Frauenpower in Wernigerode Frauenpower in Wernigerode: Französin Sarah Piper tritt zur Stadtratswahl an

wernigerode/MZ - An Sarah Piper kommt man nicht vorbei. Als am 14. Februar auf dem Marktplatz von Wernigerode rund 100 Frauen und Mädchen gegen Gewalt an Frauen bei der weltumspannenden Aktion „One Billion Rising“ (englisch für „Eine Milliarde erhebt sich“) tanzen, ist sie dabei. One Billion Rising ist eine internationale Bewegung, die von der New Yorker Künstlerin und Feministin Eve Ensler initiiert wurde. 1998 hat die Künstlerin zum ersten Mal am Valentinstag sogenannte „V-Day-Aktionstage gegen Gewalt gegenüber Frauen“ veranstaltet. Die quirlige Französin initiierte den Wernigeröder Flashmob und hält alle Fäden in der Hand. „Ich bin die kleine Blonde, die hektisch rumspringt“, outet sie sich vorab.
Vor 18 Jahren angekommen
Wo Wernigerode so richtig liegt, musste sie erstmal nachschauen, als sie eine Stellenausschreibung las. „Im schönen Sommer vor 18 Jahren setzte ich erstmals meinen Fuß dort auf den Boden“, erinnert sie sich. Wenige Monate später lasen die Studenten der Hochschule Harz auf der Dozenten-Liste im Sprachenzentrum den Namen Cordier-Lallouet. Doch ein wunderschönes Harz-Panorama reicht nicht. Eine lebenslustige Frau aus Frankreich und die Harzer mit ihren Eigenarten, so recht wollte das in den ersten Wochen nicht passen. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass sie als Koordinatorin für Französisch am Sprachenzentrum der Hochschule Jahre später den International Women's Club gründet, deren Vorsitzende sie heute ist.
Wer Sarah Piper trifft, die im Jahr 1969 im Autoren-Mekka Le Mans das Licht der Welt erblickte, fühlt sich von ihrer Lebendigkeit und Lebensfreude angesteckt. Tochter Anne-Pauline und Sohn Thibault scheinen immer nah bei ihr zu sein. Die Mutter trägt den Stolz auf ihren Nachwuchs deutlich zur Schau. Romanistik und Germanistik studierte sie daheim und in Deutschland. Seither kehrt sie nur noch als Gast zur Familie, in der sie wohlbehütet aufwuchs, in der Bretagne zurück. Die kleine Frau aus Frankreich gab Sprachunterricht, wurde technische Redakteurin und beruflich nicht unbedingt glücklich. (uk)
Ziel des IWC ist es, das gegenseitige Verständnis zu fördern und zu festigen sowie den kulturellen Austausch zu pflegen. In ungezwungener Atmosphäre wird Frauen die Möglichkeit gegeben, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. „Die Veranstaltungen des International Women’s Club sollen Ausländerinnen helfen, sich leichter in der Harzregion zu integrieren. Dabei unterstützt der interkulturelle Austausch sowohl die sprachliche Komponente als auch das Verständnis für verschiedene Mentalitäten“, so Sarah Piper. Damit das noch besser gelingt, wird unterdessen bei allen Treffen ein Satz in jede vertretene Sprache übersetzt.
Der IWC wurde 2008 auf Initiative von ihr und der städtischen Gleichstellungsbeauftragten Jana Diesener mit zehn Frauen ins Leben gerufen. Er bringt einmal monatlich Frauen auf dem Wernigeröder Hochschulcampus zusammen, die entweder aus dem Ausland kommen oder sich für andere Kulturen interessieren. Unterdessen gehen über 100 Einladungen raus. Die Ingenieurin Teresa Contreras gehört ebenso zu diesem Kreis wie die Ärztin Diana Moreno und die deutsche Rechtsanwältin Cary Barner. „Wir sind nicht alle an der Hochschule tätig, kommen aus der Slowakei, Kolumbien oder aus Südafrika“, erzählt Sarah Piper.
„Außer aus der Antarktis decken wir eigentlich alle Erdteile ab. Manche von uns ist eher temporär hier, andere kehren gerade von einem Auslandsaufenthalt zurück. Bei uns spürt man internationales Flair, quasi Weltatmosphäre in der idyllischen Kleinstadt.“ Bewusst versteht sich der Klub nicht als Verein, sondern als lockerer Zusammenschluss. „Wer einmal da war, kommt immer wieder, weil es Freude bereitet, einander zu treffen“, findet Piper. „Wir haben so tolle Themen, dass es abwechslungsreich ist und sich jede freut, die andere zu treffen.“
Auf der Agenda des IWC stehen Diskussionen zur politischen Lage in der Welt ebenso wie das Vorstellen internationaler Weihnachtsbräuche oder Diskussionen mit Politikern. „Keiner von uns fühlt sich dabei als Quotenfrau.“ Die „Weltsicht“ bereichere durchaus.
So mischte sich Sarah Piper aus französischem Blickwinkel schon vor längerer Zeit in die heiße Diskussion über die Frage ein, ob Deutschland eine Frauenquote für die Führungsetagen von Unternehmen benötige. Aus dem Leben im Westen und Osten Deutschlands sieht sie die Stellung von Frauen in Beruf und Familie sehr differenziert. „80 Prozent der Mütter in Frankreich sind berufstätig. Der französische Staat unterstützt den beruflichen Wiedereinstieg und die Gründung einer Familie mit Instrumenten wie Mutterschaftsgeld, Familienbeihilfe, Familienmindest-einkommen, Wohnungsbeihilfe und dem System der Ganztagsschule.“
Nach schlechten Tagesmutter-Erfahrungen in Holzminden, wo ihre Familie zeitweise lebte, schätzt sie die Kinderbetreuung in Wernigerode. Zudem gab ihr im Ostharz keiner das Gefühl, eine Rabenmutter zu sein, weil sie sich in ihre Tätigkeit an der Hochschule voll reinhängt. Eine Arbeit, die sie liebt, auch weil sie neue Menschen kennenlernt. Mit Kindern und Freund kehrt sie immer wieder an ihre bretonische Heimat am Meer zurück. „Ich fühle mich als Französin und Wernigeröderin.“
Aktiv mitwirken
Das klingt bei der taffen Frau keineswegs wie eine Worthülse. „Wernigerode ist für mich seit zehn Jahren meine neue Heimat geworden. Meine Kinder wachsen hier auf, hier habe ich viele sehr nette Menschen kennen gelernt und Freunde gefunden. Jetzt möchte ich über den IWC hinaus an der weiteren Entwicklung meiner neuen Heimat aktiv mitwirken.“
So finden die Wernigeröder am 25. Mai den gar nicht so französisch klingenden Namen weit vorn auf der SPD-Wahlliste für den Stadtrat. „Als EU-Bürgerin ist es mein Anliegen, Integration durch gemeinsame kulturelle Begegnungen zu fördern, durch meine Aktivitäten an der Hochschule Harz, Wernigerode als Bildungsstandort zu stärken und die Frauenpolitik voranzutreiben, um Frauen die Möglichkeit zu geben, eine sie ausfüllende und befriedigende berufliche Tätigkeit auszuüben.“
Durch ihre Tätigkeit an der Hochschule weiß sie, dass die Brücke zwischen Wissenschaft und wirtschaftlichen Interessen der Region Tragfähigkeit benötigt. Sarah Piper fügt, ganz Französin, ein charmantes Kompliment für ihre Stadt an, in der sie Wurzeln geschlagen hat: „Die Lebensqualität ist in Wernigerode durch die Landschaft und durch die Übersichtlichkeit im Alltag sehr hoch.“