Prozess am Landgericht „Keinen Tag ohne Crystal“, gibt der Angeklagte aus Halberstadt zu
Um seinen Drogenkonsum zu finanzieren, hat ein 24-Jähriger Einbrüche verübt und gestohlen. Warum er jetzt für mehr als vier Jahre in Haft gehen könnte.

Quedlinburg/Magdeburg/MZ - Der in Bremerhaven geborene Angeklagte hatte eine schwere Kindheit, besuchte letztlich die Förderschule und begann nach dem Hauptschulabschluss keine Ausbildung. Er hat keinen Kontakt mehr zu Eltern und Bruder.
Viel Lebenszeit verbrachte er bisher in der Jugendstrafanstalt Raßnitz, wo er bereits doppelt einsaß. „Aber wenn ich draußen war, gab es keinen Tag ohne Crystal“, sagt er am Mittwoch vor dem Landgericht. Er kündigt an: „Ich mache hier eine komplette Aussage.“
Sein aktuell verhandelter Fall wirkt recht unspektakulär, auch wenn er vielen Betroffenen viel Ärger, Wege und Schaden einbrachte. Dass der 24-jährige Mann aus Halberstadt sich wegen Einbrüchen und Fahrzeugdiebstählen in Halberstadt und Quedlinburg vor dem Magdeburger Gericht verantworten muss, hat juristische Gründe.
Schon sieben Straftaten verübt und drei Jahre Haft
Ein Sprecher des Landgerichtes erklärt: Das Verfahren ist ursprünglich vor dem Schöffengericht Halberstadt anhängig gewesen. Da der Angeklagte bereits wegen anderer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren verurteilt worden ist, muss er im Fall einer neuerlichen Verurteilung mit einer Haftstrafe von mehr als vier Jahren rechnen. Die Strafgewalt des Amtsgerichts reicht jedoch lediglich bis zu vier Jahren.
Oberstaatsanwalt Hauke Roggenbuck klagt den Mann, der seit April 2019 unter Betreuung steht und aus dem Maßregelvollzug vorgeführt wird, vor der 5. Strafkammer wegen sieben Straftaten an, die er zwischen November 2019 und Ende Februar 2020 in Halberstadt und Quedlinburg teilweise gemeinsam mit anderen Männern begangen haben soll. Im späteren Prozessverlauf merkt er an, dass all die Straftaten allein dazu dienten, dessen Drogenkonsum zu finanzieren.
Mit Gullydeckel das Fenster eines Discounters eingeschlagen
Mit einem Gullydeckel warf er mit seinen Mittätern in Halberstadt das Fenster eines Discounters ein, öffnete eine Vitrine und bediente sich an den Elektroartikeln. Sein Anteil an der Beute: ein Fernseher und Festplatten. In weiteren verhandelten Fällen schlug man in Halberstadt Autoscheiben ein und klaute dort alles, was Geld bringen könnte und absetzbar erschien: EC-Karten, Geldbörsen, Powerbank und Shirts, gar eine kostenintensive Feuerwehruniform. Alles lag sichtbar im Pkw-Innern. Der genaue Schaden kann kaum berechnet werden, stellt der Oberstaatsanwalt fest. „Er wirkt für die zu erwartende Strafe auch nicht als besonders gewichtig.“
Das Schwergewicht in seiner Anklageschrift liegt auf einem brennenden Auto. Am 15. Februar 2020 hat der 24-Jährige „gemeinsam mit gesondert verfolgten Mittätern“ in Halberstadt das Auto einer 42-Jährigen entwendet. Dazu benutzte die Tätergruppe den entwendeten Zweitschlüssel. Sie fuhren in der Region rum, in Quedlinburg wollte der Angeklagte einer Freundin „Hallo“ sagen. Sie rollten in der Bahnhofstraße an einem Fahrradladen vorbei. Man dachte, da sei etwas, womit man zu Geld kommt. „Das war wieder so ein kurzfristiges Ding“, sagt er.
Vier Räder aus Fachgeschäft gestohlen
Die Tür des Geschäftes, das schon mehrfach von Einbrechern heimgesucht wurde, hebelten die beteiligten Männer mit brutaler Gewalt auf. Beim Inhaber, der am Mittwoch als Zeuge seine rasende Wut kaum zurückhalten kann, lief die Alarmmeldung auf. Als er in seinem Geschäft ankam, fehlten vier Räder – und von den Dieben jede Spur. Diese fanden hinterher die Kriminaltechniker im Unterschied zu den vier Rädern, die verschwunden bleiben. Zwei hatte der Angeklagte irgendwo untergestellt, die zwei anderen ein Mittäter genommen, heißt es im Prozess.
Der Quedlinburger Kaufmann geht vorerst leer aus. Er könne seine Ansprüche, zweimal 499 und je einmal 599 und 699 Euro, bei der Staatsanwaltschaft anmelden, „doch auf der Tasche hat der Angeklagte nichts“, sagt die Vorsitzende Richterin. „Nicht sitzen soll der, sondern arbeiten, um den Schaden abzutragen“, forderte der 58-jährige Geschäftsinhaber mit Nachdruck. So wie sich der Angeklagte bei der Autobesitzerin entschuldigt hat, so sagt er zum Fahrradverkäufer, dass er, wenn er rauskomme, den Schaden wieder gutmachen will.
Gute Chancen bei Therapie
Das geklaute Auto fackelten die Täter später auf einem unbestellten Acker am Galgenberg von Harsleben ab. Dazu entzündeten sie den Sprühstoß einer Haarlack-Dose, der dann für ein Feuer sorgte, das zwischen 7 und 8 Uhr bis zum Wertstoffhof im Gewerbegebiet zu sehen war, von wo damals Feuerwehr und Polizei alarmiert wurden.
Beim Prozess, der kommenden Dienstag wohl endet, deutet alles darauf hin, dass unabhängig von einer geforderten Haftstrafe die Unterbringung in einer Entzugsanstalt angeordnet wird. Gutachter Dr. Philipp Gutmann, Chef des Zentrums für psychiatrische Begutachtungen Halle, räumt dem Täter dort durchaus Chancen ein. Schließlich sei der „jetzt froh über seine Therapie“.