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Gottfried Biller vorm Ruhestand Organist Gottfried Biller vorm Ruhestand: "Der Musiksommer wird weitergehen"

05.02.2017, 08:45
Seit 1980 ist Gottfried Biller Organist an der Quedlinburger Stiftskirche. Im März geht er in den Ruhestand.
Seit 1980 ist Gottfried Biller Organist an der Quedlinburger Stiftskirche. Im März geht er in den Ruhestand. Chris Wohlfeld

Quedlinburg - Musiksommer, Weihnachtsoratorium, Konzerte - der Kirchenmusiker und Kirchenmusikdirektor Gottfried Biller hat das kulturelle Leben in Quedlinburg jahrzehntelang geprägt. Im März geht er, 65-jährig, in den Ruhestand. Über die bevorstehende Zeit des Wechsels sprach mit ihm Rita Kunze.

Ruhestand. Macht dieses Wort Ihnen Angst?
Biller: Bisher habe ich den Ruhestand aus einigem Abstand gesehen, so dass ich das noch gar nicht richtig nachvollziehen kann. Ich kann nicht sagen, dass es mir Angst macht, aber im Erleben wird es noch mal anders sein. Ich bin gewöhnt, Akzente selber zu setzen - ich habe kein Arbeitsverhältnis, das mir einen Tagesplan vorgibt.

Am 4. März werden Sie offiziell aus Ihrem Amt verabschiedet. Was ist bis dahin alles zu tun?
Biller: Ich habe gemerkt, wie viel ich aufräumen muss. Es ist viel liegen geblieben, was plötzlich keine Bedeutung hatte. Zum Beispiel das Notenarchiv, das ist ein Kapitel, das mich gerade sehr beschäftigt.

Sie sind der Initiator des Quedlinburger Musiksommers. Dieses überregional bedeutende Kulturereignis ist untrennbar mit Ihrem Namen verbunden. Was wird damit?
Biller: Der Musiksommer wird weitergehen. Ich bereite ihn zusammen mit meinem Nachfolger Markus Kaufmann vor. Ich arbeite zu, er entscheidet.

Welches Thema gibt es 2017?
Biller: Das Arbeitsthema lautet „Reformation - Ende und Anfang“. Das ist doppeldeutig gemeint: Mein berufliches Ende, Kaufmanns beruflicher Anfang. Die Reformation als Ende einer geistlichen Entwicklung und ein Neuanfang. Wir müssen dabei aber nicht die Reformation nach allen Seiten beleuchten.

Gibt es noch andere Projekte, die Sie beschäftigen?
Biller: Die Marktorgel. Das ist unwahrscheinlich viel Fleißarbeit - Anträge und Formalitäten sind zu klären. Sie soll saniert und auf ihren Originalzustand zurückgeführt werden. Es ist die letzte große Orgel der Familie Röver und gehört ohne weiteres zum historischen Bestand der Marktkirche und eignet sich hervorragend für Konzerte. Vielleicht lassen sich durch die Nähe zum Palais Salfeldt Angebote schaffen - zum Beispiel zum Ausklang von Kongressen.

Werden Sie noch kirchenmusikalisch tätig sein?
Biller: Ich werde in der Region Halberstadt bei Gottesdiensten an den Orgeln spielen, wo keiner mehr ist. Ich habe auch vor, in Nebra einmal im Jahr Orgelkonzerte zu geben.

Sie wurden 1951 in Nebra geboren. Zieht es Sie jetzt in die alte Heimat zurück?
Biller: Ich habe keine Pläne zum Weggehen. Es gibt noch sehr viel aufzuarbeiten. Ich will meinem Nachfolger nichts hinterlassen, was unsortiert ist.

1980 kamen Sie - 29 Jahre alt - nach Quedlinburg, als Organist an der Stiftskirche. Erinnern Sie sich, wie Sie sich damals gefühlt haben?
Biller: Ich habe den Weg, der nicht von vornherein geebnet war, als Herausforderung angesehen und bin froh, wie viel doch entstanden ist. Die Stiftskirche ist mir vertrauter geworden. Am Anfang hatte sie für mich eine Dimension, von der ich glaubte, ich schaffe es nicht, diesen Raum zu füllen: mit dieser Architektur, dieser Geschichte.

Wie haben Sie diesen Konflikt für sich gelöst?
Biller: Ich bin oft da gewesen. So haben sich Konzepte entwickelt, und so ist es immer mehr geworden. Ich habe Mitstreiter gewonnen, die sich überzeugen ließen und mitgemacht haben.

Reibungsfrei war das aber nicht.
Biller: Die größten Widerstände gab es intern. Bei manchen waren Veränderungen nicht erwünscht. Ich denke, das hatte etwas mit der Angst vor Veränderungen zu tun. Ich glaube nicht, dass sie ein guter Ratgeber ist und fühle mich auf der Gegenseite, die Angst zu nehmen.

Im Jahr 2010 hat Sie die Stadt Quedlinburg zu ihrem Ehrenbürger gemacht. Zwei Jahre später haben Sie die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Welche Rolle spielen solche Ehrungen im beruflichen Leben?
Biller: Wenn solche Dinge kommen, sind sie gut. Wenn nicht, vermisse ich sie nicht. Aber es ist die Anerkennung eines Weges.

Der war im Blick der Öffentlichkeit vor allem geprägt vom Musiksommer, der weithin ausstrahlt.
Biller: Das Kriterium dafür ist nicht die Größe der Stadt, sondern die Ausstrahlung der Stiftskirche. Da muss sich was an deren Bedeutung orientieren.

Was werden Sie tun, nachdem Sie alles sortiert haben?
Biller: Ich habe noch keine Richtlinie für mich gefunden, aber engagiere mich weiter. Es hat sich nur noch nicht klar herauskristallisiert, wo und wie. Ich habe vor, mich für ein Jahr zurückzuziehen. Ich will nicht wie eine graue Eminenz irgendwo erscheinen. Damit mein Nachfolger sich in Ruhe einarbeiten kann.

Wird Ihnen etwas fehlen?
Biller: Die Suche nach dem Unverwechselbaren wird mir vielleicht fehlen. Manchmal gab es beim Musiksommer auch den Druck: Schaffen wir’s, schaffen wir’s nicht? Das war nicht immer motivierend. Dass der Musiksommer solche Dimensionen angenommen hat, lag an mir. Ich wollte es so.

Haben Sie eigentlich einen Lieblingsplatz in der Stiftskirche?
Biller: Ich setze mich gerne in die letzte Reihe, gerne auch in die Krypta. Und ich bin gerne in der Kaiserloge, mit Blick auf den Hohen Chor. Sie ist aber nicht immer zugänglich; wenn wir nach Konzerten die Stühle runtergetragen haben, dann habe ich einen Stuhl oben behalten. (mz )