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Publikum erlebt Klangkörper mit großer Authentizität

Von UWE KRAUS 26.05.2009, 16:44

QUEDLINBURG/MZ. - "Nach dem Kaffee werden Erinnerungen rausgekramt." Und so begann das Konzert auch: Probleme mit der Platzierung der Geburtstagsgäste in Reihen und auf der Empore, vier Redner, die dem Jubilar Dank und Hoffnung spendeten, und dann das, wofür die Besucher in die Quedlinburger Marktkirche St. Benedikti gekommen waren: ein ganz besonderes Konzert.

Selbstbewusst verkündete Dr. Joachim Jahn, Vorsitzender des Collegium musicum, in Anspielung auf Haydn, Mendelssohn-Bartholdy & Co.,, dass "heute nicht dem Jubilaren des Jahres die Ehre erwiesen wird, sondern Johann Heinrich Rolle", der in dieser Kirche getauft worden war. So erlebten die Zuhörer, unter ihnen Kultus-Staatssekretär Dr. Valentin Gramlich und Landrat Dr. Michael Ermrich, Musik, die in den vergangenen Jahrhunderten zumeist zu Unrecht verloren ging. Hier spürte der Konzertbesucher das, was das Collegium musicum ausmacht: "Authentizität statt CD-Perfektion", wie es Dr. Brecht bezeichnete. "Dem Gewandhaus hält das hier nicht stand, aber ich bin stolz auf die Aktivitäten in unserer Stadt. Rund zehn Generationen musizierten in dieser Vereinigung."

Der Landrat schloss sich an und würdigte die musikalischen Potenzen, die in den Mauern von Quedlinburg vorhanden sind. Diese direkte Hinwendung zur Musik sei wichtig in einer Zeit, in der man selbst das Staubsaugen rein technisch mit Klassik unterlegen könne. So erlebte Quedlinburg zum Geburtstag des altehrwürdigen Musizierzirkels gleich mehrere Wiederaufführungen. Respekt, hier bemühten sich hervorragende Solisten und ein unter der musikalischen Leitung von Martin Orth und KMD Gottfried Biller spielendes Collegium, das mit Mitgliedern des Philharmonischen Kammerorchesters Wernigerode verstärkt war, darum, die musikalischen Schätze aus der Feder Johann Heinrich Rolles wieder auf die Orchesterpulte zu heben. Sie vermittelten dem begeisterten Publikum die Schönheit und Originalität dieser Musik.

Der Quedlinburger Oratorienchor wirkte bei den "Kantaten auf Pfingsten" recht geschmeidig und schlank, dabei sauber artikulierend. Biller orientierte den Klangkörper sicher am Vokalen. Viel Freude verbreiteten hier einmal mehr die erlesenen Solisten. Über die gefragte heimische Lied- und Oratoriensängerin Conny Herrmann (Sopran) und den kurzfristig eingesprungenen Tenor Tobias Hunger bis zu Stephan Heinemann (Bariton) und die charmante Altistin Inga Lampert vereinten die Organisatoren Kenner der Rolle-Zeit und Könner auf dem Gebiet der Kantate. Conny Herrmann gefiel höhensicher mit angenehm-leichter Unaufgeregtheit, Inga Lampert mit erstaunlich gereiftem Timbre besonders in "Der Gott der Hoffnung", vielleicht dem emotional bewegendsten Rolle-Part des Konzertes.

Musikalisches Vergnügen pur gibt es, wenn Martin Orth sein Orchester dirigiert. Optisch ganz anders als Kirchenmusikdirektor Biller, aber mit soviel Esprit, dass der Funke bis in die letzte Orchestergruppe überspringen musste. Klangen die Streicher in der "Sinfonia aus dem musikalischen Drama Davids Sieg im Eichthale" minimal verschleppt, waren es später die Bläsersätze, die auf den Punkt wirkten. Stürmischer Applaus dann für das von Martin Orth mit großer Dynamik sauber dirigierte F-Dur-Cembalo-Konzert. Das sah Torsten Michel im Mittelpunkt, einen Erzmusiker, ob bei den Spinnesängern, als einfühlsamer Klavierbegleiter von Solistinnen oder eben Cembalist.

Nach diesem Beweis, wie vital nach einem Vierteljahrtausend das Musizieren in Quedlinburg noch ist, hofft man, dass das "Collegium musicum Quedlinburg" auch in den kommenden Jahrzehnten genügend Nachwuchs an seine Ideen heranführt und so das Musikleben der Stadt weiter bereichert.