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Quedlinburg Quedlinburg: Alte Möbel mit Geschichte

Von Rainer Marschel 22.10.2012, 17:31

Quedlinburg/MZ. - Frank Klauber sitzt neben einer Kommode aus der Zeit um 1720. Das barocke Möbelstück mit filigranen Intarsien stammt ursprünglich aus dem Quedlinburger Schloss und gelangte um 1800 in eine adlige Ballenstedter Familie. Deren Nachfahren brachten den im Originalzustand befindlichen Schrank jetzt zur Aufarbeitung in Klaubers Quedlinburger Werkstatt.

"Auf diesen Auftrag freue ich mich ganz besonders. Es kommt nicht oft vor, dass sich die Geschichte eines Möbelstücks so genau nachvollziehen lässt. Außerdem rangiert es aus handwerklicher Sicht wirklich am oberen Ende der Fahnenstange." Die barocke Kommode wurde aus einem halben Dutzend Holzarten hergestellt.

Nicht immer habe man so aufwändig gearbeitete Barock-Kommoden zu restaurieren wie momentan, sagt Klauber. Oft seien es einfach nur ein paar alte Stühle: "In jedem Fall sind aber alle diese Möbel mehr oder weniger familiär 'belastet' und daher mit jeder Menge Emotionen verbunden. Insofern sind es also nicht nur Gebrauchsgegenstände, die durch unsere Hände gehen. Schön, wenn man dann auch noch die Geschichten dieser antiken Raritäten erfährt. Ich frage ganz gezielt danach."

Auf den Geschmack gekommen ist Klauber beim Vater seiner Lebensgefährtin: Beinahe drei Jahrzehnte beschäftigte sich Achim Bernhardt mit der Aufarbeitung antiker Möbel, damals noch in der Adelheidstraße. Das sollte den gelernten Tischler zu einer nochmaligen Lehre bei Bernhardt veranlassen. 2004 und nach erfolgreicher Umschulung hat er die in die Lindenstraße umgezogene Werkstatt übernommen. Dort finden bis heute zwei weitere Männer eine Anstellung. Einer groben Schätzung zufolge sollen seitdem weit über 1 000 Möbel durch die Hände von Frank Klauber gegangen sein.

Moderne CNC-Maschinen wird man in den drei kleinen Räumen ebenso vergeblich suchen wie zu restaurierende Fenster oder Türen. Der Chef: "Was wir machen, ist pure Handarbeit mit Hobel, Grat- und Gestellsäge. Wir müssen uns bei jedem antiken Möbelstück in die Zeit der Entstehung hineinversetzen. Das macht es spannend, weil jedes komplett anders ist."

Früher habe sich jeder "Restaurator" nennen können. Dabei gäbe es diesen Lehrberuf eigentlich gar nicht, es sei denn im Ergebnis eines Fach- oder Hochschulstudiums. Machbar sei im Bereich des Handwerks lediglich eine Zusatzqualifikation. Gern absolvieren potenzielle Studenten in Klaubers Antikwerkstatt auch ein freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege. Was er seit Jahren immer wieder bemerkt, sind die Vorschusslorbeeren, wenn er Fremden gegenüber erklärt, dass er seine Werkstatt in Quedlinburg hat: "Der Ortsname unterstellt mir automatisch Fachkompetenz und reichlich Aufträge, nur weil die Stadt so alt ist. Das ist fast so wie bei Nürnberger Lebkuchen: Die müssen ja schmecken. Andere Städte geben ein Heidengeld für Imagekampagnen in diese Richtung aus. Mich wundert nur, dass man das in Quedlinburg so wenig oder gar nicht auszunutzen versteht." Im Harzkreis und darüber hinaus ist ihm kein vergleichbares Unternehmen bekannt, das sich derart spezialisiert hat: "Sie werden lange fahren müssen." Es habe zwar schon bundesweit einzelne Aufträge gegeben, "aber weit über 90 Prozent stammen aus der Region im Umkreis bis 100 Kilometer".

Nach der Wende hätten viele Leute umgehend ihre DDR-Anbauwand entsorgt und sich eine aus Italien oder Schweden hingestellt. "Irgendwann hat man bemerkt, dass es ja fast die gleiche Grütze ist und sich darauf besonnen, dass nur Omas Uralt-Schränke auf dem Boden jene Individualität bieten, die heute immer wichtiger zu werden scheint", sagt Klauber.

Hat er je seinen Fuß über die Schwelle eines großen schwedischen Möbelherstellers gesetzt? "Natürlich habe ich solche Möbel, aber die lassen sich mit antiken Schränken auch bestens kombinieren. Außerdem will ich selbst schließlich auch keine Uralt-Küche haben! Nur muss man sich damit anfreunden, Massenware gekauft zu haben, die man schnell beim Nachbarn wiederfindet."