Harz Harz: Flug mit Hauch von Nichts
ballenstedt/thale/MZ. - Manfred Krehr bewies geradezu eine Engelsgeduld mit dem 2011er Geburtstagsgeschenk seiner Kinder. Immerhin wird der 71-Jährige im Juli schon wieder ein Jahr älter. Allerdings hat sich dessen Ausdauer mehr als gelohnt: Jetzt hob er mit einem Tragschrauber, einem so genannten Gyrocopter, von Ballenstedt aus in die Lüfte. Dass er sich gerade diese Jahreszeit aussuchte, hatte ausschließlich mit den blühenden Rapsfeldern zu tun.
Und in der Tat: Eine bessere Jahreszeit konnte man sich für ein solches abenteuerliches Unterfangen in der "knallgelben Zigarre" auch gar nicht vorstellen. Passte doch der minimalistisch anmutende Tragschrauber ausgezeichnet zu der massenhaft blühenden Ölfrucht am Boden. Für den Nordharzer Veteranen ging so ein oft ausgesprochener Wunsch in Erfüllung.
Kaum wieder in Ballenstedt gelandet, kam Krehr aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Weiche Knie? Fehlanzeige! "Ich kann das nur weiterempfehlen, vom Feinsten. Das war einfach nur fantastisch." Immerhin war dieser Überflug für den 71-Jährigen eine Premiere: "Ich mach's auch wieder wenn's sein muss."
Sagt's und lacht im Nachhinein über seine eigene Courage. Immerhin zählt er ansonsten nicht eben zu den ausgesprochenen Vielfliegern. Dass man praktisch kaum etwas an Material um sich herum hat und sowieso draußen sitzt, störte den Rentner offensichtlich gar nicht: "Wenn da bloß der Sitz wäre und ansonsten nichts, wäre mir das auch egal." So sehr viel mehr ist es aber wirklich nicht. Den einzigen wirklichen Schutz bietet, ähnlich wie bei einem Motorroller, eine Klarsichtscheibe nach vorn. Und gegebenenfalls auch der Gurt "gegen das vorzeitige Rausspringen".
Ballenstedt, Thale, Blankenburg, Wernigerode, Nachterstedt und dann wieder zurück Richtung Gegensteine: Das war seine Route binnen einer Stunde. Kein Problem mit bis zu 140 Kilometern pro Stunde des Tragschraubers, der 71-Jährige: "So schnell würde ich mit meinem Auto nicht unbedingt fahren."
Wie viele Fotos er während seines Überfluges geschossen hat, konnte Krehr unmittelbar nach der Landung gar nicht mehr sagen. Aber ohne störende Plexiglasscheiben an den Seiten, dürfte er mit Hunderten von Top-Aufnahmen wieder nach Hause zurückgekehrt sein: "Wenn mal etwas nichts geworden ist, schmeiße ich sie halt weg. Ich habe einfach nur ständig draufgehalten."
Dass der Gyrocopter grundsätzlich anders funktioniere als ein Hubschrauber, liege an dessen Antrieb, so Pilot Jörg Brambeer. Es gäbe nur ein Kolbentriebwerk am Heck. Den oberen Rotorblättern fehle dieser Antrieb.
163 Kilometer pro Stunde könnte "seine gelbe Zigarre" zum Neupreis von 58 000 Euro schnell sein. Optimale Reisegeschwindigkeit seien allerdings höchstens 120 Kilometer pro Stunde. Damit braucht er für einen spontanen Badeausflug an die Ostsee auch gerade einmal zwei Stunden und 15 Minuten. Dann verbraucht der Tragschrauber zwölf Liter Super. Für einen Brockenflug gönnt er sich wegen der Höhendifferenz und der permanenten Höchstgeschwindigkeit auch schon mal bis zu 20 Liter.
Mitfliegen kann jeweils immer nur eine Person. Maximales Startgewicht sind insgesamt auf 450 Kilogramm bei einem Eigengewicht der Maschine von 243 Kilogramm. Die zulässige Flughöhe liegt im Extremfall bei theoretischen 3,3 Kilometer. Jörg Brambeer: "Aber diese macht mit so einem Gucke-Mobil absolut keinen Sinn."
Der älteste Mitflieger sei übrigens ein 91-jähriger Mann gewesen. Pilot Brambeer abschließend auf die Frage, wer denn öfter mit schlackernden Knien zu ihm einsteige: "Das sind eindeutig die Männer. Die fragen dir vorher Löcher in den Bauch, was denn wäre, wenn das Teil versagt oder jenes ausfällt."