Lebhafter Zugverkehr in Geigenkasten und Schmortopf
THALE/MZ. - Wenn Bernd Rümkasten mit einem nierenförmigen Koffer-Etui loszieht, plant er keine Hausmusik. Und schon gar keinen Feuerüberfall. Denn in dem Behältnis befindet sich weder eine wohlklingende Fiedel noch eine abgesägte Schrotflinte. Allenfalls zwei kleine Wohnhäuser, ein Berg, eine Sandverladung und natürlich ein Sonderzug der Rümkasten-Bahngesellschaft samt dazu gehörenden Verkehrs- und Betriebsanlagen. Denn der Halberstädter ist leidenschaftlicher Modelleisenbahner. Doch im Gegensatz zu seinen Kollegen setzt er die Bahnlandschaften nicht nur auf großflächige Holzplatten, sondern auch maßgeschneidert in Koffer, Schmortöpfe oder Etuis.
Im Rahmen der diesjährigen Adventsausstellung des Modellbahnclubs Thale, die auch noch am kommenden Wochenende zu sehen ist, gastiert Rümkasten mit seinen Raritäten im Rathaussaal der Bodestadt. Nachdem einige der 26 Mitglieder des Thalenser Clubs mit ihren Anlagen 2008 bis auf die Insel Rügen und nach Zwickau reisten, luden auch sie diesmal etliche Gastaussteller ein.
Horst Thiele und Andreas Henke kamen aus Saßnitz. Und zeigten mit der H0-Schmalspurlanlage "Klockow" ein authentisches Stück mecklenburgische Eisenbahngeschichte - den im Maßstab 1: 87 erfolgten Teilnachbau der einstigen Kleinbahnstrecke Pasewalk-Klockow. Faszinierend ist Baumeister Henkes Liebe zum Detail: Alle sichtbaren Gebäude, genauso maßstabsgerecht rekonstruiert, standen an der Originalstrecke. Glanzstück ist eine alte Kartoffelstärke-Fabrik, vor der das typische Werksleben pulsiert. Henkes Züge sind kaum langsamer als das fast 100-mal größere Bähnle, das zum Schluss nur noch acht Kilometer pro Stunde schaffte. Dafür verweigert die Henke-Bahn in den Kurven gern die Weiterfahrt. Die Saßnitzer bauen zur Zeit "an sieben Anlagen, ganz in Weiß", die auf 40 Quadratmeter den Katastrophenwinter 1978 / 79 thematisieren, berichtet Thiele, der Clubchef der Rügeraner.
Bei der Gartenbahn von Klaus Ziesenhenne, Thales Vize-Vereinschef, wird noch fleißig gebimmelt und gepfiffen. Schon deshalb inspizierten Lars (4) und Max (6) das dampfende Bahnwunder bäuchlings, in Augenhöhe mit Weichen und Achsen. Zudem durften Ziesenhennes Güterwagen auch geplündert werden, zumindest die mit Original-Mandarinen beladenen Waggons. Die Kanone auf einem der Schlusswagen war dagegen fest gezurrt. Zugegriffen wurde am Bahnhof "Hasenau", da stoppte der Südfrucht-Express häufiger.
An abgewickelte Interregio-Verbindungen erinnerte der Blankenburger Wolfgang Kießling. Er bot Sammlern u.a. Original-Zuglaufschilder an, zum Beispiel vom IR 2102 (Konstanz-Greifswald), aber auch S-Bahn-Notbremsen, Zugabschluss-Scheiben oder DDR-Kursbücher. Und wer selbst mal im Stellwerk schalten wollte, war bei Christopher Bör richtig. Der 13-Jährige gehört zur kleinen Nachwuchsgruppe des Thalenser Clubs und beförderte Mitmachwillige zum Fahrdienstleiter. "Ich bin von dieser Technik fasziniert", sagt Christopher zu seiner Club-Mitarbeit. Vereinschef Frank Schubert beklagt dagegen "trotz guter Zusammenarbeit mit den Schulen" das Desinteresse der heutigen Jugend am Modelleisenbahnbau. Vielleicht sind Lars oder Max eines Tages dabei.
Zufrieden war Schubert mit zahlreichen Sponsoren, die eine lukrative Tombola ermöglichten. Zum Sachsen-Anhalt-Tag 2009 kündigte der Clubleiter eine große Modellbau-Schau an, bei der Vereine aus allen Landesteilen auch Flugzeug- oder Schiffsmodelle zeigen werden. Zuvor - am 15. Januar 2009 - feiert Thales einstige AG Modellbahn aber noch ihren 45. Geburtstag.
Die Schau im Rathaus-Saal von Thale ist noch am Freitag, 28. November, von 15 Uhr bis 17 Uhr und am Samstag, 29. November, sowie am Sonntag, 30. November, jeweils von 10 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.