Kurzer Stopp: Der Erntetag kennt keine Bürozeiten
ERMSLEBEN/MZ. - "Da kann ich doch als Chef nicht im Büro sitzen und die Beine auf den Tisch legen."
Mit den Lehrlingen gibt es elf Mitarbeiter in der Genossenschaft, die noch 1 800 Hektar Fläche bewirtschaften. Dieses "Noch" betont er besonders. "Jedes Stück brauchen wir für die Produktion. Doch immer wieder wird uns ein Stückchen weggeschnitten."
Der Landwirt spricht Klartext: "Unsere hochwertigen Böden für ausgleichende Ersatzmaßnahmen zu nutzen, das ist doch Irrsinn." Der gestandene Kommunalpolitiker Jürgen Recht erinnert sich gut, wie mit EU-Förderung der landwirtschaftliche Wegebau blühte. "Manche Feldwege sind besser ausgebaut als Kommunalstraßen. Da kann man toll drauf radeln. Doch plötzlich gibt es eine B-180-Umfahrung, die neben der Spur einen Radweg braucht. Der Staat würde Ausbaukosten sparen und unsere Nutzfläche nicht beschnitten werden, wenn man statt auf neu anzulegenden Radwegen die schönen Feldwege nutzt."
Vorstandsvorsitzender
Auf den Feldern der Agrargenossenschaft stehen Weizen, Gerste, Zuckerrüben, Raps und Mais, aber auch Sonderkulturen. "Das sind Heil- und Gewürzpflanzen und Flächen für die Vermehrung", erklärt Jürgen Recht. Thymian findet man ebenso wie eine Vielzahl von Vermehrungssaat für namhafte Züchterhäuser; Getreide, Ölsaaten, Eiweißpflanzen wie Erbsen und Ackerbohnen oder Gräser. Die Vielfalt versteht der Landwirt als Risikoausgleich. "Wenn man nur auf ein Pferd setzt, kann es gefährlich werden, aber das Risiko auf verschiedene Kulturen zu verteilen, bedeutet für uns auch etwas mehr Arbeit." Das Unternehmen ist breit aufgestellt. Die IG Pflanzenzucht in Bayern baut ebenso auf die Ermslebener Bauern wie Firmen in Schleswig-Holstein oder das Gartenland in Aschersleben, das so Spinat- und Gemüseerbsen-Saat aus dem Umfeld beziehen kann.
Hohe Kosten - kleine Preise
Jürgen Recht schaut verhalten optimistisch nach vorn. "Ackerbau gibt es seit tausenden von Jahren und wird es auch in 1000 Jahren wohl noch geben." Darum bilde er seine Lehrlinge "vernünftig aus", wie er sagt, denn wenn die jungen Leute ihre Chancen im grünen Bereich nicht nutzen, sind sie bald weggezogen. "Doch was so an Ausbildungswilligen auf dem Markt ist, stimmt mich nachdenklich", meint der Chef der Agrargenossenschaft. Die Stirn zieht er auch in Falten, wenn er an die gegenwärtigen Agrarpreise denkt. Die sind im Sinkflug, während die Landwirte hohe Kosten für Vorleistungen wie Sprit oder Dünger aufbringen müssen. "Der Knick hinkt hinter der Industrie her. Aber auch das werden wir meistern." Spricht's und steigt wieder auf den Mähdrescher. Der Erntetag kennt keine Bürozeiten.