Hochwasser im Harz Hochwasser im Harz: Die wahre Kraft des Wassers gespürt

Quedlinburg/MZ - Das Unwetter, das am späten Freitag über den Harz zog, ließ bei so manchen Menschen schlimme Erinnerungen wach werden. In nur wenigen Minuten stürzten Unmengen Regenwasser auf den Landkreis nieder. Fast so wie 1994, als das letzte schlimme Hochwasser den Harz vor allem im Bereich der Selke heimsuchte. Da gingen sozusagen große Bereiche der Infrastruktur und Häuser den Bach runter. „Die Leute, die das alles damals miterleben mussten, bangten natürlich auch diesmal um ihr Hab und Gut“, so Klaus Wycisk, Bürgermeister der Stadt Falkenstein Harz. „Was jetzt passiert ist, passiert eigentlich regelmäßig. Es war keine große Überraschung, dass wieder Land unter geht.“ Da seien die Leute aber auch selbst gefordert, entsprechend Vorsorge zu treffen.
Zusammenspiel der Ortswehren
Zwar flossen innerhalb von sechs Stunden 30 statt der sonst üblichen 15 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch das Selkebett, doch sei man noch mit „einem Schrecken und blauen Auge“ davon gekommen. Schlimm erwischt hatte es die Weberstraße in Ermsleben, der tiefste Punkt in diesem Bereich, der in Minuten unter Wasser stand. Regelrecht abgesoffen ist damit auch die angrenzende Gartensparte Sinsleben. In Meisdorf musste am Schloss die Brücke gesperrt werden, weil der Durchlass verstopft war. Wycisk, der regelmäßig zu Kontrollen an neuralgischen Stellen vor Ort war, lobte das gute Zusammenspiel der Ortsfeuerwehren, die bei Hochwasserwarnstufe 3 (bis Stufe 5 geht es) rund um die Uhr im Einsatz waren. „Wir wissen, was wir machen müssen. Das ist ein eingespieltes Team“, so der Bürgermeister.
Verärgerte Einwohner
Überall Warnbaken, Sperrschilder und rot-weiße Bänder - die Folgen des schweren Gewitters sind in Bad Suderode auch tags darauf zu merken und lässt verärgerte Einwohner zurück. Der ergiebige Regen hat den Bach schon im kalten Tal kräftig anschwellen und über die Ufer treten lassen. Mitgerissenes Laub und Äste bleiben am Gitter vor dem Rohr im Kurpark hängen. Gegen 21.30 Uhr schießt das Wasser über den Platz, spült den Kies zum Wintergarten sowie auf die Straße in Richtung Kurhotel und hinterlässt tiefe Furchen zwischen den Stühlen auf der Freifläche. Nur wenig Wasser und Schlamm sei eingedrungen, atmet das Personal des Kurzentrums erleichtert auf.
Schaden im Kurhotel
Weniger Glück hat Detlef Lemke vom Kurhotel. „Das Wasser hat die Fassade beschädigt und ist in den Keller eingedrungen, ganz zu schweigen von den Parkanlagen“, ist Lemke noch am Sonnabend gegen Mittag völlig aufgewühlt. „Damit steht die neue Sauna in den Sternen“, ergänzt er. Sie sollte am 1. Juli als Ersatz für die drohende Schließung des Kurzentrums im Keller öffnen. „Sogar Personal habe ich dafür schon.“ Wie hoch der Schaden ist, kann und will er nicht abschätzen. Hilfe in Form von Sandsäcken zum Schutz des Hauses habe er nicht bekommen, behauptet er. Das THW setzte den mobilen Wasserschutz an anderer Stelle ein.
„Dass an der Stelle im Kurpark bei Regen das Gitter verstopft, ist nicht neu“, erinnert sich Feuerwehrmann Michael Kiehne. „Allerdings waren diesmal die Wassermassen viel größer, als sie das Rohr erfassen kann. Der Bach wäre auch so übergelaufen.“ Das wird weiter abwärts auch dem Kur-Café zum Verhängnis. „Zwar haben wir beim Blick gen Himmel wegen unguter Erfahrungen schon erste Vorbereitungen getroffen“, erklärt Marion Winderlich, „doch das Wasser kam schnell in den Hof.“ Da habe sie die Feuerwehr gerufen. Längst waren eine ebenerdige Wohnung und die Keller vollgelaufen“, berichtet die Chefin des Kur-Cafés von größeren Schäden. Während der Biergarten voller Schlamm läuft, haben Gernröder Feuerwehrleute und Kameraden des THW die Keller ausgepumpt und den Hof geschützt. „Nur durch die vielen fleißigen Helfer konnten wir noch Schlimmeres verhindern und die ersten Schäden beseitigen“, ist sie ihnen dankbar.
Sowohl Lemke als auch Winderlich fühlten sich ebenso wie die Anwohner am weiteren Bachverlauf anfangs in der Katastrophe allein gelassen und sind verärgert über fehlende Verantwortliche der Kommune. „Erst nach zwei Stunden kam eine Vertreterin der Verwaltung und gab den Tipp, das THW zu alarmieren“, erzählt Lemke. Von der Gemeinde Bad Suderode sei überhaupt kein Vertreter aufgetaucht. „Alles ist abgesperrt“, klagt er noch. Er fragt sich: „Wie sollen denn anreisende Gäste den Weg finden?“ Er habe in der Nacht Ansprechpartner vermisst, die ihm erklärt hätten, wie es nach der Wasserflut weitergeht. Zumindest für die Straßen gab es am Sonnabend eine Entwarnung. Mitarbeiter des Bauhofes reinigten die Fahrbahnen und Fußwege, sofern es nicht in die Verantwortung der Grundstückseigentümer fiel. Damit konnten die Sperrungen aufgehoben werden. Das Aufräumen wird noch Tage dauern. Wann der Platz am Kurzentrum wieder in den vorherigen Zustand versetzt wird, blieb offen.
Kinderfest fällt ins Wasser
Die Feuerwehr Ballenstedt/Opperode wurden seit Freitag 19 Uhr bis Sonntag 12 Uhr zu insgesamt 21 Einsätzen gerufen - wegen verstopfter Bacheinläufe, vollgelaufene Keller, umgestürzte Bäume und eine eingestürzte Kellerwand. Hier hatte die 15 Kameraden mit fünf Fahrzeugen jede Menge zu tun. Zu einem größeren Einsatz am Samstag in der Poststraße waren auch neun Kameraden mit zwölf Fahrzeugen der Wehr Radisleben im Einsatz. Hier wurde die B 185 wegen Überflutung gesperrt und der Verkehr über die B 6 umgeleitet.
Wegen des Unwetters komplett ins Wasser gefallen ist das Kinderfest im Waldhof Silberhütte, das am Wochenende stattfinden sollte. Zwar hatte man sich irgendwie noch mit der Hoffnung getragen, es durchzuführen. Doch am Sonnabend gegen 9.30 Uhr stand fest, es anzusagen. „Zu diesem Zeitpunkt war die einmütige Entscheidung beider Vereine bereits gefallen“, sagte der Leiter des Waldhofes, Wulfram Presch. „Ein herber Verlust für die Veranstalter, tröstlich nur, dass es andernorts ähnliche oder noch dramatischere Situationen gab.“ Es werde darüber nachgedacht, in angemessener Zeit eine Neuauflage der Kinderfeste zu veranstalten. Aber das sei noch absolute Zukunftsmusik.
