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Harzklinikum Quedlinburg Harzklinikum Quedlinburg: Hilfe für Horazio aus Angola

Von Sophie Elstner 08.02.2017, 06:45
 Martina Zwick (bastelte viel mit Horazio und konnte sich mit ihm auf Portugiesisch verständigen
 Martina Zwick (bastelte viel mit Horazio und konnte sich mit ihm auf Portugiesisch verständigen privat

Quedlinburg - Die Mitarbeiter des Klinikums in Quedlinburg wissen noch nicht, was sie erwartet. Sie wissen nur: Mitte Februar wird ein junger Patient ins Krankenhaus kommen, schwer krank oder verletzt, aus einem der Krisengebiete der Erde.

„In der Regel weisen diese Kinder so schwere Verletzungen auf, dass deren Behandlung in der Heimat oft nicht möglich ist“, erklärt Tom Koch, Pressesprecher des Klinikums. „Wir als Haus haben keinen direkten Einfluss darauf, welches Kind als Patient zu uns kommt.“ Die Vorauswahl treffen Ärzte der Organisation Friedensdorf International.

Über Zustand des Kindes ist nichts bekannt

Ob der neue Friedensdorf-Patient nun ein Mädchen oder ein Junge sein wird, mit welchen Verletzungen das Kind ankommt, darüber ist das Klinikum noch nicht informiert. Bislang heißt es nach Angaben von Koch lediglich, dass das Kind wohl erneut aus Afghanistan stammen wird.

Schon 2014 wurde ein elfjähriges afghanisches Mädchen mit schweren Verbrennungen an den Händen in Quedlinburg behandelt. Als kleines Kind hatte sie sich beim Brotbacken am Ofen ihrer Eltern verbrannt, ob sie damals überhaupt ärztlich versorgt wurde, ist unklar.

Es hatten sich viele Narben gebildet und die Finger waren gekrümmt, die Hände sahen wir die Krallen eines Greifvogels aus. Insgesamt vier Mal wurde das Mädchen in Quedlinburg operiert, so dass es danach mit einem Stift schreiben konnte.

Horazio geht es wieder recht gut

Der letzte kleine Friedensdorf-Patient, der im Harzklinikum behandelt wurde, ist der Angolaner Horazio. Nachdem er aufwendig am Oberschenkel operiert und behandelt worden war, konnte er in seine Heimat zurückkehren. Aus dem angolanischen Luanda erreicht Chefarzt Alexander Krumnow nun ein Röntgenbild.

„Horacio geht es recht gut. Er trägt seine Schuherhöhung und geht regelmäßig zur Schule“, erklärt der Mediziner. Doch bis dahin war es ein langer Weg für den Jungen.

Krumnow erinnert sich: „Horazio kam zu uns mit einem Knochenbruch und mit einer wirklich massiven Knochenmarkentzündung am linken Oberschenkel.“ In der sogenannten Markhöhle hatte sich Eiter gebildet, überall am Bein, am Knie und Oberschenkel hatte der Junge offene Stellen, so der Chefarzt.

Zur Diagnose gehörte auch, dass der schlecht und falsch geheilte Bruch des Oberschenkels inzwischen für eine erhebliche Fehlstellung des Beins gesorgt hatte.

27 Wochen Behandlung im Harzklinikum

Insgesamt 27 Wochen war Horazio in der Kinderklinik. Ein Stück Knochen wurde aus dem Oberschenkel entfernt, ein Fixateur zur Stabilisierung angelegt, danach konnte der Knochen wieder wachsen. Noch heute muss der angolanische Junge einen speziellen Schuh tragen, um das kürzere Bein auszugleichen.

Dieser ist auf Wunsch von Horazio besonders schick, extra für ihn mit blauen, gelben und weißen Streifen angefertigt. Und sein Heimweh war groß, erinnern sich die Mitarbeiter. Als der Junge gesund genug war, gingen sie sogar mit ihm auf dem Quedlinburger Markt Eisessen, unternahmen Ausflüge in den Tierpark nach Westerhausen oder bastelten, spielten und erzählten gemeinsam.

Großen Anteil an Horazios Beschäftigung trug Martina Zwick. Sie lebte einige Jahre in Brasilien und konnte sich deshalb mit ihm in seiner Muttersprache unterhalten. Stationsschwester Corina Werner berichtet: „Am liebsten hätte er jeden Tag gebadet, mit ganz viel Schaum. Er hat schnell Deutsch gelernt und Pizza war sein Lieblingsessen.“

Seit April 2016 ist Horazio nun wieder bei seiner Familie, trägt immer noch seinen Schuh und kann wieder mit seinen Freunden zur Schule gehen.

Seit 20 Jahren unterstützen die Krankenhäuser in Quedlinburg und Wernigerode die Organisation Friedensdorf, die eigenen Angaben nach 2017 ihr 50-jähriges Bestehen feiert. Seit 1997 sind bislang 37 Kinder im Harzklinikum stationär aufgenommen, medizinisch behandelt und betreut worden; die Kosten dafür trägt stets das Harzklinikum.

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Der Verein Friedensdorf International wurde im Juli 1967 in Oberhausen gegründet. Anlass war der sogenannte Sechs-Tage-Krieg, der kurz vorher zwischen Israel und den arabischen Staaten Ägypten, Jordanien und Syrien tobte. Ziel war es, den unschuldigsten Opfern der Kriege und Krisen schnelle Hilfe zu leisten. Die Arbeit konzentrierte sich nach Ende des Sechs-Tage-Krieges auf die Opfer des Vietnamkrieges.

In Oberhausen entstanden zu der Zeit Unterkünfte (das Friedensdorf) für Kinder, die nach der Behandlung weitere Betreuung benötigten. Neben der Hilfe für die vietnamesischen Kinder in Deutschland entstanden elf Friedensdörfer in verschiedenen Provinzen Vietnams, Schulen und knapp 100 Gesundheitsstationen.

Heute werden im Jahr etwa 300 Kinder aus zehn Nationen gleichzeitig durch den Verein Friedensdorf International betreut. Außerdem gibt es Projekte, die medizinische Versorgung in den Herkunftsländern zu verbessern. (mz)

Horazio, ein kleiner Angolaner - hier im Bild mit Chefarzt Alexander Krumnow - ist ein halbes Jahr am Harzklinikum behandelt worden.
Horazio, ein kleiner Angolaner - hier im Bild mit Chefarzt Alexander Krumnow - ist ein halbes Jahr am Harzklinikum behandelt worden.
Privat