1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Angebot im Harz: Angebot im Harz: Mosterei auf Rädern

EIL

Angebot im Harz Angebot im Harz: Mosterei auf Rädern

Von Petra Korn 22.08.2014, 19:04
Daniel Fidelak befüllt die Fruchtpresse der mobilen Mosterei.
Daniel Fidelak befüllt die Fruchtpresse der mobilen Mosterei. Chris Wohlfeld Lizenz

Rieder - Rein äußerlich ist der etwa fünf Meter lange, gut zwei Meter breite und knapp drei Meter hohe Edelstahl-Anhänger eher unscheinbar. Doch er hat es in sich: In dem metallenen Kasten steckt eine komplette Mosterei. Mit dieser mobilen Anlage kann Obst überall verarbeitet werden, wo es einen Wasser- und einen Stromanschluss gibt. „Wir sind schon längere Zeit selbstständig tätig mit Haushaltsgeräten und einem Elektroservice. Die Mosterei soll unser zweites Standbein werden“, sagt Cathrin Fiedelak. Ihr Mann Daniel und sie verfolgen die Projekte gemeinsam. „Wir sind ein richtiges Familienunternehmen.“ Zwei Mal wurde mit der vor wenigen Wochen erworbenen Anlage bislang gepresst. „Und ich staune, wo der Saft schon überall gelandet ist“, berichtet die junge Frau schmunzelnd.

Als Most wird laut Wikipedia ein durch Pressen gewonnener Fruchtsaft bezeichnet. Je nach Gegend kann das auch bereits vergorener Fruchtsaft sein. Zeitzeugnissen zufolge soll der Most schon bei den Kelten bekannt gewesen sein - als Obstwein, der zur Verdauungsförderung getrunken wurde. Fruchtsaft ist laut Wikipedia ein aus einer oder mehreren Fruchtarten gewonnenes Erzeugnis. Dabei muss der Fruchtgehalt 100 Prozent betragen.

Die Idee einer Mosterei hat die junge Familie schon länger. Früher, sagt Cathrin Fiedelak, war es gang und gäbe, sein Obst auch zum Verarbeiten zu bringen. In Süddeutschland gebe es überall noch Mostereien. „Hier ist das leider eingeschlafen, obwohl es hier riesige Obstplantagen gibt.

Die beiden letzten Mostereien, von denen wir wissen, waren in Thale und Blankenburg und sind altersbedingt aufgegeben worden. Wir möchten das ein bisschen wiederbeleben. Und die Nachfrage ist da, was wir so gehört haben“, sagte die junge Frau, deren Onkel schon seit längerem in der Colbitz-Letzlinger Heide ein ähnliches Projekt betreibt. „Wir haben schon Anfragen von Kleingartensparten aus Halberstadt und Rieder.“

Von vornherein stand für Cathrin und Daniel Fiedelak fest, dass sie eine mobile Anlage wollten. Sie suchten lange und fanden schließlich eine drei Jahre alte Mosterei, die in Österreich zum Verkauf stand. „Neu kann man so etwas nicht bezahlen“, sagt die junge Frau. Für das Bedienen der Anlage gab es eine Schulung; das Wissen rund um geeignete Obst-Sorten hat sich die Familie selbst angeeignet.

Saisonbedingt werden Äpfel verarbeitet. Diese kommen zunächst in die Waschwanne, der ständig frisches Wasser zugeführt wird. Das gereinigte Obst gelangt per Schneckenradprinzip in die Rätzmühle, wo es zerkleinert wird. „In fingernagelgroße Stücke, wirklich ganz klein“, beschreibt Cathrin Fiedelak. Die Obststücke fallen durch einen Trichter auf die Bandpresse, wo verschiedene Walzen auch den letzten Tropfen Saft aus ihnen herausholen. Der Saft wird in einer Wanne aufgefangen, abgepumpt, gefiltert und in zwei je 220 Liter fassende Edelstahltanks gepumpt. In einem Durchlauferhitzer wird der Most auf knapp 80 Grad erhitzt und so haltbar gemacht, ehe er in der Abfüllstation in fünf Liter fassende, vakuumdichte Beutel fließt. In den Beuteln, die über einen Zapfhahn verfügen und in Kartons verpackt werden, hält sich der Saft ungeöffnet ein Jahr und geöffnet drei Monate. „Er ist aus reinem Obst. Da wird nichts dazu gegeben, kein Wasser, kein Fruchtzucker, keine Enzyme. Und wir lassen ihn auch naturtrüb. Da sind dann Stoffe enthalten, die Darmkrebs vorbeugen“, sagt Cathrin Fiedelak.

Die Anlage wird vor und nach jedem Mosten gereinigt. „Jeweils zwei Stunden gehen dafür schon drauf“, weiß die junge Frau. Auch deshalb sollte einiges Obst vorhanden sein, ehe die Mosterei, mit der 750 Kilogramm Äpfel pro Stunde zu knapp 500 Litern Saft verarbeitet werden können, in Betrieb genommen wird.

Wo Strom und Wasser vorhanden sind, kann das Mosten gleich vor Ort erfolgen. Ansonsten planen die Fiedelaks, Termine anzubieten, bei denen Interessenten vom Kleingärtner bis zum Plantagenbesitzer mit ihrem Obst nach Rieder kommen und ihren Saft dann gleich mitnehmen können. „Mitmachen ist erwünscht. Man kann die Äpfel mit hineinschütten oder beim Verpacken helfen“, sagt Cathrin Fiedelak. Die Anlage lasse sich so steuern, dass jeder tatsächlich den Saft von seinem Obst bekomme. Wenn dieser nicht erhitzt wird, weil daraus Wein werden soll - auch das sei möglich.

Ursprünglich hatte die Familie an eine reine Lohmosterei gedacht. Inzwischen hat sie sich entschieden, auch Saft zu verkaufen. „Das kommt so gut an, und es hat nicht jeder Obst“, sagt Cathrin Fiedelak. Die Früchte für die Herstellung werden in der Region gekauft. In diesem Jahr sollen Äpfel und Birnen verarbeitet werden, im nächsten dann allerdings auch Sauerkirschen, wofür aber noch ein Gerät zum Entsteinen dringend benötigt wird, meinten Cathrin und Daniel Fiedelak. (mz)

Chrissi Wolf und Cathrin Fidelak (r.) füllen Apfelsaft ab.
Chrissi Wolf und Cathrin Fidelak (r.) füllen Apfelsaft ab.
Chris Wohlfeld Lizenz