Der ganz persönliche Rückblick Das zweite Berufsleben des Eberhard Brecht aus Quedlinburg
Aus der DDR-Umwelt- und Friedensbewegung kommend, ist der Quedlinburger in die Politik gewechselt. Gearbeitet hat er auf Bundes- wie kommunaler Ebene.

Volkskammer, Bundestag, Oberbürgermeister, dann noch einmal Bundestag. Wie man einen Blick auf fast drei Jahrzehnte „Politikerleben“ beginnt?
Vielleicht mit einem Datum. Dem 26. Oktober. An diesem Tag hat in Quedlinburg 1989 die erste große Demonstration stattgefunden, sagt Eberhard Brecht, der sich damals beim Neuen Forum engagierte. Der 26. Oktober dieses Jahres steht für seinen „Austritt aus dem bezahlten Politikerdasein“: Mit der Konstituierung des neuen Gremiums ist der Quedlinburger nicht mehr Mitglied des Deutschen Bundestages.
Zwischen beiden Daten: viele Sternstunden wie die Berlin-Bonn-Debatte - „auf hohem Niveau, das hat Spaß gemacht zuzuhören“ -, Diskussionen mit Bürgern im Bundestag oder im Wahlkreis - „lebhaft, aber mit Respekt“ - oder Unternehmensbesuche. „Das hat mir immer Spaß gemacht, weil man da so viel lernt.“ Dazwischen liegen aber auch ganz andere Erfahrungen. „Mich bedrückt vor allem die Aggressivität von extremistisch orientierten Menschen, eine Gewaltbereitschaft in der politischen Auseinandersetzung, die zum Beispiel in meinem Fall zu zwei Morddrohungen und zur Sachbeschädigung meines MdB-Büros führten.“
„Die Tageszeit habe ich noch mitbekommen, aber nicht mehr die Jahreszeit“
Begonnen hat Eberhard Brecht sein „zweites Berufsleben“ - im ersten war der promovierte Physiker Naturwissenschaftler - 1990, als er für die SPD in die erste frei gewählte Volkskammer einzog. „Die arbeitsintensivste Zeit meines Lebens. Die Tageszeit habe ich noch mitbekommen, aber nicht mehr die Jahreszeit“, sagt er heute über die Monate, in denen er etwa den Einigungsvertrag mitgestaltet und eine „enorme Solidarität der westdeutschen Kollegen“ erlebt hat.
„Großartige Unterstützung“ habe es dann auch im Bundestag gegeben, in den Eberhard Brecht im selben Jahr gewählt wurde. Schon in der Volkskammer sei der außenpolitische Bereich sein Thema gewesen - im Bundestag wurde er es wieder. Eberhard Brecht wurde stellvertretender außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion und Vorsitzender des Unterausschusses Vereinte Nationen. Lebhaft in Erinnerung sind ihm seine guten Kontakte zu Kofi Annan, dem ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen. Aber auch, dass es zu seinen Pflichten gehörte, sich um Krisengebiete zu kümmern, in denen die UNO im Einsatz war. „Schwerpunkt war damals der Balkan“, sagt Eberhard Brecht. Auch im Tourismusausschuss arbeitete er als stellvertretendes Mitglied mit.

2001, mitten in der Wahlperiode, schied Eberhard Brecht aus dem Bundestag aus. Er hatte in seiner Heimatstadt bei der Bürgermeisterwahl kandidiert und war gewählt worden. „Hier war Hauptthema, in einer Kommune, die eher touristisch, weniger wirtschaftsgeprägt war, fehlende Gewerbesteuereinnahmen so zu kompensieren, dass man ohne ständige Auflagen der Kommunalaufsicht Stadtleben gestalten konnte. Das Thema Finanzen war wirklich dramatisch.“ „Ganz oben“ hätte deshalb für ihn das Thema Wirtschaftsförderung gestanden. Firmen besuchen, fragen, wo die Stadt helfen könne, neue Investoren finden und begleiten... Eberhard Brecht denkt hier etwa an die Ansiedlung der Seco GmbH in Groß Orden oder die Standortsicherung der Walzengießerei durch den unterstützten Bau der Schleudergussanlage. „So habe ich ein wenig das erreicht, was ich wollte - mehr Wirtschaft -, aber noch lange nicht genug.“
Ganz oben auf der Agenda habe ebenso die Stadtsanierung gestanden, das Finden von Investoren, von Geldquellen. In der ersten Periode seiner Mitarbeit im Bundestag und der zweiten sowie in der Zeit als Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister „sind sicher um die zehn Millionen Euro nach Quedlinburg geschaufelt worden, um hier sanieren zu können“.

2015 endete für den damals 65-Jährigen seine zweite OB-Wahlperiode. „Ich habe gedacht, ich bin Rentner, das passt gut.“ Doch 2017 kandidierte er doch noch einmal für den Bundestag, schaffte den Einzug nicht - und rückte dann aber 2019 als Nachfolger von Burkhard Lischka nach. Er arbeitete auch wieder als stellvertretendes Mitglied im Tourismusausschuss mit, „ich habe aber nicht so viel geschafft.“ Denn zu betreuen hatte er als Bundestagsabgeordneter nicht nur den Harz sowie Aschersleben und das Seeland, sondern auch die Altmark und die Börde - Jerichower Land. „Wenn man da annähernd Präsenz zeigen will, muss die Arbeit in Berlin leiden.“
Gern hätte er sich wieder um das Thema Außenpolitik gekümmert, „doch ich wurde in den Verteidigungsausschuss gebeten.“ Er, der aus der DDR-Umwelt- und Friedensbewegung gekommen sei... „Doch mit der Zeit habe ich den Ausschuss sehr gemocht, das menschliche Klima war sehr gut.“ Und weil der damalige verteidigungspolitische Sprecher der Fraktion Rücksicht genommen habe auf seine Interessen, „hatte ich doch wieder eine ganze Reihe von UN-Missionen als mein Arbeitsfeld, insbesondere Mali“. Ein weiteres Arbeitsfeld, ebenfalls auf seinen Wunsch: das Sanitätswesen bei der Bundeswehr. Mit dem Versorgungs- und Instandsetzungszentrum Sanitätsmaterial in Blankenburg habe er so auch Bezug zu seinem Wahlkreis gehabt.

Er sei jetzt 71, jetzt sollten jüngere Leute die politische Arbeit übernehmen, sagt Eberhard Brecht, der auch durchaus mal anders abstimmte als seine Fraktionskollegen. Etwa seine Stimme im ersten Wahlgang bei der Bundespräsidentenwahl 1994 nicht Johannes Rau gab, sondern dem von den Grünen vorgeschlagenen Jens Reich - „mein ehemaliger Chef, den ich über alles bewundert und geschätzt habe“.

Millionen für die Stadtsanierung nach Quedlinburg geholt zu haben, „sehr ich für mich als größten Erfolg“. Und als zweiten, das Thema Disparitäten wieder auf die Agenda der politischen Diskussion gebracht zu haben. Strukturschwache Regionen, die es in Ost wie West gebe, bräuchten als Hilfe zur Selbsthilfe nicht nur eine gute Businfrastruktur, Schulen oder Kitas. „Das schafft keine Jobs.“ Es brauche Wirtschaftsentwicklung, innovative Produktion. „Dafür müssen wir Forschungsdichte schaffen in den neuen Bundesländern wie den alten und damit Chancen, dass sich Start-ups darum ansiedeln“, sagt Eberhard Brecht.
Dass dieses Thema ihm enorm wichtig ist, ist dabei nicht zu überhören. Diesem will sich der 71-Jährige auch weiter widmen, ebenso dem Thema Demokratieförderung und natürlich - wie schon seit Jahren - der Geschichte der Jugend in Quedlinburg. „Und ich habe ein Riesenhaus und einen Riesengarten - und acht Enkelkinder.“