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Gipfelsturm unter der Decke

Von STEPHAN NEEF 05.04.2009, 17:11

THALE/MZ. - Renommierte Alpinisten, die später manchen Achttausender bezwangen, haben ihr Handwerk im Bodetal erlernt. Die Thalenser Bergwacht ist eine Institution, allseits geschätzt und vielfach geehrt. Auch für ihre Nachwuchsarbeit: Über 30 Kinder und Jugendliche trainieren zur Zeit in der Sportabteilung Bergsteigen des SV Stahl Thale, in der die Bergretter ihre Junioren heranziehen.

Die neue Kletterwand hat - im Gegensatz zur alten und kleineren Wand - etliche Neigungen und unterschiedlich starke Überhänge, die ein anspruchsvolleres Training ermöglichen. Die künftigen Bergsteiger könnten hier Kondition, Klettertechnik und Klettertaktik schulen, informierte Bergwacht-Aktivist Jürgen Wendemuth die zahlreichen Gäste der Übergabe-Zeremonie. "Die Kinder müssen lernen, wie Körper und Kraft effektiv eingesetzt werden." Zudem würde eine so schwierige Wand auch die Möglichkeit bieten, "soziales Verhalten und das Übernehmen von Verantwortung für den Kletterpartner zu trainieren", ergänzte Wendemuth, der das Projekt begleitete.

Es sei ein alter Traum gewesen, irgendwann "in die Hallendecke hineinsteigen zu können". Den Mut, mit dem entsprechenden Konzept "an die Stadt heranzutreten", schöpften Bergretter und Bergsteiger aus der gewachsenen Zahl ihrer Mitstreiter, gestand Wendemuth. "Die Bergwacht zählt inzwischen 48 Mitglieder, die Abteilung Bergsteigen 68 Sportler", präzisierte er. "So stark waren wir noch nie." 17 000 Euro kostete die neue Übungsplattform. "Ohne Sponsoren hätten wir das nicht finanzieren können", räumte der Alpinist ein. Und nannte das IPB-Ingenieurbüro, die Alpin- Dachbau GmbH, die TCT Telekommunikationstechnik GmbH und die Nordharzer Volksbank. Ihnen sei es auch zu verdanken, dass das Projekt die Sportabteilung "in keine Finanzkrise stürzte".

Zu den ersten Jung-Alpinisten, die sich der neuen Herausforderung stellten, gehörten Eileen Meseg (14) und Lena Richter (12). Die beiden Kletter-Eleven hatten eine Woche zuvor beim Schüler- und Jugendcup des Landes in ihren Altersklassen den jeweils ersten Platz belegt. Sie erklommen die neue Wand im "Vorstieg", das heißt, sie nahmen das Sicherungsseil mit und hängten es nach und nach in den so genannten Zwischensicherungen ein. Nebenan, in der alten Wand, blieb das Seil wie ein Tau am oberen Wandende eingehakt.

Auch Lisa Wonner und Simon George zählten zu den "Gipfelstürmern" der ersten Stunde, durchstiegen dabei unterschiedliche Routen. Gelbe Griffe im bodennahen Wandbereich kennzeichnen die leichte Kletterpassage, verriet Wendemuth. Und fügte schmunzelnd hinzu: Die blauen bzw. roten Griffe in der Wandmitte würden auf den zunehmenden Schwierigkeitsgrad und dessen mögliche Folgen hinweisen, also auf Gesichtsfärbung und tränende Augen. Die grünen Griffe unter der Decke sollen die Hoffnung symbolisieren, das hohe Ziel (doch noch) zu erreichen. Alle Griffe können umgeschraubt, die Routen somit ständig verändert werden.

Die älteren Bergwächter hoffen nun auf "neue Trainingserfolge", die es ihnen auch irgendwann ermöglichen, "langsam aus der Reihe herauszutreten", wie Jürgen Wendemuth gestand.

Interessierte Kinder, die mindestens sieben oder acht Jahre alt sein sollten, können sich freitags um 19 Uhr in der Thalenser Pfingstanger-Sporthalle mit ihren Eltern das Training ansehen.