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Begegnung der grünen Art

Von UWE KRAUS 21.06.2010, 15:30

THALE/MZ. - Klaus Seiffert inszenierte und choreographierte mit flotter Hand das skurrile Brachialwerk mit sadistischem Dentisten, blutrünstiger Monster-Primel und menschlichen Düngerstäbchen. Eigentlich beginnt alles so blumig. In der Skid Row, einer heruntergekommenen New Yorker Gegend, steht "Mushniks Blumenladen". Weil sich hierher keine zahlungskräftigen Käufer verirren, will dessen Inhaber (Arnold Hofheinz) die Rollos für immer runterlassen. Da naht Rettung in Gestalt seines etwas tölpeligen Angestellten Seymour. Der hat in der hintersten Gewächshausecke eine ungewöhnliche Pflanze geklont. Er nennt sie nach seiner Kollegin und Frau seiner Träume "Audrey Zwo". Seit sie in die Auslage gerückt wurde, boomt das Geschäft auch mit Rosen, Astern und Nelken. Die Welle der Medienmonster scheint den einst erfolglosen Blumenladen zu überrollen. Seymour wächst neben seiner wuchernden Schöpfung zum botanischen Superstar.

Getrieben von eigener Schöpfung

Markus Manig beginnt als ziemlich vertrottelter Typ mit dicker Brille und verschnittenen Klamotten. Sein Seymour wirkt naiv-blauäugig und voller Tragikomik. Zu einem schönen Moment gestaltet sich sein Familien-Duett mit Arnold Hofheinz. In seiner Not, Fresserchen fürs Super-Blümchen herbeizuschaffen, wandelt er sich zum von seiner Schöpfung Getriebenen, der seinen Zahnarzt zerlegt und filetiert ins Fleisch fressende Grünmaul schiebt. Jenem schmierigen lachgasabhängigen Sadisten mit der Lizenz zum Bohren, Orin, gibt Benedikt Florian Schörnig in fransigem Lederoutfit und mit Elvis-Frisur sehr glaubhaft Gestalt. Audrey schwingt sich devot bis ins Detail auf dessen Simson-Habicht, obwohl er sie mit Handschellen, Veilchen und verletztem Arm in den Blumenladen schickt. Dort findet er sein wenig florales und von seiner Liebsten nicht beweintes Ende. In der Rolle der Audrey kann Schauspielerin Julia Siebenschuh beweisen, dass sie durchaus stimmlich zu punkten vermag. Etwas an Marilyn Monroe angelehnt, hängt sie ihren Träumen nach. Sie stöckelt auf der Bühne, beklagt die Situation und wünscht sich ein bescheidenes Stückchen vom Glückskeks dieser Welt. Das wirkt anrührend und vielleicht etwas weltentrückt, doch durchaus glaubwürdig. Dank der Statisterie wirkt die Szenerie im ärmlichen Stadtteil Lower Eastside sehr lebendig. Jörg Vogel obliegt es, immer wieder komische Akzente zu setzen, indem er sich vom Penner bis zur exaltierten Verleger-Gattin durch das gruselige Unternehmen spielt, ohne Lebendfutter für Audrey II. zu werden. Diese erst zarte Pflanze wuchert sich zunehmend hungrig schaufensterfüllend durch den Laden. Mario Mariano gibt ihr die Stimme, Bertram Beier führt die Puppe, bei der man gerne wüsste, wo sie Ausstatter Kaspar Haessig hat schöpfen lassen.

Grüner Daumen nach oben

Musikalisch begleitet wird das temporeiche Spiel unter Leitung von Symeon Ioannidis von Andreas Hörnig, Christian Fischer und Michael Rossol mit einer unterhaltsamen Mixtur aus Rock 'n' Roll, Popballade und weichgespülten Melodien. Sie sitzen quasi in einem Nebenhaus von Mushiks Blumenladen, verfolgen das Geschehen und geben den Background-Girls den Notenteppich.

In wandelnden Kostümen vornehmlich der 60er Jahre kommentieren zumeist im ausgewogenen stimmlichen Dreiklang und zunehmend geschäftstüchtiger Anna Stijohann (Crystal), Tamara Bauer (Chiffon) und Jenny Winkler (Ronette) das gruselige Geschehen. Für diese Freiluft-Inszenierung heißt es: Grünen Daumen nach oben.