Harz Harz: Schützenkapitän geht von Bord
FRIEDRICHSBRUNN/MZ. - "Allein die Tür wiegt sechs Zentner", sagt Detlef Paul und schließt die Tür auf. Eine riesige Tresortür, auf der irgendwo die Jahreszahl 1853 steht. Dahinter kommen ein paar Langwaffen zum Vorschein, sogar ein museumsreifes Vorderladergewehr ist darunter. Auch Pistolen, wie eine im Wald einst gefundene angerostete, aber wieder aufgearbeitete Wehrmachtswaffe Walther P 38, zeigt Detlef Paul stolz. Der 69-Jährige ist kein Waffensammler, aber ein paar schöne Stücke hat er dennoch.
Das Schießen ist seine große Leidenschaft. Gleich nach der Wende, am 10. Juni 1990, gründete Detlef Paul mit Gleichgesinnten in Thale den Schützenverein und war später jahrelang zweiter Vorsitzender hinter Klaus Zocher. Am 25. Juni 1990 gehörte Paul zu denen, die in Warnstedt den Kreisschützenbund Quedlinburg gründeten. Sieben Vereine waren es damals. Neben den Thalensern saßen Vertreter der Schützenvereine aus Westerhausen, Quedlinburg, Warnstedt, Harzgerode, Straßberg und Ballenstedt mit am Tisch. Inzwischen sind es 33 Schützenvereine.
Seit 1992 war Detlef Paul hinter Elmar Wahl 2. Kreisschützenvogt. 2005 übernahm er den Job des 1. Kreisschützenvogts kommissarisch, zwei Jahre später wurde er offiziell in das Amt gewählt. Samstag wird er es bei der Jahreshauptversammlung des Kreisschützenbundes Quedlinburg im Schützenhaus Sinsleben, dem Ortsteil von Ermsleben, wieder abgeben. Ein neuer Kreisschützenvogt muss gewählt werden.
"Ich bin stolz, dass der Kreisschützenbund so gut dasteht, wir dem Schützenbund Harz angehören und unsere Eigenständigkeit gewahrt haben." Die Gründung des Schützenbundes Harz als Dachorganisation für die drei Kreisschützenbünde des neuen Landkreises war eine seiner wichtigsten Aufgaben. Da Detlef Paul erst vor zwei Jahren als Vizepräsident in das Präsidium des Dachverbandes gewählt wurde, und die Amtsperiode vier Jahre währt, will er den Posten noch solange behalten. Er ist froh, dass es den Schützen gelungen ist, die Strukturen der Altkreise zu wahren. "Wir sind im Harz 6 000 Schützenbrüder und Schützenschwestern - die kriegst du nicht alle unter einen Hut. Das geht ehrenamtlich nicht."
Jahrelang hat Detlef Paul alle Termine im Quedlinburger Verband versucht selbst wahrzunehmen, bis er einen Stellvertreter bekam, der sich um die Auszeichnungen kümmerte. Die vielen Kilometer, die er im Ehrenamt unterwegs war, hat er nie gezählt und Fahrgeld habe er sich nur für zwei Fahrten nach Magdeburg erstatten lassen. Aber durch die Arbeit im Schützenbund Harz wurden die Entfernungen größer, der Sprit zudem teurer. Dennoch hat er es gern gemacht "Es ist mein Hobby." Seine Vorstandskollegen hätten es gern gesehen, wenn Detlef Paul noch eine Amtsperiode drangehängt hätte, "aber die Vernunft muss da siegen, ich bin nicht mehr der Jüngste."
Auch wenn die Schützenvereine überaltert sind, bei den Jugendzeltlagern des Harzer Verbandes konnten sich die Quedlinburger durchaus sehen lassen. Als großes Manko sieht er die Beteiligung der Quedlinburger beim ersten Harzkönigsschießen 2010 an. Nur ein einziger Schütze nahm daran teil. "Das war ein bisschen ärmlich." Nachdem nun durch Sponsoren eigene Schützenketten angeschafft werden konnten, hofft Paul in diesem Jahr auf mehr Teilnehmer.
Sowohl der Großvater, als auch der Vater von Detlef Paul waren Soldaten und Schützen. Doch vor allem der Vater hatte nach dem Kriegsdienst in der Wehrmacht und acht Jahren Kriegsgefangenschaft nichts mehr mit Schießen am Hut. Detlef Paul war beim Talsperrenbau an der Rappbodetalsperre dabei, wurde KfZ-Schlosser und machte den Führerschein für LKW. 32 Jahre arbeitete er dann im Eisenhüttenwerk Thale, fuhr LKW, Autokräne und Planierraupen.
Durch eine Patenschaft des EHW mit Tontaubenschützen aus Suhl sei er zum Schießen gekommen. Diese schossen auf dem Rübchen und in Ballenstedt mit den Thalensern. GST-Mitglied war Paul nie, doch geschossen habe er auf dem Stand der vormilitärischen Jugendorganisation durchaus. Irgendwann entdeckte er bei Abrissarbeiten in einem Thalenser Haus eine Waffe. Er versteckte sie und behielt sie. Später kamen weitere hinzu. "Wenn sie mich damals erwischt hätten, würde ich heute noch sitzen." Nach der Wende meldete Paul seine Schätze an und trug sie in Waffenbesitzkarten ein. So kann er sie heute jedem Gast stolz zeigen.
Paul versteht es nicht, wenn, wie am Mittwoch gemeldet, ein Thalenser illegal Waffen hatte. Es sei nicht schwierig, ein Bedürfnis für eine Waffenbesitzkarte nachzuweisen. Er ist auch gegen eine Verschärfung des Waffengesetzes, wie sie Landes-Innenminister Holger Hövelmann (SPD) nach dem Dreifachmord in Genthin forderte. "Wenn sich jeder nach dem Gesetz richtet, kann nichts passieren."
Seit 13 Jahren lebt Detlef Paul mit Frau, Tochter, Schwiegersohn und Enkel in Friedrichsbrunn, wo er seitdem Mitglied des Schützenvereins ist. Zwei der vier Königsscheiben an der schön sanierten Villa der Familie gehören Detlef Paul. Die anderen haben seine Tochter und der Enkel gewonnen. Vielleicht übernehmen sie ja eines Tages mal ein ähnliches Amt.