Kooperationsklassen im Landkreis Harz Kooperationsklassen im Landkreis Harz : Eltern fordern Wahlrecht ein

Halberstadt/Quedlinburg - Der Harzer Kreistag setzt sich für den Erhalt der sogenannten Kooperationsklassen zum Erwerb des Hauptschulabschlusses an den Förderschulen für Lernbehinderte ein, die sich in Trägerschaft des Landkreises befinden. Das Gremium hat auf seiner jüngsten Sitzung einstimmig den Landrat beauftragt, sich beim Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt ausdrücklich dafür stark zu machen.
Hintergrund
Hintergrund ist, so informierte Landrat Martin Skiebe (CDU), dass das Landesschulamt die Bildung dieser Klassen nun abgelehnt und auf eine Beschulung im gemeinsamen Unterricht an der jeweils zuständigen Sekundarschule verwiesen hat. Diese Entscheidung wird von den Eltern der Förderschulen nicht akzeptiert. Sie berufen sich auf ihr Wahlrecht.
Die Förderschulen des Landkreises Harz haben seit 1992 Kooperationsklassen gebildet, um den leistungsstärksten Schülern im zehnten Schuljahr das Erlangen eines Hauptschulabschlusses zu ermöglichen. Damit leisten die Förderschulen einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Qualität des Bildungsabschlusses, der Sozialkompetenz und der Ausbildungsreife insgesamt, betonte der Landrat. Er lehnte deshalb die Verlagerung der Klassen an Sekundarschulen ab. „Das ist pädagogisch nicht sinnvoll“, sagte er. Diese Art der Beschulung sei seit 24 Jahren eine Erfolgsgeschichte, denn 95 bis 97 Prozent der Schüler konnten so einen anerkannten Abschluss erlangen und in die Berufsausbildung weitervermittelt werden.
Die Kooperationsklasse ist eine Form der Inklusion von Kindern mit Förderbedarf. Sie bedeutet in Sachsen-Anhalt, dass eine nur aus Schülern mit Förderbedarf bestehende Klasse in der Verantwortung einer Förderschule steht, die über eine Kooperationsvereinbarung eine Grund- oder Sekundarschule in die Verantwortung einbindet.
Das bedeutet, diese Klassen sind einer Förderschule zugeordnet, jedoch organisatorisch am Standort einer Grund- oder Sekundarschule eingerichtet. Damit ist für diese Schüler die Möglichkeit gegeben, die Lernbegegnung mit Kindern oder Jugendlichen ohne sonderpädagogischem Förderbedarf herzustellen, Anregungen und Anreize zum Lernen zu nutzen, die am Lernort der Förderschule so nicht gegeben wären.
Der Unterricht einer Kooperationsklasse wird in der Regel durch das Lehrpersonal der Förderschule abgesichert, wobei auch Lehrkräfte der allgemeinen Schule kooperativ einbezogen sein können. Im Harzkreis gibt es diesen Klassentyp und solche Kooperationsvereinbarungen nur für den 10. Schuljahrgang.
Dies sah auch Susanne Seidel (CDU) so. „Das Besondere an diesen Klassen ist, dass die betreffenden Schüler in ihrem gewohnten Klassenverband verbleiben, von ihnen vertrauten Förderschullehrern, Klassenlehrern und kooperierenden Sekundarschullehrern nach einem auf ihre Möglichkeiten abgestimmten Lehrplan unterrichtet werden“, sagte sie.
Susanne Seidel ist Lehrerin an der „Sekundar- und Gemeinschaftsschule Hagenberg“ in Gernrode, ebenso Vorstandsmitglied des jugendtherapeutischen Vereins „Kinder- und Jugendhilfswerk Gernrode“ und war mehrere Jahre an einer Förderschule tätig, um genau diese betroffenen Schüler auf die Kooperationsklasse vorzubereiten. „Mit der vom Kultusministerium angedachten Abschaffung dieser Klassen sehen wir diesen Erfolg aber gefährdet“, sagte Seidel.
Benachteiligung für Förderschüler
Denn nun, so erklärte die CDU-Abgeordnete, sollen jene Kinder im gemeinsamen Unterricht mit den 10. Klassen der Sekundarschule um einen Abschluss kämpfen, den Sekundarschüler bereits im 9. Schuljahr abgelegt haben. Somit sei nach ihren Worten die Schere der Kenntnisvoraussetzungen zwischen Förderschülern und Sekundarschülern nicht nur von vornherein größer; noch dazu mute man den ohnehin in ihrem Lernprozess benachteiligten Kindern zu, sich in einem neuen Klassenverband integrieren zu müssen. In ihrem Abschlussjahr wird erwartet, dass sie ohne ihnen bekannte Bezugspersonen in einem völlig neuen Lernumfeld klarkommen sollen, gab sie zu bedenken. Das sei etwas, was Schulbehörden in jeder anderen Schulform bei jedem Abschlussjahrgang - auch bei Schulschließung und Fusionen - tunlichst vermeiden würden.
„Nicht nur ich als Lehrerin, sondern Förderschulpädagogen aller Professionen und vor allem die Eltern sehen es somit als beinahe unmöglich an, ihren Kindern so einen erfolgreichen Schulabschluss zu ermöglichen“, betonte sie. Ebenso ist es aus ihrer Sicht nicht hinnehmbar, dass gerade die Eltern, die einen Förderschulbildungsgang als richtig angesehen haben, jetzt gezwungen werden, ihr Kind doch in den gemeinsamen Unterricht schicken zu müssen – und „somit ihrer nach Schulgesetz und geltender Rechtslage zugesprochenen Wahlmöglichkeit beraubt“ werden.
Eltern müssen aktiv werden
Laut Andre Lüderitz (Linke) ist der Erlass bereits korrigiert worden. Die Krux dabei sei jedoch, dass grundsätzlich die Eltern aktiv werden müssen, wenn sie weiter die Kooperationsklassen für ihre Kinder wollen. Angela Gorr (CDU) verwies darauf, dass die Eltern ein uneingeschränktes Wahlrecht hätten und dies auch nutzen sollten.
Derzeit gibt es im Landkreis vier Kooperationsklassen mit insgesamt 59 Schülern; dazu zählt eine in Quedlinburg in Kooperation von Pestalozzi-Schule und Bosse-Sekundarschule gebildete Klasse mit 16 Schülern. (mz)