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Zeugnis der Stadtgeschichte Quedlinburgs Das zeigen 111 erhaltenswerte Grabstätten

Auf dem Zentralfriedhof gibt es zahlreiche historische Grabanlagen und andere Bauwerke. Wie sich Besucher hier informieren können.

Von Petra Korn 17.06.2021, 14:00
Friedhofsleiter Ronald Wenzel (l.) sowie Hartmut Klein (2.v.l) und Rolf Bielau (r.) von der IG Saatguttradition mit Oberbürgermeister Frank Ruch (3.v.r.) im Gespräch am Grabdenkmal von Julius Ebert, dessen Vorfahren mit der Tomatenzucht begannen.
Friedhofsleiter Ronald Wenzel (l.) sowie Hartmut Klein (2.v.l) und Rolf Bielau (r.) von der IG Saatguttradition mit Oberbürgermeister Frank Ruch (3.v.r.) im Gespräch am Grabdenkmal von Julius Ebert, dessen Vorfahren mit der Tomatenzucht begannen. Fotos: Korn

Quedlinburg - In Quedlinburg gibt es viele Zeitzeugnisse, die Stadtgeschichte erzählen. Der Stiftsberg gehört dazu, Fachwerkhäuser und Gründerzeitvillen, ebenso Straßenzüge. Und auch der Zentralfriedhof der Stadt. Seit 1905 in städtischer Hand und von Beginn an als Waldfriedhof angelegt, gibt es hier Grabstätten, die bildhauerische Besonderheiten sind, sagt Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU). Und der Friedhof sei auch „eine kulturhistorische Stätte, wo man die Entwicklung unserer Stadt, unserer Gesellschaft ablesen kann“.

111 erhaltenswerte Grabstätten gibt es auf dem Friedhof, erläutert Ronald Wenzel, Leiter des Zentralfriedhofs. Es seien Grabdenkmale für Persönlichkeiten, wie beispielsweise Pflanzenzüchter und Saatgutproduzenten, „die Stadtgeschichte geschrieben haben“. Wobei das eine oder andere von ihnen an Grabstätten, die seit Jahrzehnten die seit Jahrzehnten ohne Nutzungsrecht und völlig zugewachsen waren, erst in den vergangenen Jahren bei Arbeiten wiederentdeckt und auch wieder hergerichtet wurde. „Dann kamen die Fragen der Friedhofsbesucher: Wer war denn das?“, berichtet Ronald Wenzel. Da habe er sich Hilfe bei Dr. Rolf Bielau von der Interessengemeinschaft Saatguttradition geholt. Und mit ins Boot gekommen sei Katharina Baumgart.

Denkmal wurde von einem französischen Bildhauer gestaltet

Die Garten- und Landschaftsarchitektin hat für die städtische Friedhofsverwaltung eine Gartendenkmalpflegerische Rahmenkonzeption - der Friedhof ist Kulturdenkmal - angefertigt. Dafür sei auch festzustellen gewesen, was vorhanden sei an Wegen, Pflanzen und Inventar, und zu erforschen, welchen Denkmalwert die Anlage habe, erläutert Katharina Baumgart. Und aufzuzeigen sei zudem eine Perspektive, weil die Nutzung des Friedhofes sich verändert habe.

Einst konzipiert für Erdbestattungen, gebe es diese kaum noch, sondern größtenteils Urnen- und anonyme Bestattungen. Im Rahmen ihrer Forschungsarbeit, berichtet Katharina Baumgart, habe sie noch viel herausfinden können. So beispielsweise zum Grabdenkmal für die Kriegsgefangenen des Lagers Ritteranger im Ersten Weltkrieg auf dem Soldatenfriedhof: Dieses Denkmal wurde von einem französischen Bildhauer gestaltet, und die Gefangenen selbst haben Geld dafür gesammelt, schildert Katharina Baumgart.

Eine Tafel nahe der Trauerhalle informiert die Besucher des Zentralfriedhofs inzwischen über besondere Grabdenkmale und Bauwerke auf der weitläufigen Anlage; an einzelnen dieser Punkte gibt es bereits kleine Infotafeln. „Man könnte zu jedem alten Grabmal eine Tafel aufstellen und eine Riesengeschichte erzählen“, sagt Ronald Wenzel. Ein Anfang ist gemacht: „Unser erstes Augenmerk lag hier auf den Samenzüchtern und Saatgutproduzenten in enger Zusammenarbeit mit Dr. Rolf Bielau“, erklärt der Leiter des Zentralfriedhofs. 21 Grabdenkmale seien saniert und mit Infotafeln versehen worden.

„Es freut uns, dass die Eröffnung in diesem Jahr stattfinden kann“

„Es freut uns, dass die Eröffnung in diesem Jahr stattfinden kann“, sagt Rolf Bielau, stellvertretender Sprecher der IG Saatguttradition. Erfolgte doch vor genau 250 Jahren die erste offizielle Gründung eines Saatzuchtunternehmens in Quedlinburg, sei der Samenanbau seit 250 Jahren in Quedlinburg offiziell existent. Auf den Tafeln an Grabstätten von Persönlichkeiten dieses bedeutenden Wirtschaftszweiges von der Kaiser- bis zur DDR-Zeit finde sich jeweils ein kleiner Text, in dem die Leistung der jeweiligen Person dargestellt werde, es gebe aber auch bildliche Darstellungen. „Das ist uns sehr gut gelungen in der Zusammenarbeit“, sagt Rolf Bielau und bedankt sich dafür bei Katharina Baumgart und Ronald Wenzel.

Wie Hartmut Klein, Sprecher der IG Saatguttradition ergänzt, sei das Hauptprojekt im Rahmen 250 Jahre Samenzucht der Quedlinburger Züchterpfad: Dieser Rundweg durch die Stadt verbinde zehn bedeutende Standorte der Saatzuchthistorie. Und perspektivisch plane die Interessengemeinschaft, die sich 2017 gebildet habe, in Zusammenarbeit mit dem Ökogarten ein Erlebniszentrum Umwelt und Saatgut.

Bei dem Vorhaben, historische Grabstätten auf dem Zentralfriedhof wieder sichtbar zu machen, gab es auch vereinzelt private Unterstützung: Wie Roland Wenzel berichtet, hätten für vier solcher Anlagen Privatpersonen Nutzungsrechte erworben und die Denkmale auf eigene Kosten restaurieren lassen.

Frank Ruch bedankte sich für die Initiative, sich bei der weiteren Gestaltung der denkmalgeschützten Anlage an deren historischem Bild zu orientieren und Besonderheiten herauszustellen, bei Ronald Wenzel und Katharina Baumgart. Und ebenso bei der IG Saatguttradition für deren Initiative, auf die Grabmäler der Saatzüchter hinzu weisen. Dem Informationssystem auf dem Zentralfriedhof fügt der Oberbürgermeister dann noch einen weiteren Baustein hinzu: Direkt am Soldatenfriedhof, der nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges angelegt wurde und auf dem auch während des Zweiten Weltkrieges Soldaten bestattet wurden, stellte er, unterstützt durch Friedhofsgärtner René Mansfeld, eine Informationstafel auf. (mz)