Glockenweihe in der Waldorfschule in Thale Glockenweihe in der Waldorfschule in Thale: "Milan" hängt im Turm

Thale/MZ - „Das Schellen der Pausenklingel ging mit der Zeit nicht nur mir auf den Nerv“, erzählt Magnus Hipp vom Ursprung der bronzenen Schulglocke, die gestern auf dem Hof der Freien Waldorfschule Harzvorland in Thale eingeweiht wurde. „Nur dreimal pro Tag, morgens, zur großen Pause und zum Feierabend, sowie zu besonderen Anlässen wird sie mit Beginn des neuen Schuljahres geläutet“, erklärt der Leiter für das Vorhaben der Schüler aus der 3. Klasse. „Schließlich wollen wir die Nachbarn nicht zu sehr stören.“
Auch Lehmbackofen ist entstanden
„Auch in anderen Schulen sind ähnliche Glocken entstanden“, sagt er und kupferte die Idee nicht nur ab. Der Lehrer für Gartenbau entwickelte daraus unter dem Titel „Kulturschaffende Bauen“ ein ganzes Konzept für die Mädchen und Jungen. Hipp: „Im Laufe des Schuljahres haben wir auch mit dem professionellen Lehmbauer Oliver Donalies aus Leipzig mit alten Handwerkstechniken einen schönen Lehmbackofen gebaut.“
Die Kinder hatten ihren Spaß daran, die klebrige Masse zu zerstampfen und daraus Batzen zu formen, bis ihnen der Experte zeigte, wie der Lehm richtig verarbeitet wird. Längst haben ihn die Schüler und Lehrer schon ausprobiert und darin Brot und Pizza gebacken.
Wohl kaum ein Gedicht hat das handwerkliche Glockengießen so eng mit allgemeinen Ansichten und Kommentaren zum Menschenleben verbunden, wie Friedrich Schillers „Lied von der Glocke“, die vor 215 Jahren veröffentlicht wurde.
Viele Wortgruppen aus dem Gedicht wurden später zu „geflügelten Worten“, ohne dass die Nutzer überhaupt noch wissen, woher sie eigentlich stammen. „Wo rohe Kräfte sinnlos walten“ wird ebenso verwendet wie „Wehe, wenn sie losgelassen“. Auch „errötend folgt er ihren Spuren“ oder „er zählt die Häupter seiner Lieben“ tauchen im heutigen Sprachgebrauch ebenso immer mal wieder auf, wie auch der leicht abgewandelte Kommentar zu Verlobungen: „Drum prüfe wer sich ewig bindet, ob sich nicht noch was Besseres (im Original „das Herz zum Herzen“) findet“.
Auch für Parodien wurde Schillers Text wiederholt verwendet, darunter auch das Lied in der kürzesten Form: „Loch in Erde, Bronze rin. Glocke fertig, bim, bim, bim.“ Auch der Komiker Heinz Erhardt schrieb einen kurzen Text zur Entstehung des Liedes.
Schillers Lied wurde nicht nur in viele Sprachen übersetzt, sondern auch vertont. Der englische „Song of the Bell“ ist dafür ebenso bekannt wie „La Chanson de la Cloche“ im Französischen, die finnische Form des „Kello-laulu“ aber weniger verbreitet.
Ebenso spannend war die Entstehung der Glocke mit einem Durchmesser von 38 Zentimetern und des Turms. „Nicht andere arbeiten lassen, sondern selbst Hand anlegen“, hieß die Devise, so Hipp. Klassenleiterin Lichthild Koehler erinnerte zur Weihe nochmals an das Stampfen der Gießform, die im Gegensatz zur Glocke des Dichters nicht aus Lehm gebrannt war. Das Hineingießen des heißen, flüssigen Kupfers und Zinns übernahm der erfahrene Glockengießer Peter Glasbrenner aus Schwäbisch Hall.
Glocke heißt Milan
Dann begann das Warten, ob der Prozess auch gelungen ist. „Was heraus kam, war ein schwarzer Koloss von 42 Kilogramm“, hatte Koehler beobachtet. Die Kinder mussten das glänzende Metall mit Drahtbürsten unter der Kruste hervorholen. Noch fehlte der Name. „Die Schüler haben sich für „Milan“ entschieden - den Vogel, der häufig überm Harz kreist“, teilte Koehler mit.
Parallel dazu begannen sie, das Holz für den sieben Meter hohen Ständerturm zu bearbeiten. Unter Aufsicht des Quedlinburger Zimmermannmeisters Joachim Behrendt durften sie hobeln, bohren und feilen, jedoch aus Sicherheitsgründen nicht beim Zusammensetzen in luftiger Höhe mithelfen.
Auch das Hochziehen und Aufhängen wurde zur Sache von Hipp und Behrendt. Nachdem die Drittklässler noch Schillers „Glocke“ vorgetragen hatten, durften sie endlich zusammen mit Koehler erstmals den Klöppel schwingen und die Glocke mit einem hellen „Cis“ erklingen lassen.
Es wurde zum Startsignal für das anschließende Programm der Mitschüler. Kleine Artisten zeigten einige Zirkusnummern, andere präsentierten ihre musikalischen Fähigkeiten oder Ergebnisse des Englischprojektes in tänzerischer Form.
