes Szenario

Ein Szenario, das man in der Stadt mit1300 Fachwerkhäusern kennt. Immer wiedermal hat es dort Großbrände gegeben, mal imFachwerk, mal in anderen alten Gebäuden wiedem Mettehof. Insbesondere beim Fachwerk,sagt Vize-Bürgermeister Wolfgang Scheller,hat die Stadt gleich drei Probleme: die Bausubstanzmit einem großen Anteil von altem Holz undLehm. Die Tatsache, dass oft Brandmauern fehlen,Haus direkt an Haus steht. Und den Leerstand,anfällig für Brandstiftungen. Seit ein Feuerzum Jahreswechsel 2004/2005 am Kornmarkt historischeBausubstanz im Wert von mehr als drei MillionenEuro zerstörte, achte die Stadt verstärktdarauf, dass leerstehende Gebäude so gesichertwerden, dass sich nicht jeder Zutritt verschaffenkann, so Scheller. Inzwischen ist per Gesetzzudem bundesweit Silvesterfeuer in der Nähevon Fachwerkhäusern verboten.

Nach dem Brand am Kornmarkt reagierten auchdie Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt(ÖSA). Sie organisierte mit dem Institut derFeuerwehr in Heyrothsberge ein bundesweitesSymposium. "Man muss damit leben, dass dasGefahrenpotenzial in historischen Altstädtengrößer ist als in anderen Städten", sagt ÖSA-SchadensexperteDieter Roskowetz. Es ging um Know-how beider Brandbekämpfung: Zu viel Löschwasser schadeder Fachwerksubstanz extrem, die ÖSA habedie Anschaffung von Schaumkanonen unterstützt.Schaum wurde auch am Mittwoch in Quedlinburg eingesetzt."Die Feuerwehr ist gut geschult."

Brandmelder extrem wichtig

Die solide Ausbildung von Brandbekämpfernin historischen Altstädten und deren Erfahrungsei enorm wichtig, sagt auch Feuerwehr-InstitutsleiterHorst Starke. Zwar könne spezielle Technikden Wassereinsatz verringern. "Zu wenig Wasserkann aber schnell nach hinten los gehen. Danngreift der Brand auf das Nachbarhaus überund Sie haben nichts gekonnt." Das A und Oin historischen Bauten sei aber eine früheBranderkennung - sprich ein Feuermelder. Auchmit einer größeren Anzahl von Hydranten ließensich Probleme entschärfen. Etwa das engerAltstadtgassen, bei denen die Feuerwehr mitbreiten Fahrzeugen oft schwer oder gar nichtdurchkommt.

Baulicher Schutz an den unter Bestandsschutzstehenden alten Häusern selbst ist nur eingeschränktmöglich. "Sie können nicht einfach nachträglicheine Brandwand einbauen, dazu müsste man eineAußenwand abreißen", sagt Sylwester Kabat,Sachverständiger für Brandschutz in Baudenkmälern.Spezialplatten zur Innenverkleidung könntenden Feuerwiderstand etwas verbessern. Ansonsten,sagen auch andere Experten, lasse sich baulichoft wenig machen, aus technischen wie denkmalschützerischenGründen.

Eigentümer wie Detlef Horenburg leben damit.Sein Dachstuhl enthielt noch Holz von 1670- "das brennt wie Zunder". Löschwasser wardurch die Lehmdecken von der dritten bis indie erste Etage gedrungen. Fachwerkhausbesitzerwie er stehen dann gleich vor dem nächstenProblem: der Sanierung. Die, sagt Horenburg,"ist sehr teuer". Und langwierig. Bei rund140000 Euro lag der Schaden - die Versicherunghat ihn übernommen. Ein Brandmelder wird nuneingebaut, er ist jetzt Pflicht. KommendeWoche soll die sechsköpfige Familie, der erdas Haus vermietet hat, wieder einziehen können.Die beiden Nachbarhäuser seien inzwischenabgerissen. In dem am Kornmarkt, das Silvester2004 brannte, wurde die oberste Etage abgetragen.Heute steht es als Ruine leer.

Die brandgeschädigten Häuser von der Drehleiter aus gesehen. (FOTO: CHRIS WOHLFELD)
Die brandgeschädigten Häuser von der Drehleiter aus gesehen. (FOTO: CHRIS WOHLFELD)
Photo by: Chris Wohlfeld