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Kulinarisches Eis aus Kamelmilch? Das können Eisfans im Harz probieren

Denise Penquitt hat mehrere Jahre in Dubai berufliche Erfahrungen gesammelt, sich „ihr kleines Stück Arabien“ schließlich in den Harz geholt und überrascht Eisfans nun mit einer ganz besonderen Köstlichkeit.

Von Ingo Kugenbuch Aktualisiert: 09.10.2021, 11:55
Wilder Safran mit Feige: Denise Penquitt und Gartenhaus-Chef Lutz Jerusel probieren ihr Eis aus Kamelmilch aus. Die junge Unternehmerin bietet es unter anderem im Pansfelder Gartenhaus an.
Wilder Safran mit Feige: Denise Penquitt und Gartenhaus-Chef Lutz Jerusel probieren ihr Eis aus Kamelmilch aus. Die junge Unternehmerin bietet es unter anderem im Pansfelder Gartenhaus an. Foto: Jörg Scheibe

Ermsleben - Kamelmilch muss ein Wundergetränk sein. Sie hat einen höheren Vitamingehalt als Kuhmilch, enthält dafür aber weniger Fett und ist für Menschen mit Laktoseintoleranz angeblich besser verträglich. Nachgesagt wird der besonderen Flüssigkeit wegen ihrer Inhaltsstoffe außerdem ein positiver Einfluss auf Krebszellen, Allergien und Diabetes-Erkrankungen.

Während diese Wunderwirkungen noch umstritten sind, kann man eines aber ab sofort im - absolut ungefährlichen - Selbstversuch testen: dass Eis aus Kamelmilch cremig und lecker schmeckt. Denn Leckermäuler und Liebhaber exotischer Genüsse finden es jetzt unter anderem im Gartenhaus in Pansfelde auf der Speisekarte.

Geschichte aus Tausendundeiner Nacht

Wie das Kamelmilcheis in den Harz kam? Das ist eine spannende Geschichte. Ein bisschen wie aus Tausendundeiner Nacht. Die Hauptrolle darin spielt Denise Penquitt, eine quecksilbrige, 31-jährige Frau mit dickem, blondem Zopf. „Ich habe die letzten sieben Jahre in der Sonne verbracht“, sagt sie grinsend. Von 2014 bis diesen Sommer hat sie im Marketing eines Herstellers von Betonzusätzen in Dubai gearbeitet, berichtet sie.

Wir sitzen in der Ausflugsgaststätte Gartenhaus am Fuß der Burg Falkenstein. Lutz Jerusel ist mit dabei. Auch der umtriebige Gastwirt spielt eine Rolle in der Geschichte vom Kamelmilcheis.

Arbeit in Dubai: „Es hat mich verzaubert“

Denise Penquitt ist in Leipzig geboren und aufgewachsen. Nach dem Abitur studiert sie Islamwissenschaften in Berlin. Danach macht sie ein Praktikum in Katar, dem Emirat, in dem nächstes Jahr die Fußball-WM stattfindet. „Aus einem Praktikum sind zwei Jahre geworden“, sagt sie.

2014 geht die junge Frau dann nach Dubai. „Hier wird immer und überall gebaut. Dubai ist ein riesiger Sandkasten“, schwärmt sie. Bis zu einem Viertel aller Baukräne weltweit sollen sich zeitweise in dem Emirat versammelt haben, berichten Medien. Kein Wolkenkratzer sehe aus wie der andere, sagt sie. „Es hat mich verzaubert“, sagt Denise Penquitt. „Die Menschen, die Kultur - ein einzigartiges Zusammenspiel aus dem, was technisch möglich ist, und der arabischen Tradition.“

Probleme als Frau? Habe sie nicht erlebt, sagt Denise Penquitt. „Ich habe mich nie unsicher gefühlt“, berichtet sie. Frauen werde dort viel Respekt entgegengebracht. Es werde aber auch eine gewisse „Sittsamkeit“ erwartet, sagt Denise Penquitt. „Frauen müssen in Dubai kein Kopftuch tragen, und sie dürfen zum Beispiel auch Auto fahren.“ Es würden zwar auch Unterschiede zwischen Männern und Frauen gemacht. „Das habe ich aber nie als negativ empfunden“, sagt die 31-Jährige.

So habe ihr einmal bei einer Reifenpanne ein Dubaier geholfen. Er habe das Rad gewechselt und darauf bestanden, dass sie währenddessen in seinem klimatisierten Auto Platz nimmt. Als Frau habe man in Dubai einen hohen Stellenwert.

„Es wird aufeinander geachtet“, sagt sie. Es zieme sich zum Beispiel nicht, mit Hotpants durch die Straßen zu laufen - wobei das ausländischen Touristinnen aber auch nicht verwehrt werde. „Dubai“, sagt Denise Penquitt, „muss den Spagat schaffen zwischen weltoffener Metropole und der Bewahrung des Hergebrachten.“

Zu Besuch bei „Kamel Uschi“

Und dazu gehört - natürlich - das Halten von Kamelen und die Nutzung ihrer kostbaren Milch. Den Zauber der einhöckrigen Tiere kann man in Dubai übrigens sogar mit deutschem Zungenschlag erleben: bei „Kamel Uschi“. Die gebürtige Schwäbin Ursula Musch - Postadresse: Kamel Uschi, P.O.Box 114099, Dubai, Vereinigte Arabische Emirate - hat nach eigenen Angaben eine Herde von mehr als 30 Tieren.

„Doch nicht nur die Kamelzucht hat sie bekannt gemacht“, heißt es auf ihrer Homepage. „Gäste auf ihrer Farm tauchen ein in die Kultur der Beduinen und kommen in den Genuss authentischer, exklusiver emiratischer Küche.“

„Kamel Uschi“ war auch eine der ersten Anlaufstellen des Mannes, der Schuld am Kult um das Kamelmilcheis ist: Denise Penquitts Vater. Er sei zu DDR-Zeiten viel auf Montage gewesen und habe Urlaub nur im Arbeiter-und-Bauern-Staat gemacht. Seine erste richtige Auslandsreise führte ihn dann nach - Dubai.

Ich glaub’, mich knutscht ein Kamel: Denise Penquitt liebt Kamele – und die Tiere lieben die gebürtige Leipzigerin. Nun produziert und vermarktet sie  Kamelmilch-Eis in Deutschland.
Ich glaub’, mich knutscht ein Kamel: Denise Penquitt liebt Kamele – und die Tiere lieben die gebürtige Leipzigerin. Nun produziert und vermarktet sie Kamelmilch-Eis in Deutschland.
Foto: Alexander Böhme

Dort besuchte er vor einigen Jahren seine Tochter. „Er saß bei ,Kamel Uschi’ das erste Mal in seinem Leben auf einem Kamel“, erinnert sich diese. Und dann entdeckte der 65-Jährige nach dem Burj Khalifa - dem höchsten Bauwerk der Erde - in einem alten Stadtbezirk von Dubai das Eis aus Kamelmilch.

Zwei große Kugeln in verschiedenen Geschmacksrichtungen kosten 20 Dirham - umgerechnet etwa 5 Euro. „Das hat ihn so begeistert, dass wir jeden Tag dorthin mussten“, sagt Denise Penquitt.

2020 wollte der Vater wieder nach Dubai. Seine Tochter besuchen und Kamelmilcheis essen. Doch wegen Corona war das nicht möglich. „Da kam uns die Idee: Wenn er nicht zum Eis kommen kann, dann kommt das Eis eben zu ihm“, sagt Denise Penquitt. Also ließ sich ihr Lebensgefährte Kamelmilch im Tetrapak aus Dubai nach Ermsleben schicken - fünf Liter plus Versand für 70 Euro - und ließ daraus von einem befreundeten Eishersteller Vanille- und Kokos-Eiscreme produzieren.

Eis-Rezeptur wird schrittweise angepasst

Aus technischen Gründen musste die kostbare Kamelmilch mit drei Litern Kuhmilch gestreckt werden - fertig war das Eis für Vati.

„Er war absolut begeistert“, sagt Denise Penquitt. „Zumindest von der Idee. Geschmacklich hat es noch nicht ganz hingehauen.“ Dennoch, sagt sie, wurde der Gedanke zu einer „fixen Idee“. „Ich dachte: Wenn es meinem Vater schmeckt, schmeckt es auch anderen Leuten.“

Und als Denise Penquitt in diesem Sommer ihren Job in Dubai aufgab und ihr Apartment kündigte, war mit Blick auf das Eisprojekt klar: „Entweder, das war es jetzt, oder wir machen es richtig.“ Sie entschied sich für „richtig“ - und gründete gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten eine Firma. Der Name entstammt einem Wortspiel: aus dem englischen „humpfree“ (ohne Höcker) wurde „Humphrey“.

Doch schnell sah sie: Wer Marketing für eine Firma aus der Baubranche betreibt, kann nicht automatisch zartschmelzendes Eis herstellen. „Durch den anderen Aufbau der Kamelmilch musste die Rezeptur angepasst werden“, verrät Denise Penquitt. „Das hat acht Monate gedauert.“

Kühle Köstlichkeit mit ganz eigenem Geschmack

Unterstützung gab es dabei von Günter Single, der in Siegen eine Eisdiele betreibt und im Winter als Dozent an der „Eis-Universität“ in Bologna arbeitet. Die „Gelato University“ wurde 2003 vom Eismaschinenhersteller Carpigiani gegründet.

Und nun? Wird aus Arabien importierte Kamelmilch zunächst zu einem Grundpulver verarbeitet. In Thüringen entsteht daraus dann Humphreys Eis in zehn Geschmacksrichtungen: Schok El-Ade, Kamelmilch, Ma’a Vanilia, Honig-Mandel, Arabischer Kaffee, Pistazie, Arabische Dattel, Halva Vanille, Halva Zimt und Wilder Safran.

Letzteres testen wir im Gartenhaus Pansfelde, angerichtet mit einer Scheibe Feige, einem Stück Dattel und etwas Schokolade. Es ist safrantypisch gelb, cremig und schmilzt schnell. Der Geschmack? Schwer zu beschreiben. Ungewohnt, herb, mit einem bittereren Hauch.

„Es ist sehr lecker, hat seinen ganz eigenen Geschmack“, sagt Petra Koch aus dem Würzburger Stadtteil Eibelstadt, die das Eis zusammen mit Frank Gaab gerade am Nebentisch probiert. „Kamelmilch und Datteln - das verbindet man mit dem Orient“, ergänzt Gaab. Mission erfüllt!

Beim Gartenhaus-Betreiber lief Denise Penquitt offene Türen ein, als sie ihm ihr Eis anpries. Es sei zwar nicht so einfach in sein Angebot zu integrieren, sagt Jerusel. „Schließlich betreiben wir keine Gourmetgastronomie.“ Aber sein Küchenchef habe eine Ader für Desserts. Und so werde das Eis ohne Höcker als Bestandteil für Nachtische oder bei Veranstaltungen angeboten, sagt Jerusel. Und vielleicht bald am Kiosk.

Auch die Dehoga in Magdeburg sei begeistert von Humphrey gewesen, als er das Thema angesprochen habe, berichtet Jerusel. Hauptgeschäftsführerin Manuela Hertel bestätigt das: „Wir sind Kooperationspartner.“ So unterstütze die Dehoga das junge Unternehmen etwa bei der Werbung. „Eis aus Kamelmilch hat ein Alleinstellungsmerkmal. Das ist was Besonderes“, sagt Hertel. „Und es schmeckt lecker.“

„Für mich“, sagt Denise Penquitt, „ist das einfach mein kleines Stück Arabien.“

Ein kleines Stück Arabien in Pansfelde: Eis von Humphrey.
Ein kleines Stück Arabien in Pansfelde: Eis von Humphrey.
Foto: Jörg Scheibe

Kameleis: Wo produziert und wo im Angebot?

Das Humphrey-Kamelmilch-Eis wird nach einer achtmonatigen Phase der Rezepturoptimierung nunmehr regulär im thüringischen Nordhausen produziert. Da Produktion und Vermarkung aktuell noch aufgebaut würden, seien die Mengen noch überschaubar und schwanken nach Angaben der Hersteller je nach Jahreszeit zwischen 100 und 300 Kilogramm.

Humphrey bietet das Eis aus Kamelmilch derzeit im Harzkreis nur im Restaurant Gartenhaus Pansfeld (Stadt Falkenstein/Harz) an. Außerdem kann man es im Harz Hotel & Spa Seela in Bad Harzburg genießen. Weitere Gespräche laufen zudem mit den Private Palace Hotels & Resorts auf Rügen.

Deutschlandweit gibt es nach Informationen von Volksstimme und MZ noch weitere Anbieter von Eisspezialitäten auf Kamelmilchbasis. (iku/dl)