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Erdbeerpflücker auf Zeit

Von Anja Wernicke 06.06.2007, 16:40

Quedlinburg/MZ. - "Heute Morgen haben wir schon wieder schlechte Erfahrungen gemacht. Drei Leute sind einfach nicht zur Arbeit erschienen", berichtet Michael Braschoß routiniert über die Arbeitsmoral seiner Pflücker. Seit zwei Wochen gehen für den Landwirt täglich 18 Arbeiter auf die Erdbeerfelder oder sollten es zumindest. "Im Großen und Ganzen sind wir zufrieden mit den Leuten, nur wenn sie von einen Tag auf den anderen nicht mehr erscheinen, nur weil sie nicht aus dem Bett kommen, ist das schon ärgerlich", erklärt der 36-Jährige weiter.

Eine Tonne pro Tag

Besonders, wenn man die Menge an Erdbeeren bedenkt, die gepflückt werden will. Eine Tonne geht täglich an Großabnehmer und Wiederverkäufer. "Die Leute müssen einfach früh raus, wenn es vormittags wärmer wird, lässt die Effektivität deutlich nach", erklärt Braschoß das frühe Aufstehen. Dabei wurde mit einigen schon vereinbart, dass sie statt um 5 Uhr erst um 6 Uhr anfangen müssen zu arbeiten. Seit vielen Jahren hat Braschoß seinen festen Stamm an Saisonarbeitern, die jedes Jahr wiederkommen und verlässlich sind. Dazu holt er sich von der Arbeitsagentur Leute, die meist im Nebenverdienst für ihn arbeiten. "Wir können eben auch nicht in die Leute hineingucken. Sie sagen erst: ,Ja ich will arbeiten' und dann passt es ihnen doch nicht", erklärt der Pressesprecher der Arbeitsagentur Halberstadt Daniel König. Insgesamt 28 Stellen hat der Arbeitgeberservice im Bereich der Landwirtschaft seit Anfang April vermittelt. Die Agentur für Arbeit und Arbeitsgemeinschaft arbeiten dabei eng zusammen und haben schon im Januar einen Bewerberpool von ca. 300 Leuten zusammengestellt, die sich für Erntearbeit interessieren.

Dazu zählte auch der arbeitslose Edmund Schwicherath. Eigentlich ist er bei einer Wernigeröder Zeitarbeitsfirma beschäftigt und war bis Dezember vergangenen Jahres im Straßenbau tätig. Nun wartet er auf ein neues Angebot: "Wenn das kommt, bin ich sofort weg. Das ist mit dem Chef so abgesprochen." Ein anderer Job wäre ihm und seinem Kollegen schon lieber. Sie hören Radio bei der Arbeit und bleiben immer dicht zusammen, damit sich die Arbeitszeit nicht allzu sehr hinschleppt. Auch Christel Prag aus Rieder braucht am Anfang immer erst einmal zwei, drei Tage bis sie sich wieder an die Plagerei gewöhnt hat.

"Sie sagen erst: ,Ja ich will arbeiten' und dann passt es ihnen doch nicht." Daniel König Pressesprecher der Agentur für Arbeit

Doch es sei immer noch besser als nur zu Hause zu sitzen, beschreibt sie ihre Motivation, warum sie, nach ihrer ersten Erntesaison im vergangenen Jahr, dieses Mal wiedergekommen ist. "Wenn sie gut hängen, mach ich eine Stiege in 20 Minuten voll", freut sie sich und beschwert sich im gleichem Atemzug über die jüngeren Kollegen, deren Arbeitsmoral oft zu wünschen übrig lasse. Sehr zufrieden ist Braschoß in diesem Jahr mit seinen vier polnischen Gastarbeitern, die seit Anfang der Saison auf seinem Hof wohnen und zusammen mit anderen deutschen Arbeitern für die Spargelernte zuständig waren. "Sie sind flexibler und sprechen sich untereinander ab, doch es ist gar nicht so leicht noch Polen zu bekommen", weiß Braschoß. Sie seien wählerisch geworden, da sie in anderen Ländern, wie Italien, Großbritannien und Holland, höhere Löhne bekämen und vor allem keine Abgaben an Sozialversicherungen leisten müssen. Außerdem wird ihnen dort teilweise eine Beschäftigung für das ganze Jahr angeboten.

Lukrativere Saisonarbeit

Die so genannte Eckpunkte-Regelung des Bundesarbeitsminister Franz Müntefering, die die Zahl an ausländischen Arbeitserlaubnissen für die Ernte beschränkt, reduziert darüber hinaus die Zahl der Willigen um fast ein Drittel. Bei der Spargelernte wurden da vor einigen Wochen schon die schlimmsten Horrorszenarien der Landwirte Realität: Die Ernte verrottete auf den Feldern.

Auch bei den Erdbeeren, gab es laut Braschoß Einbußen, schuld sei hierbei aber auch die ungünstige Wetterlage. Der Regen lässt die Früchte aufquellen, so dass sie platzen oder verschimmeln. Ein ganzes Feld musste er schon komplett weghächseln, bei einer Gesamtfläche von vier Hektar jedoch nicht allzu schlimm. Zwei Wochen wird die Ernte wohl noch andauern und Braschoß fünf Erdbeerstände im Landkreis mit Nachschub versorgen.