Würdigung für Thalenser Stadtrat „Manchmal habe ich auch eine große Klappe gehabt“
Klaus Peter Blumenthal ist nach 26 Jahren als gewählter Mandatsträger zum Ehrenstadtrat ernannt worden. Der Linke-Politiker erinnert an bewegte Zeiten.
Thale - Ehrenstadtrat - mit dieser Bezeichnung darf sich kraft Stadtratsbeschluss vom 25. März der Thalenser Klaus Peter Blumenthal schmücken. Bevor er zu Ende Januar dieses Jahres seinen Rückzug aus dem Kommunalparlament bekannt gab, gehörte er dem Gremium 26 Jahre lang an - seit 1991 mit einer Unterbrechung. Im Gespräch mit der Mitteldeutschen Zeitung blickt der Betriebswirt und Linke-Politiker auf schicksalhafte Entscheidungen in der Nachwendezeit, einen „politischen Krieg“ um 2000 und Momente zurück, die ihm den Ruf des streitbaren, bisweilen gar bissigen Abgeordneten einbrachten.
„Es ging im Wesentlichen um einen friedlichen Übergang“
„Im Herbst 1989 wurde jemand für den Runden Tisch gesucht“, skizziert Blumenthal, der zu DDR-Zeiten kein Mandat ausübte, den Beginn seiner kommunalpolitischen Laufbahn. Auf Bitten der „letzten Mohikaner, die noch zur Partei hielten“, habe er sich bereit erklärt mitzuwirken. „Es ging im Wesentlichen um einen friedlichen Übergang“, erklärt der heute 65-Jährige, „und den haben wir ’89 in Thale recht gut hinbekommen.“
Auf einen Besuch einer Stadtratssitzung in der späteren Partnerstadt Seesen - „das war damals noch eine Weltreise“ - folgte 1990 die erste demokratische Stadtratswahl in Thale, bei der Blumenthal für die damalige PDS kandidierte. Die Wahlergebnisse, blickt der Thalenser lachend zurück, habe er an jenem Abend in der Spätschicht in der Schaufelfertigung des Stanzwerks im VEB Eisenhüttenwerk am Radio verfolgt.
„Damals wurden aufgrund von Arbeitskräftemangel Ingenieure in die Produktion geschickt.“ Blumenthal erhielt zunächst nicht genügend Stimmen. Anfang 1991 rückte er dann jedoch für Dieter Held, seinen einstigen Pionierleiter auf der Oberschule, in das noch junge Gremium nach.
Ratsbeschluss raubte Existenz
Bereits im Lauf der ersten Legislaturperiode, mit dem Pfarrer Erich Schweidler als Bürgermeister an der Spitze der Verwaltung, hatte Klaus Peter Blumenthal den Vorsitz im Rechnungsprüfungsausschuss inne. Bei einer Reihe von Beschlüssen, erinnert er, sei in jener Zeit für die Mitwirkenden im Stadtrat und den Ausschüssen große Vorsicht geboten gewesen.
„Manche Sachen gingen an die Existenz des einen oder anderen.“ So sei zum Beispiel der Pachtvertrag für den Parkplatz auf dem Hexentanzplatz ausgelaufen und sollte an einem Freitag erneuert werden. Am Donnerstag, berichtet Blumenthal, habe er einen Antrag eingebracht, den Parkplatz nicht wieder zu verpachten, dem dann mehrheitlich stattgegeben worden sei. „Wir brauchten ihn für die Hexentanzplatz GmbH. Natürlich haben wir da einem seine Existenz geraubt. Aber die Interessen der Stadt gingen vor den Interessen der Einzelnen.“
Wie die Aktenlage am Ende wirklich war
Kurz bevor Blumenthal 1997 wegen eines beruflichen Wechsels nach Nürnberg sein Mandat niederlegte, habe das Gremium beschlossen, die Stasi-Unterlagen für alle Mitglieder anzufordern. Allerdings, legt der Finanzexperte dar, habe er bei deren Eintreffen dem Rat schon nicht mehr angehört, weshalb sein Umschlag - der ziemlich dick gewesen sei - nicht geöffnet werden durfte.
Jahre später habe er von seinem Chef bei der Firma Recycling und Sanierung Thale (RST) erfahren, dass dieser 1997 Besuch von einem Stadtratsmitglied bekommen habe, welches gefragt habe: „Herr Finck, wieso beschäftigen Sie den Blumenthal? Der hat eine Stasi-Akte!“ Er habe den Ratskollegen nie darauf angesprochen, fügt Blumenthal hinzu, aber er wisse, wer es gewesen sei.
Seine Stasi-Unterlagen habe er 2001, nach dem erneuten Einzug in den Rat, dann doch noch bekommen - vom damaligen Rathauschef Hans-Michael Maertens (CDU) mit den Worten: „Es ist aller Ehren wert, was da drin steht.“ Solche Akten habe es eben auch gegeben, sagt Blumenthal.
Parlament regelmäßig in Patt-Situationen
Die Zeit um 2000 hat er in sehr negativer Erinnerung behalten: Ein Mitglied der CDU habe damals im Stadtrat den „politischen Krieg“ ausgerufen. „Was er damit gemeint hat, hat er nie erklärt.“ Bei Abstimmungen sei es damals regelmäßig zu Patt-Situationen gekommen, weil die CDU genauso viele Vertreter hatte wie Bürgerforum, PDS und SPD zusammen. „Wir konnten also durchaus auch mal eine Entscheidung kippen - anders als heute mit der absoluten Mehrheit der CDU“, gibt Blumenthal zu bedenken.
Viel sei damals auch in der Öffentlichkeit gestritten worden, mitunter fielen Beleidigungen. Eine schwierige Phase - die erst nach der Wahl Thomas Balcerowskis (CDU) zum Bürgermeister allmählich einem vernünftigeren Vorgehen gewichen sei. „Seit dieser Zeit werden Auseinandersetzungen außerhalb der Öffentlichkeit geführt“, erklärt das Linke-Mitglied. „Man setzt sich mit Argumenten auseinander und kommt dann im Stadtrat zu guten, schnellen Beschlüssen mit relativ wenig Diskussion.“ Erfolgsgeschichten wie beim Klubhaus oder der Therme gäben dieser gewandelten Stadtratsarbeit recht.
20 Jahre Vorsitzender im Haushalts- und Finanzausschuss
Um auf die Frage zu antworten, worauf er persönlich bei seiner Arbeit als gewählter Vertreter besonderen Wert gelegt habe, muss Klaus Peter Blumenthal nicht lange überlegen. „Als Betriebswirt ging es mir im Stadtrat vor allem darum, dass wirtschaftlich kein Mist gebaut wird“, betont der Mann, der dem Haushalts- und Finanzausschuss des Kommunalparlaments von 2001 bis 2021 ohne Unterbrechung vorsaß.
Dazu habe gepasst, dass er sich bei der Umstellung der kommunalen Finanzen auf das System der doppelten Buchführung als Betriebswirt wiedergefunden habe - hätten privatwirtschaftliche Unternehmen dieses doch bereits lange vor den Städten angewendet.
„Manchmal große Klappe“
Wenn Blumenthal auf die letzten Jahre seiner Ratstätigkeit blickt, stellt er als positiven Aspekt fest, „dass man schnelle Worte von mir auch ernst genommen hat“. „Manchmal habe ich auch eine große Klappe im Stadtrat gehabt. Aber dafür habe ich ja mein Mandat, den Auftrag der Wähler, etwas zu tun. Ich habe mich immer bemüht schnell zu reagieren, wo andere noch dem Vortrag zu Ende lauschen wollten“, beschreibt er und nennt als Beispiel die Diskussionen zur Änderung der Sondernutzungsgebührensatzung im vergangenen Jahr, bei der eine Kaution für das Aufhängen von Plakaten an Straßenlampen in das Regelwerk aufgenommen werden sollte.
„Da waren einige der Auffassung, das soll doch die Verwaltung selbst entscheiden. Ich und andere waren hingegen der Auffassung, dass es festgeschrieben sein muss, damit hier keiner manipulieren kann.“ Das Ergebnis der Kampfabstimmung, in der die Stadträte ohne Fraktionszwang ihre Meinung frei zum Ausdruck brachten, wertet Blumenthal als „kleinen Erfolg“.
Jetzt bekommt das Hobby mehr Zeit
Auch wenn Klaus Peter Blumenthal nun nicht mehr mehrere Abende im Monat für Ausschuss- und Ratssitzungen freihalten muss, stellt er klar: „Ich habe keine Zeit dazugewonnen. Ich habe die Zeit nur anders verteilt.“ Wohin, schiebt der 65-Jährige, der seinem Ruhestand Ende des kommenden Jahres entgegenblickt, gleich hinterher:
Seit 1969, seit er 13 war, züchte er Fische im Verein und sei in zwei internationalen Gesellschaften für Aquarienfischer aktiv. 30 Arten von Goldfischen und 20 Arten von Labyrinthfischen nenne er sein Eigen. Weil sie alle gepflegt werden müssten, sei sein Feierabend nicht um 17 Uhr, wenn er den Firmensitz im Fontanering verlasse, sondern meist eher gegen 21 Uhr. (mz/brt)