Heiligtum wird in der Klimakammer abgeschottet
GERNRODE/MZ. - Drinnen bemüht sich Corinna Grimm, eine auf Stein spezialisierte Restauratorin aus Magdeburg, zu retten, was zu retten ist: Vogelfedern, Blüten, Raubtierfelle - beinahe alle feinen Details der vielen Reliefs sind über die Jahrhunderte verschwunden. Die Restauratorin will nun Spezialkompressen auf den geschundenen Stein legen, die ihm die schädlichen Salze entziehen, die ihn Jahr für Jahr zerstören.
Kirche wurde zum Pferdestall
Auf seinem Marsch durch deutsche Lande soll Napoleon die Stiftskirche Gernrode als Pferdestall genutzt haben, heißt es. Wäre es tatsächlich zu solcher Blasphemie gekommen, dann rächt sich das noch jetzt: Nitrate setzen dem Kalk- und Sandstein des Heiligen Grabes enorm zu, daran gibt es keinen Zweifel. Doch es sind nicht die Salze allein, die dem Stein schaden, es ist auch die Feuchtigkeit: Der ständige Wechsel von gelösten und kristallisierten Salzen sorgt für Absprengungen, die das Monument unwiederbringlich zerstören. Zwei um das Grab aufgestellte Entfeuchter halten das Klima stabil und haben anfangs jede Woche rund acht Liter Wasser aus der Luft gesogen. Inzwischen hat sich die Luftfeuchtigkeit dank der "Klimakammer" auf etwa 65 Prozent eingestellt; in der übrigen Kirche sind es zur Zeit rund 90. Seit August 2008 ist das Grab abgeschottet.
Erste Farbreste entdeckt
"Der Zustand des Steins ist sehr schlecht, gerade im bodennahen Bereich", sagt Corinna Grimm. "In den vergangenen hundert Jahren haben sich die Reliefs völlig verändert. Was damals noch zu erkennen war, ist heute nicht mehr zu sehen." Sie zeigt auf historische Fotos, die zum Vergleich an einer Wand des Glashauses hängen.
Ein so genanntes Probefeld ist inzwischen gereinigt. Zum Vorschein kommen Reste roter Farbe, mit denen das Relief ursprünglich verziert war. "Das hier ist aufwendig", sagt die Restauratorin, die auch am Halberstädter Dom und an der Konradsburg bei Ermsleben Steinrestaurierungen vornimmt. "Es ist schwierig, Salze zu reduzieren, wenn der Stein so fragil ist. Ohne Vorsicherungen geht es nicht." Die Kompressen - eine Mischung
aus Zelluloseflocken, Tonmineralen und feinstem Quarzsand - sollen den Untergrund nicht schädigen. Auch das Entsalzen an sich sei ein Prozess, der seine Grenzen habe: Man braucht Wasser, um die Salze lösen zu können. Das birgt die Gefahr, dass sich zwischen Stein und Kompresse Schimmel bilden kann. Zu viel Wasser kann die Salze auch an unerwünschte Orte transportieren. Das Heilige Grab wird daher genau überwacht; einmal im Monat kommen Mitarbeiter der Fachhochschule Hildesheim und messen die Keimbelastung auf dem Stein und in der Einhausung. Mitarbeiter des Institutes für Diagnostik und Konservierung aus Halle kontrollieren das Klima, was stündlich an mehreren Stellen aufgezeichnet wird.
Wie bei den Pyramiden
Pfarrer Andreas Müller freut sich über die Sanierungsarbeiten. "Das ist schließlich wie mit den Pyramiden in Ägypten - was einmal verschwunden ist, das kommt nie wieder." Rund 300 000 Euro kostet die Restaurierung. "Für die Kirche ist das viel Geld, wir sind eine kleine Kirchengemeinde. Das alles wäre nicht möglich ohne Fördermittel und Spenden", betont er das Engagement zahlreicher Stiftungen und der öffentlichen Hand.
Das beschädigte Grab ist für den Pfarrer zwar das größte, aber beileibe nicht das einzige Problem: Wasser dringt auch andernorts in die Kirche ein. Die Holzbalken der Langhausempore seien von Hausschwamm und Holzkäfer so stark beschädigt gewesen, dass er die dicken Eichenbalken mit zwei Fingern zusammendrücken konnte, sagt er. Die Deckenbalken sind inzwischen ausgetauscht, der Zugang zur Empore ist möglich: "Wir sehen uns schon bald mit Besuchern dort hochgehen", blickt Andreas Müller in die Zukunft. Doch die Feuchtigkeitsschäden an der Kirche zu beseitigen, wird Jahre dauern. Bis 2011, schätzt er, werde man nicht nur am Heiligen Grab zu tun haben, sondern ebenso mit der Reparatur von Dachrinnen und ausgespülten Fugen an der Ostseite der Kirche. Deren Hülle müsse abgedichtet und vor Nässe geschützt werden.