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Grüne Gentechnik im Disput

Von Uwe Kraus 29.05.2008, 16:27

Halberstadt/MZ. - Um allen Gästen Platz zu bieten, mussten noch zusätzliche Stühle besorgt werden. Nicht allein die Themen und Gesprächspartner sind es, sondern die Herangehensweise der Organisatoren, die immer wieder auch auf den ersten Blick weit voneinander entfernten Disputanten eine Bühne bieten.

Thema zieht viele an

So moderierte die Biologie-Lehrerin Kathrin Apostel (Gymnasium Martineum) eine Runde mit Prof. Dr. Joachim Schiemann vom Julius-Kühn-Institut für Sicherheit in der Gentechnik bei Pflanzen und Dr. Steffi Ober vom NABU-Bundesverband. Allein das Thema "Grüne Gentechnik - Hintergründe und Zusammenhänge, Chancen und Risiken" zog Pfarrer, Ökobauern, Bürger, aber auch Vertreter der Gen-Lobby wie Dr. Jens Lerchl von der Standortvereinigung Green Gate Gatersleben ins Kloster. Selbst die zumeist bestens präparierten Vertreter der Gentechnik-Kritiker auf den Plätzen im Saal zeigten sich verwundert, wie nah sich die beiden Wissenschaftler in vielen Auffassungen stehen und wie europäisch die Entscheidungen fallen.

Auf die Frage von Hanna Fiedler, ob einzelne Länder bei der Nutzung von genverändertem Saatgut ausscheren könnten, erfuhr sie, dass "was in einem EU-Land zugelassen wird, in allen angebaut werden darf." Schiemann und Ober sprachen sich für eine problemorientierte Herangehensweise aus. "Fragen wir uns, mit welchem Mix von Ansätzen können wir Nahrungs- und Landwirtschaftsprobleme lösen: ökologisch und mit einer verbesserten Züchtung inklusive der Gentechnik", so Prof. Dr. Joachim Schiemann, Präsident der Internationalen Gesellschaft für biologische Sicherheitsforschung.

Nach seinen Worten sei die Forschung an genveränderten Pflanzen bestens überwacht. Erschrecken und Erstaunen erregte er mit dem Hinweis, dass es keinerlei Sicherheitsprüfung für "konventionell erzeugte Pflanzen" gebe. Diese werden über Mutationszüchtungen stark bestrahlt, um Chromosomen zu verändern. Deutlich sagte der Wissenschaftler, der seinen Auftritt nicht als Werbung für die Gentechnik verstanden wissen wollte, dass nicht behauptet werde, alles Genveränderte sei sicher. "Es ist so sicher wie bei Vergleichspflanzen." Negative ökologische und gesundheitliche Auswirkungen seien nicht beobachtet worden. Jedoch seien dies immer Ergebnisse auf dem Stand der heutigen Technik.

Seit 1987 habe es 160 Projekte zur biologischen Sicherheitsforschung gegeben, die das Bundesforschungsministerium gefördert hätte. Dr. Steffi Ober wog Kosten und Nutzen ab. Es könne nicht nach dem Motto agiert werden "Wir haben die Gentechnik, probieren wir mal damit rum." Sie halte es für unredlich, Vergleiche mit konventioneller statt mit nachhaltiger Landwirtschaft anzustellen. Gegenwärtig werden vier Nutzpflanzen in wenigen Ländern angebaut. Dies aber als gefährliche Monokultur. Folgen seien eine veränderte Anbaupraxis, die Verwilderung, Auskreuzungen und Gentransfer befördern. Ein Beobachtungsprogramm in heutiger Größenordnung könne nicht die Folgen für alle Bodenlebewesen erfassen. Sie hält die Analyse für nicht ausreichend.

Teilnehmer der Diskussion sprachen sich für "die Bewahrung der Schöpfung" aus. Die Gentechnik vergewaltige die Natur. Kathrin Apostel mahnte an, sich als Mensch nicht neben die Natur zu stellen. Er sei ein Teil von ihr.

Landwirte konstatierten, dass die ackerbaulichen Fähigkeiten und Techniken immer stärker zugunsten der Finanzoptimierung reduziert werden. So werde weniger gepflügt und gemulcht. Der Bau von Biogasanlagen zwinge Landwirte zur Monokultur. Dr. Steffi Ober bemerkte, dass damit den Rufern aus der Wirtschaft gefolgt werde. "Die Banken fragen die Bauern schon, ob sie genügend in den Anlagen verwertbaren Mais anbauen."

Theoretische Diskussion

Dr. Jens Lerchl kritisierte in der Runde, dass "bei der Diskussion theoretischer Risiken grüner Gentechnik eine Blockadehaltung gegen deren Einführung erzeugt wird." Kein Unternehmen aus seiner Branche habe behauptet, den Welthunger beseitigen zu können. Er erntete Zustimmung bei Besuchern, die meinten, wenn genveränderter Reis Menschen vor der Erblindung aus Vitamin-Mangel schützen könne, sei es unchristlich, ihnen diesen zu verwehren. Joachim Schiemann erläuterte, dass die mittelständischen Züchter in der Region Harz und in Deutschland einen hervorragenden Genpool verwalten, der für die Wissenschaft auch in der Zukunft unverzichtbar sei, "auch um Verbrauchererwartungen zu entsprechen." Steffi Ober pflichtete ihm da uneingeschränkt bei: "Die Züchtung ist sehr nötig, weil sich die Umweltbedingungen rasant ändern." Sie fügte mit Blick auf die Einfuhr von Soja, der zu 64 Prozent gentechnisch erzeugt werde, hinzu: "Wir importieren unsere Umweltferkeleien. Da können wir uns in Deutschland nicht mit einer weißen Weste hinstellen."