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"Das Tagebuch des Leutnants Nilius" "Das Tagebuch des Leutnants Nilius": Gedrucktes Mahnmal gegen den Krieg

29.12.2014, 14:39
Die Erinnerungen Kurt Nilius’ sind in Buchform erschienen.
Die Erinnerungen Kurt Nilius’ sind in Buchform erschienen. Verlag Lizenz

Wegeleben/Thale - Der Buchautor Oliver Kock kennt weder Thale noch Wegeleben. Eine Bindung zum Harz hat er dennoch. 221 Seiten ist sie stark. „Das Tagebuch des Leutnants Nilius“ ist vor etwa einem Jahr im Verlag Veit Scherzer, damals noch Scherzers Militaer-Verlag, erschienen. Es handelt von den Erlebnissen des Reserve-Leutnants Kurt Nilius im Ersten Weltkrieg. Und der lebte erst in Wegeleben und später in Thale, war Rektor der Mittelschule und hatte eine Tochter - Gisela. Die wiederum verschlug es einst ins nordrhein-westfälische Ahaus, wo Kock seine Brötchen als Schreiner verdient. Der heute 40-Jährige hat aber nicht nur eine Vorliebe für Holz, sondern auch ein Faible für Militärgeschichte.

Es war ein „riesengroßes Bild“ in der Wohnung seiner damaligen Auftraggeberin Gisela Nilius, das Kocks Aufmerksamkeit erregte. Es zeigte ihren Vater, einen Soldaten. Beide kamen ins Gespräch - und der Schreiner erfuhr von alten Aufzeichnungen. Einige Jahre nach dem Krieg schrieb Kurt Nilius - basierend auf früheren Notizen - nämlich nieder, was ihm als junger Mann widerfahren war, und zwar „genau so, als hätte er es bereits 1918 geschrieben“; angefangen von der freiwilligen Meldung, über die Ausbildung, den Kriegsalltag, die Novemberrevolution, bis hin zur Demobilisierung. Dazu verwandte er auch mehr als 200 erhalten gebliebene Feldpostbriefe und Postkarten. Gisela Nilius vertraute Kock das Tagebuch an.

Inzwischen sind drei Publikationen von Oliver Kock auf dem Markt: „Meine speziellen Erlebnisse aus dem Feldzug gegen Frankreich 1870/71“, nach Schilderungen von Louis Kempter, „Das Tagebuch des Leutnants Nilius. Ostern 1916 bis 31. Dezember 1918“ und „Die Brandfackel des Krieges leuchtet durch die Nacht“, Aufzeichnungen vom Frontalltag in den Vogesen und vor Verdun, 1914 bis 1918.

Weitere Projekte seien in Planung, so Oliver Kock, der Hobbymilitärhistoriker und aktives Mitglied der Reservistenkameradschaft.

Weitere Informationen zu dem Buch im Netz auf der Verlagswebsite www.verlag-scherzer.de.

„Es ist unheimlich schön aufgemacht und mit vielen Fotos gespickt“, sagt er. Noch heute, Jahre, nachdem er das Buch zum ersten Mal in den Händen gehalten hat, gerät er darüber ins Schwärmen. Doch seinerzeit gab es ein Problem: die Schrift. Sütterlin. „Ich konnte sie nicht lesen.“ Kock bemühte das Internet und entzifferte schließlich Seite für Seite. Alles in allem 500. Die Schilderungen fesselten ihn, weil sie einen so einmaligen Einblick in das Leben der Soldaten im Schützengraben gewähren, weil sie „frei von der Leber weg geschrieben sind“ und weil sie den Zwiespalt zwischen Patriotismus und Verzweiflung aufzeigen. Zum Beispiel dann, wenn „die Büchse Fleisch auf einmal wichtiger wird als ein Orden; oder endlich wieder Post von der Mama kommt. Da merkt man, dass er erst 17 - zum Ende hin 18 - ist, auch wenn er sich als großer Kämpfer gibt.“

Im Einvernehmen beschlossen Kock und Gisela Nilius das Tagebuch zu veröffentlichen - „als Mahnmal gegen den Krieg“. Dabei waren die persönlichen Zeilen nie dafür vorgesehen. Wie Kock sagt, habe Kurt Nilius festgelegt, dass seine Aufzeichnungen von Generation zu Generation weitergereicht werden sollten. Immer an den oder die Erstgeborene(n). Zum 21. Geburtstag. „Doch Gisela Nilius war die letzte“, so Kock, der zu dem Zeitpunkt bereits ein Buch geschrieben hatte und auch Nilius’ Material druckreif aufarbeitete, ohne sich dabei zu weit vom Original zu entfernen.

Leider habe die Tochter des ehemaligen Leutnants die Veröffentlichung des väterlichen Tagebuchs nicht mehr erlebt - die Erinnerungen durch die Weitergabe aber für die Nachwelt gerettet. Und Kock? Der arbeitet nicht nur an neuen Buchprojekten. Auch Gisela Nilius’ Heimatstadt Thale will er bei Gelegenheit einen Besuch abstatten. „Sie hat mir so viel erzählt.“

(mz/tho)