Geschichte zum Anfassen im Kloster Wendhusen Historische Leinenweberei eröffnet im September
Die Nordharzer Altertumsgesellschaft bringt altes Handwerk in die Klostermauern. Am 10. September eröffnet der Verein eine Leinenwerkstatt.

Thale/MZ - Hin und her schießt das schmale Stück Holz zwischen den schier Hunderten gespannten, weißen Kettfäden auf dem großen Webstuhl. Mit geübten Bewegungen lässt Clemens Heinzerling den am Holz befestigten Schussfaden hindurch fahren, fügt so Reihe an Reihe dem Leinengewebe hinzu. Bei jedem Aufprall des Holzes auf den Rahmen dröhnt es laut im ehemaligen Pferdestall des Klosters Wendhusen. Das Bild eines webenden Mönchs an der Fassade verrät es bereits: In wenigen Tagen eröffnet hier eine Leinenweberei mit historischen Webstühlen und -geräten.

„Das Kloster ist ein Zentrum für lebendige Geschichte“, erklärt Heinz Behrens, Vorsitzender der Nordharzer Altertumsgesellschaft. Die Leinenweberei werde das nächste Element darin sein. Vom Anbau der Pflanzen, deren Verarbeitung zu Garn bis hin zum Webprozess wollen er und Clemens Heinzerling eine Ausstellung zum Anfassen bieten. Denn viele Techniken seien inzwischen verloren gegangen. „Wir wollen sie erhalten und junge Menschen heran führen, damit sie Respekt vor dieser Arbeit bekommen.“
Klöster produzierten Stoffe
Das Kloster sei ein durchaus passender Ort für eine Weberei, fährt Behrens fort. Denn in allen Klöstern und Dörfern habe es früher Leinenwebereien gegeben. „Es ist eine grundsätzliche Handwerkstechnik.“ Die Mönche und Nonnen hätten diese noch verfeinert und so zum Beispiel prächtige Altargehänge oder bestickte Gewänder angefertigt, wie man sie heute noch in der Ausstellung zum Domschatz in Halberstadt besichtigen könne,
Es war Clemens Heinzerling, der den Stein ins Rollen gebracht hat. Aus Interesse an mittelalterlicher Kleidung sei er auf das Thema gekommen. „Wenn man sich mit dem Mittelalter und Stoffen beschäftigt, kommt man um das Weben nicht herum.“ Schließlich kaufte er aus einer Eingebung heraus einen etwa 400 Jahre alten Webstuhl im Internet. Ihn zu bespannen, habe zwei Nachmittage gedauert. Inzwischen habe er darauf bereits etwa sieben Meter gewoben, erzählt er. „Das ist langwierig, aber es macht Spaß.“ Aber es gehe auch ganz schön in die Schultern, denn bei diesem Exemplar muss er den Schussfaden per Hand über ein „Schiffchen“ genanntes Holz durch das Fach schieben.

In der Region seien solche Trittwebstühle ab dem 11. und 12. Jahrhundert nachgewiesen, erklärt er. Davor seien hier Gewichtswebstühle verbreitet gewesen. Diese funktionierten nach einem noch einfacheren Prinzip: Die Fäden sind oben an einem Rahmen, unten an Gewichten befestigt, so dass sie straff gespannt sind. Mit einem langen schmalen Holz, dem sogenannten Webschwert, wird der Schussfaden hindurchgeführt und anschließend festgedrückt, das Gewebe somit verdichtet. Ihre Spuren fänden sich häufig in Form der Webgewichte bei Ausgrabungen.
Geschichte zum Anfassen
Zwei Gründe hätten die Altertumsgesellschaft dazu veranlasst, das große Gebäude mit den gewölbten Decken von einem Lager in eine Ausstellung umzuwandeln, erklärt Heinz Behrens „Wir haben einen Bestand mit Webstühlen und anderen Geräten und wir haben hier ein festes Bauwerk“. Denn das brauche man wegen der Erschütterungen, vor allem bei großen Webstühlen. Perfekte Voraussetzungen also, um Geschichte erlebbar zu machen.
„Nur was man anfassen kann, begreift man“, sagt Heinz Behrens. Getreu diesem Motto sind auch die Mitglieder des Vereins vorgegangen, als sie den Entschluss zur Einrichtung der Weberei fassten. Statt den Rohstoff einzukaufen, bauten sie die anspruchslose Pflanze selber auf einer kleinen Fläche an.

Wenn sie verblüht ist, bilden sich Samenkapseln, aus deren Samen Leinöl gewonnen wird, erklärt Behrens. Aus ihren Stängeln - hart und holzig - werden lange weiche Fasern gewonnen. Es ist langwieriger und schweißtreibender Prozess, wie Behrens mit Originalwerkzeug vorführt.

Wie genau der Prozess von der Ernte bis zum fertigen Faden abläuft, können sich Besucher am 10. September ab 14 Uhr im Kloster Wendhusen anschauen, Dann eröffnet die Weberei. Später sollen auch Schaukästen und eine Beschilderung hinzukommen und eigene Färbeversuche mit Färbepflanzen wie Waid (blau) und Krapp (rot) unternommen werden. Auch der Selbstversuch ist im Zentrum für lebendige Geschichte erlaubt, so Behrens.
