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Ferienfreizeit in Neudorf Ferienfreizeit in Neudorf: Leben wie die Crow-Indianer

Von Rita Kunze 13.08.2015, 16:07
Der Indianer Steffen, ein erfahrener Jäger, erklärt, was sein Schmuck zu bedeuten hat und wie er angefertigt wird.
Der Indianer Steffen, ein erfahrener Jäger, erklärt, was sein Schmuck zu bedeuten hat und wie er angefertigt wird. Chris Wohlfeld Lizenz

Neudorf/MZ - Steffen Mennecke trägt einen Turban aus Nutriafell und Adlerfedern. „Darf ich auch mal?“, fragt Frank. Der blonde Junge greift vorsichtig nach dem Kopfschmuck des Mannes, der ihn bereitwillig herüberreicht und hilft, das Fellband über den Kopf zu streifen. Frank hat inzwischen etwas Neues entdeckt: Eine Vogelkralle, die, von bunten Perlenschnüren umhüllt, um Menneckes Hals hängt. „Das ist eine Bussardkralle“, erklärt er, während er einen Fächer schwenkt. Das flügelähnliche Gebinde aus Gänsefedern, Leder und Perlen ist bei der Hitze und Schwüle genau das Richtige; es macht so viel Wind, dass ein Ventilator nicht besser für Abkühlung sorgen könnte.

Kinder schlafen in Tipis

Frank verbringt mit Artur und Lena und einigen anderen Kindern Ferientage auf der Indianerranch in Neudorf. Sie schlafen in Tipis und lernen spielerisch einen Teil der Kultur der Ureinwohner Nordamerikas kennen. Dafür sorgt Klaus Kurzidim, der das Indianerleben quasi zu seinem Beruf gemacht hat. Er arbeitet mit dem Indianistikclub Halle zusammen. „Wir vermitteln das Leben mit der Natur“, sagt er zum Angebot für seine Gäste, zu denen auch Familien, Schulklassen, Kindergartengruppen und Vereine gehören. Inmitten der Unterharzer Wälder dürfte das nicht schwerfallen; das Zeltlager auf der Wiese ist umsäumt von großen Bäumen, und neben den Vögeln in den Baumkronen statten auch neugierige Siebenschläfer dem Anwesen regelmäßig ihren Besuch ab.

Von Ostern bis Oktober sind die Türen der Ranch geöffnet, in den Sommerferien herrscht Hauptsaison. „Die Sportjugend Wernigerode kommt seit vielen Jahren hierher, die haben auch schon für das nächste Jahr gebucht.“ Bis zu 40 Kinder finden hier in einem Durchgang Platz. Sie kommen aber nicht nur aus Sachsen-Anhalt, sondern auch aus München und Hamburg. Wenn die Sommerferien in Sachsen-Anhalt zu Ende sind, erwartet Kurzidim eine große Gruppe von Kindern aus Mannheim. Beim Tipi-Abend im Indianerzelt erzählt er vom Leben dieser Völker, über die hierzulande zumeist klischeehafte Vorstellungen vorherrschen. In der kleinen Indianerausstellung vor Ort gibt es Informationen vor allem über die Crow und Hidatsa, die an der kanadischen Grenze leben, dokumentiert mit zum Teil originalen Schaustücken. Andere sind originalgetreu nachgebildet. „Das Kleid dort hinten haben wir für meine Frau genäht“, sagt Kurzidim. „Das hat Monate gedauert.“ Auch die markante Babytrage ist ein Eigenbau - für den Enkel. Als Kurzidims anfingen, daran zu arbeiten, sei an den Nachwuchs noch nicht zu denken gewesen, sagt er. So hat es sieben Jahre gedauert, bis das perlenbestickte Gestell fertig war. Dass es tatsächlich zum Einsatz gekommen ist, zeigt ein dazu gehöriges Foto.

Montur mit Lederhosen und Mokassins

Auch Kurzidim selbst wirft sich ab und an in Montur, trägt lange Lederhosen, Mokassins, Ketten und Ohrringe - wie man sich das bei Indianern vorstellt. Ein Klischee, sagt er. „Als die weißen Siedler kamen, fingen die Indianer auch an, Kleidung aus Stoff zu tragen. Vieles, von dem wir glauben, es sei indianisch, ist es eigentlich gar nicht.“ Selbst der berühmte Türkisschmuck der Navajos hat andere Wurzeln: „Sie haben das von den Spaniern übernommen.“

An dem Schmuck, den Steffen Mennecke trägt, haben sich die Kinder inzwischen satt gesehen. Sie haben ein Spiel entdeckt, das auch die Indianer spielen: Ein aus Zweigen gebundener Reifen, in dessen Mitte sich Lederstreifen kreuzen, wird geworfen und muss mit einem Stock während des Rollens aufgefangen werden. Frank sprintet als erster los. Aber erst im zweiten Versuch schafft es der Junge, den rasant davon rollenden Reifen zu fangen.

In der Neudorfer Indianerranch können die 6- bis 14-Jährigen reiten, sie lernen auch das Bogenschießen, mit Hölzern einen Fluss zu überqueren, zu klettern und Felle zu bestimmen. In einem abschließenden Wettkampf zeigt sich, wer der Geschickteste ist. Auch indianische Tänze gehören zum Programm. „Die sind nicht im Kreis ums Feuer gesprungen, wie man das immer in Filmen sieht“, sagt Kurzidim. „Bei den Indianern gab es einen Tanzleiter, der den anderen sagte, was sie tun sollen. Die Tänze, die wir hier zeigen, die gibt es wirklich.“

Sein Interesse am Leben der Indianer hat Kurzidim in Kindheitstagen entdeckt. „Durch Geschichten wie ’Die Söhne der großen Bärin’. Ich wollte auch so sein, die Indianer dort waren mein Vorbild.“

Lisa, Frank und Lena (v.l.) basteln ihren eigenen Indianerschmuck.
Lisa, Frank und Lena (v.l.) basteln ihren eigenen Indianerschmuck.
Wohlfeld Lizenz