Landratswahl 2020 Landratswahl 2020: "Ein erfahrbarer Landrat sein"

Dingelstedt - Und plötzlich ist das Gespräch weg. Telefonische Terminabsprachen im Harz können schwierig sein, gerade wenn man sich dabei von einem zum anderen Ort bewegt. Das weiß Maik Berger (SPD) nur zu gut. Die digitale Infrastruktur im Landkreis ist deshalb eines der Themen, die den gemeinsamen Kandidaten von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen umtreiben. Es gebe zu wenige Funkmasten, der Breitbandausbau verlaufe schleppend, sagt er, dass 5.000 Haushalte ganz und gar vergessen worden seien – ein Unding.
Berger setzt auf Hilfe zur Selbsthilfe: In Aderstedt, seinem Heimatort, in dem er Ortsbürgermeister ist, soll es demnächst vom Rathausturm eine Funkverbindung in die Badeanstalt geben, damit dort telefoniert und auch das Internet genutzt werden kann. Er sieht Freifunk nicht als das Allheilmittel, aber als eine „tolle Brückentechnologie, um Lücken zu stopfen“, die noch dazu förderfähig sei.
Trotz digitaler Welt ein handgeführtes Terminbuch
Der 47-Jährige ist einer, der die Möglichkeiten, die ihm die neuen Medien bieten, nutzt. Auch im Wahlkampf setzt er auf Twitter und Co. Doch mag er noch so digital unterwegs sein: Seine Termine trägt er ganz altmodisch von Hand ein - in einen A4-großen Buchkalender, den er immer bei sich hat.
Und an Terminen mangelt es ihm gerade nicht. Um jetzt, vor der Wahl Gesicht zeigen zu können, hat er seinen Jahresurlaub genommen. „Anders geht es nicht. Man kann keinen Wahlkampf abends und am Wochenende führen“, sagt er im Gespräch mit der MZ, das auf der Huysburg stattfindet. Deren Geschichte reicht bis ins 8. Jahrhundert zurück. Von hier aus hat man einen weiten Blick ins Land.
„Natur, wie ich sie mir vorstelle, intakte Natur“
Den Ort des Treffens hat Berger mit Bedacht gewählt. Der Huy ist Heimat. Der Huy ist ländlicher Raum, der geprägt von Veränderungen und infrastrukturellen Herausforderungen ist. Der Huy ist Natur, „Natur, wie ich sie mir vorstelle, intakte Natur“, sagt Berger.
Er spricht davon, dass Natur, Tourismus und Wirtschaft im Harz einander bedingen, von ganzheitlichen Konzepten. Und er kann von hier oben auch zeigen, wofür er noch steht: Zwischen Wasserleben und Dingelstedt plant die Avacon, eine Freileitung zu bauen. Berger ist Sprecher der Bürgerinitiative „Freie Sicht auf Huy und Bruch“, die das verhindern will, stattdessen eine unterirdische Stromtrasse fordert.
Die Entscheidung, für das Amt des Landrates zu kandidieren, traf Berger schon Ende vergangenen Jahres. Damals gab es gerade mal einen Bewerber: Thomas Balcerowski für die CDU. „Wenn ich die Wahl habe, möchte ich aber eine Auswahl haben“, sagt Berger, der daraufhin als Zweiter seinen Hut in den Ring warf und dem gleich drei Parteien den Rücken stärken. Das gab es so noch nie im Landkreis. „Damit schaffen wir eine Alternative zu einem CDU-Landrat.“
Nicht nur auf Gesetz und Recht pochen
Auf kommunalpolitischem Parkett bewegt sich Berger seit seiner Wahl zum Ortsbürgermeister vor sechs Jahren; auch Gemeinderatsmitglied ist er. Zur Gemeinde Huy gehören neben Aderstedt zehn weitere Ortsteile. „Seitdem sehe ich, wie das Verhältnis ist - zwischen Landkreis, Kommunalaufsicht, den Städten und Gemeinden“, das passe nicht. Man könne nicht nur auf Recht und Gesetz pochen, und einem dabei die Luft abschnüren; „das funktioniert nicht“.
Der Landkreis, findet er, müsste mehr vermitteln, „um die Marke Harz nach vorn zu bringen; er hat sich viel zu oft zurückgezogen“. Vermitteln, sagt der Landratskandidat, könne er.
Berger, gebürtiger Halberstädter, wuchs in Aderstedt auf, ging nach dem Abitur zunächst nach Helmstedt, machte dort eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Später verschlug es ihn nach Köln. Acht Jahre lebte er in der Millionenstadt. Dann zog es ihn - inzwischen verheiratet mit seinem Mann Sergej - in die Heimat zurück. Aufs Dorf: 350 Einwohner. In Aderstedt kaufte das Paar die alte Schule und sanierte sie.
„Ich weiß wovon ich spreche, wenn ich über Zahlen, Umsätze und Maßnahmen rede“
Berger ist überzeugt, dass ihm seine beruflichen Erfahrungen, die Sicht von außen auf die Verwaltungsprozesse, die er mitbringt, als Landrat zu Gute kommen würden. Er arbeitet für ein Pharma-Großhandelunternehmen, ist Gebietsleiter in Sachsen-Anhalt - mit Personal- und Budgetverantwortung. „Ich weiß wovon ich spreche, wenn ich über Zahlen, Umsätze und Maßnahmen rede.“ Er hält sich für jemanden, der Prozesse gut organisieren könne und auch ein Händchen für Mitarbeiterführung habe. Die funktioniere heute anders als vor 10, 20 Jahren, er wolle den Teamgedanken stärken, Lösungen im Team finden, Entscheidungen im Team treffen, diese transparent machen, die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöhen.
Und hospitieren würde er in den Fachbereichen der Kreisverwaltung - um von Anfang an nah dran zu sein, sagt er. Nähe, die sei ihm ohnehin wichtig: Die Bürgernähe, die er als Ortsbürgermeister lebe, so Berger, wolle er auch mit ins Landratsamt nehmen, „ein erfahrbarer Landrat sein“. (mz)