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Projekt der Lebenshilfe Harzkreis-Quedlinburg  Projekt in Quedlinburg: Neues Leben in altem Haus

Von Petra Korn 26.11.2016, 12:00
Die Außenansicht zeigt den Gebäudekomplex am Marschlinger Hof in Quedlinburg, der von der Lebenshilfe saniert und neu gebaut wurde und nun unter anderem für „Ambulantes Wohnen für Menschen mit intensiverem Betreuungsbedarf“ genutzt wird.
Die Außenansicht zeigt den Gebäudekomplex am Marschlinger Hof in Quedlinburg, der von der Lebenshilfe saniert und neu gebaut wurde und nun unter anderem für „Ambulantes Wohnen für Menschen mit intensiverem Betreuungsbedarf“ genutzt wird. Chris Wohlfeld

Quedlinburg - Seit zwei Wochen hat Norman Sachse ein neues Zuhause, eingerichtet mit eigenen Möbeln und vielen persönlichen Dingen. Der 38-Jährige ist stolz auf sein Zimmer in einer Wohngemeinschaft im sanierten, gerade fertiggestellten Gebäude Marschlinger Hof 6 in Quedlinburg.

„Wir haben ganz lange darauf gewartet und sind sehr froh, dass es geklappt hat“, sagt Birgit Sachse. Sie und Ehemann Rolf Sachse haben ihren mehrfach behinderten Sohn über 30 Jahre zu Hause betreut, bis das aufgrund der Krankheitsbilder nicht mehr möglich war und Norman in eine stationäre Einrichtung musste.

Nun, in der betreuten Wohngemeinschaft bekomme ihr Sohn, der zuvor lange in den Werkstätten der Lebenshilfe gearbeitet habe und nun in die Tagesförderstätte gehe, wieder eine Tagesstruktur.

„Er braucht Beschäftigung“, sagen die Eltern, die ihren Sohn in dem Projekt auch für die Zukunft betreut sehen, wenn sie irgendwann selbst nicht mehr für ihn da sein können.

Zwei Herausforderungen gab es für die Lebenshilfe Harzkreis-Quedlinburg

Marschlinger Hof - dieses Vorhaben ist für die Lebenshilfe Harzkreis-Quedlinburg mit zwei Herausforderungen verknüpft, sagt Geschäftsführer Andreas Löbel. „Zum einen ist das das Bauliche, zum anderen das Konzeptionelle.“

Die baulichen Aufgaben - mitten in der Unesco-Welterbestadt - sind erfüllt: So wurde das sanierte denkmalgeschützte, aus dem 18. Jahrhundert stammende Fachwerkhaus Marschlinger Hof 6 ebenso übergeben wie ein Neubau. Dieser ist auf den Grundstücken Marschlinger Hof 7 bzw. Weingarten 15/16 entstanden.

Die hier zuvor befindlichen Häuser mussten nach einem Brand abgerissen werden. Die Lebenshilfe kaufte die vier Grundstücke 2012. Am Marschlinger Hof 6 wurden zunächst Sicherungsarbeiten durchgeführt und für das Projekt mehrere Konzepte erarbeitet, ehe dann im Frühjahr 2015 Baustart war.

Verbindung zwischen Alt- und Neubau in Quedlinburg

Dabei galt es auch, eine Verbindung zwischen Alt- und Neubau zu schaffen und letzteren so herzustellen, „dass es den Quedlinburgern gefällt“, sagt Löbel. So sei der Neubau mit Altmaterialien und in ökologischer Bauweise errichtet - und das Dach mit anthrazitfarbenen Ziegeln gedeckt worden, wofür der Bauausschuss eine Abweichung von der Gestaltungssatzung genehmigte.

„Wir werden von vielen Leuten angesprochen, die finden, dass sich das alles gut einpasst“, sagt Löbel. Entstanden sind mit Sanierung und Neubau mehr als 700 Quadratmeter Nutzfläche - und mit einem Aufwand von 2.000 Euro je Quadratmeter für „barrierefreies, nachhaltiges Bauen im Denkmal waren wir gut“, so der Geschäftsführer. #artikel

1,5 Millionen Euro inklusive Fördermittel für Welterbestadt

Insgesamt wurden 1,5 Millionen Euro investiert, darunter Fördermittel von der Baubecon, aus dem „Stadtumbau Ost“, von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und der „Aktion Mensch“.

„Ohne die Förderung wäre es nie möglich gewesen, das Projekt umzusetzen“, so Löbel. Er verweist aber ebenso auf alle anderen Beteiligten von der Stadt über Landkreis und Land bis hin zu Architekturbüro und Baufirmen.

Es gibt drei neue Angebote

Mit der Übergabe des Bauprojektes sind auch drei neue Angebote gestartet worden: Dazu gehört ein ambulanter Pflegedienst, der ebenso im Neubau seinen Sitz hat wie der ebenfalls neue familienunterstützende Dienst.

Dieses von Katrin Wiedenbein geleitete Angebot ist offen für alle Altersklassen und beinhaltet, Familien und ihre Angehörigen mit Behinderung bei der Gestaltung ihres Alltags und der Freizeit zu unterstützen.

Das dritte Angebot ist die konzeptionelle Herausforderung, der sich die Lebenshilfe gerade stellt: „Ambulantes Wohnen für Menschen mit intensiverem Betreuungsbedarf“, ein gemeinsam mit dem Land geschaffenes, auf fünf Jahre angelegtes Modellprojekt.

„Es ermöglicht Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, ambulant betreut und selbstständig außerhalb von stationären Einrichtungen zu leben“, beschreibt Löbel. In zwei entstandenen Wohnungsgemeinschaften leben jeweils vier Mieter - Frauen und Männer, die einen eigenen Mietvertrag haben und sich die von ihnen benötigten, von verschiedenen Kostenträgern finanzierten Leistungen von der Pflege über die pädagogische Betreuung bis hin zum Familien unterstützenden Dienst selbst „einkaufen“.

Noch in der Entwicklung

„Wir sind da in der Entwicklung, was uns vor große Herausforderungen stellt, aber auch die Mieter und ihre Angehörigen“, sagt Andreas Löbel und fügt hinzu: „Es ist das vorausschauende Modell für das Bundesteilhabegesetz, das im Dezember verabschiedet werden soll und mit dem sich die Eingliederung ändern wird. Und das Interesse nicht nur von Eltern, sondern auch von Öffentlichkeit und Politik ist enorm.“ (mz)