Dreck Spinnweben und Flecken Dreck Spinnweben und Flecken : Quedlinburgs "Horror-Herberge" vermietet wieder illegal

Quedlinburg - So hatten sich Christine und Frank Melzer ihre Reise zum 30. Hochzeitstag nicht vorgestellt. Das Berliner Ehepaar wollte sich Quedlinburg anschauen und hatte eine Ferienwohnung in der Pension Zwischen den Städten 4a gebucht.
Nachdem sie sich kurz in der Wohnung umgeschaut hatten, beschlossen die beiden jedoch, dem Vermieter den Schlüssel zurückzugeben und in ein Hotel umzuziehen. „Da ist es mir jetzt auch egal, was es kostet. Dass ein Zimmer in diesem Zustand vermietet wird, finde ich unbegreiflich“, sagt Frank Melzer.
Überall liegen tote Insekten
Zahlreiche Bilder, die die Eheleute der MZ zukommen ließen, zeigen: Die Küchenzeile befindet sich in einem Schrank, unter dem Waschbecken liegt eine verrostete Herdplatte mit braunen Ablagerungen auf dem weißen Metallsockel.
Über der Stelle, wo die graue Fußleiste aus Plastik mehrere Zentimeter neben einer Schrankwand endet und den rohen Untergrund freigibt, webt eine Spinne an der rosa Wand ihr feines Netz. Flecken zieren die Stoffbezüge der Bettgestelle. Die Silikonfuge an der Dusche löst sich an mehreren Stellen ab. Auch hier braune Flecken im Becken.
Das Foyer, durch das die Melzers in die Wohnung gelangt sind, macht kaum einen besseren Eindruck: Rund eine Daumenbreite vor der Fußleiste enden die steinernen Bodenplatten, was dem Zimmer einen zementgrauen Trauerrand verleiht. Hier und da liegen tote Insekten.
Die Liste lässt sich fortsetzen. „Die Verlegung von elektrischen Leitungen entspricht keiner technischen Norm“, befindet Frank Melzer mit Blick auf Kabel, die knapp über Kopfhöhe quer an den Wänden entlanglaufen.
Dass er und seine Frau überhaupt eine Wohnung in der Pension mieten konnten, verwundert angesichts der Aussage des Betreibers im März gegenüber der MZ, keine Zimmer anbieten zu wollen, solange er die Unterkunft saniert. Er leitet die Pension nach eigener Aussage seit Anfang Januar und möchte namentlich nicht genannt werden.
„Bezüglich der Nutzungsuntersagung hat sich nichts geändert.“
Eine Vermietung, teilt der Landkreis Harz auf MZ-Anfrage mit, ist illegal. Seit 2016 untersagt das Bauordnungsamt die Nutzung des Gebäudes als Beherbergungsbetrieb, weil Brandschutzauflagen nicht erfüllt sind. „Bezüglich der Nutzungsuntersagung hat sich nichts geändert“, erklärt Kreissprecher Manuel Slawig.
„Zwischenzeitlich liegen jedoch zwei Klagen gegen den Landkreis Harz beim Verwaltungsgericht Magdeburg vor.“ Dabei gehe es unter anderem um das Zwangsgeld, das der Kreis wegen Verstößen gegen das Nutzungsverbot verhängt hat.
Gegen diverse Bescheide, so Slawig, sei Widerspruch eingelegt worden, dem der Landkreis aber nicht stattgegeben habe. „Da die aufschiebende Wirkung des Widerspruches abgelehnt wurde, ist die Nutzungsuntersagung nach wie vor aktiv.“
Versiegelung des Gebäudes für Baumaßnahmen wieder aufgehoben
Zu Beginn der Untersagung im Jahr 2016 war das Gebäude von der Kreisverwaltung versiegelt worden. Die Versiegelung hat der Landkreis in der Zwischenzeit für Baumaßnahmen aufgehoben. Diese Aufhebung gilt weiterhin, fährt Slawig fort.
„Allerdings wurde gegenüber dem Bauordnungsamt erklärt, dass die Umsetzung des Bauantrages derzeit wohl in der beantragten Form nicht möglich ist. Die Fertigstellung ist vorerst nicht zu erwarten.“
„Bei den Buchungsportalen hat die Unterkunft ja relativ deutliche Bewertungen.“
Stadtsprecherin Sabine Bahß stellt auf Anfrage fest, dass die Stadt Quedlinburg in der Sache „relativ wenig“ tun kann. „Da geht es um baurechtliche Fragen und Belange der Hygiene“, sagt sie, „das fällt in die Zuständigkeit des Landkreises.“
Ein Stück weit sei der mündige Bürger aber auch selbst verantwortlich, wenn er in der Pension eine Wohnung buche: „Bei den Buchungsportalen hat die Unterkunft ja relativ deutliche Bewertungen.“
Zwangsgeld und Baukontrolle vorgesehen
Das Zwangsgeld, das der Landkreis im Januar für die illegale Nutzung verhängt hat, beträgt 5.000 Euro, beziffert Manuel Slawig. Und fügt hinzu: „Ein weiteres höheres Zwangsgeld ist gleichzeitig angedroht worden.“ Zuletzt, berichtet der Kreissprecher, hätten Behörden des Landkreises die Unterkunft im März besichtigt.
Er fügt hinzu, dass das Bauordnungsamt die Anfrage der MZ zum Anlass nehmen werde, um eine weitere Baukontrolle vorzunehmen.
Immer mehr Gäste berichten von unhaltbaren Zuständen
Zwei weitere Gäste haben sich in den vergangenen Wochen an die MZ gewandt und ihre Erfahrungen in der Pension geschildert. „Ich verstehe nicht, dass so eine Bude nicht polizeilich geschlossen wird“, schreibt Detlev Gündel aus Hannover, der dort ein Wochenende verbracht hat. Die Unterkunft missachte nicht nur brandschutzrechtliche Vorgaben, sondern sei auch „schlecht, gefährlich und dreckig“.
Auch Jürgen Gehring aus dem mittelfränkischen Windelsbach fiel bei seiner Ankunft in der Pension aus allen Wolken. „So ein Betrieb sollte geschlossen und die Menschen davor gewarnt werden“, betont er und spricht von Dreck und „Schrottmöbeln“.
Der Vermieter habe ihm gegenüber anschließend behauptet, sagt Gehring, dass er in der Nachbarpension gelandet sei.
Christine und Frank Melzer haben indes die Plattform Booking.com schriftlich um Rückerstattung des Geldes für die Buchung gebeten. Ihren Hochzeitstag, schildern die Eheleute in einem Telefongespräch, konnten sie nach dem Umzug dann doch noch in Quedlinburg genießen. (mz)
