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Wenn die weiße Taube fliegt Die christlichen Gemeinden von Quedlinburg laden zur traditionellen Friedensdekade ein

Was sich dahinter verbirgt und wann die Dekade beginnt.

05.11.2021, 16:00
Pfarrerin Franziska Junge will mit den Quedlinburgern ins Gespräch kommen.
Pfarrerin Franziska Junge will mit den Quedlinburgern ins Gespräch kommen. Foto: Uwe Kraus

Quedlinburg/MZ - Ein Gottesdienst in der Nikolaikirche eröffnet am Sonntag die ökumenische Friedensdekade. Uwe Kraus sprach vorab für die MZ darüber mit Pfarrerin Franziska Junge.

Ökumenische Friedensdekade - das klingt etwas nach 1980er Jahre.

Franziska Junge: Diese Bewegung stammt zwar aus den frühen 80er Jahren, als in der DDR Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ vom Parka gerissen wurden. Für den Frieden zu beten scheint uns heute aktueller denn je. Pfarrer Martin Gentz hat die Dekade hier in den 1990er Jahren etabliert. Daran knüpfen wir an.

Wer verbirgt sich hinter „Wir“?

Beteiligt sind die Evangelischen Kirchengemeinden Quedlinburg und Ditfurt, die Harzer Adventsgemeinde, die Evangelisch-freikirchliche und die katholische Gemeinde, aber auch Partner wie die unser Anliegen fördernde Partnerschaft für Demokratie der Welterbestadt und der Dachverband Reichenstraße. Ayuda, der Eine-Welt-Laden, wird nach jeder Andacht in den Turmräumen, seine Türen öffnen.

Sie sind sichtlich begeistert. Woher kommt Ihr Friedensschwung?

Ich spüre, es sind so viele Akteure dabei, wir sitzen nicht allein im Boot. Wir fühlen uns gut vernetzt, binden traditionelle Veranstaltungen wie das Gedenken auf dem Jüdischen Friedhof mit ein, suchen aber auch neuen Zugang.

Ist nicht trotzdem vielen Menschen die Türschwelle der Kirche zu hoch?

Durchaus. Darum gehen wir raus, organisieren zwei Andachten auf dem Marktplatz. Das trifft unser diesjähriges Thema „Reichweite Frieden“ sehr gut. Wir haben uns überlegt, wie wir über die Kirchenmauern die Menschen unserer Stadt erreichen und für den Frieden begeistern können. Da gehört die Klezmerband „Harry’s Freilach“ mit Musik zum Zuhören und Mittanzen ebenso dazu wie das Kino Eisenstein.

Und Sie klampfen bei „Quedlinburg singt Friedenslieder“ auf dem Markt „Ein bisschen Frieden“?

Wir singen zur Gitarre auch dieses Lied. Genau wie unsere traditionellen Kirchenlieder oder das anrührende „Kleine weiße Friedenstaube“, das leider aus den Schulbüchern verschwunden ist. Das Lied ist bestes Kulturgut! Ich denke, das alles hat etwas Stiftendes. Ich halte weiter das Gebet für unsere schärfste Waffe. Der Unfriede ist auf den ersten Blick ziemlich weit weg. Das rührt uns an, aber wir müssen alle nicht nur als Christen Verantwortung übernehmen.

Jeden Abend ab 19 Uhr Andachten in der St.-Nikolai-Kirche, reicht das?

Nein, darum planen wir ja weit mehr, auch wenn scheinbar andernorts die Friedensdekade etwas zurückgefahren wurde. Quedlinburg singt Friedenslieder, aber Quedlinburg redet auch. Im Anschluss an die kurze Andacht auf dem Marktplatz am 15. November sind bis zu 75 Quedlinburgerinnen und Quedlinburger persönlich eingeladen, mit Kerzen zum Saal im Kaiserhof zu ziehen und dort bei Livemusik und guter Suppe ins Gespräch zu kommen.

Erwartet uns die x-te Quedlinburger Podiumsdiskussion?

Keineswegs. Wir wollen gezielt Menschen aus der Stadt erreichen, die sonst nicht miteinander ins Gespräch gekommen wären; die Ökogärtnerin und der Fußball-Trainer, der Handwerker und der Müllmann. Frieden, da klingt ein großes Wort. Uns ist wichtig, dass auch der soziale Frieden bei uns gefördert und gepflegt wird. Ja, was brauchen wir denn für ein friedliches Miteinander in unserer Stadt? Also gibt es im Kaiserhof 30 Stehtische, an denen sich die bunt gemischten Gäste in Kleinstgruppen austauschen und nach 15 Minuten ihren Gesprächskreis wechseln.

Aber nicht ihren Standpunkt?

Wir wollen niemanden bekehren! Es soll der Diskurs gepflegt werden, auch Zuhören will gelernt sein. Wir haben Einladungen an viele Menschen rausgegeben, die oft einfach zu wenig gesehen werden. Wer nicht kommen kann, möge unsere Karte weitergeben.

Als Garantieschein, dass Sie nicht allein im Saal stehen?

Es geht nicht um einen doppelten Boden, sondern um ein Netzwerk, das wir weiter knüpfen.

Sie sind als Pfarrerin noch jung in Quedlinburg. Schon aufgeregt?

Ich bin neugierig, finde die Menschen hier cool. Da will man schon wissen, wie tickt Quedlinburg. Aber ehrlich, allein hätte ich mich das nicht getraut. Aber um mich gibt es ein tolles Team: Ulf Koischwitz und Caroline Stock vom Gemeindekirchenrat sowie Gernot Golka von der Partnerschaft für Demokratie. Da haben Menschen Feuer für unsere Idee gefangen. Und ich freue mich auf Quedlinburger, die sich was zu sagen haben. Nicht nur in der Friedensdekade.