Am Frauenschuh sind erste Blütenträume zu betrachten
Quedlinburg/MZ. - Zwischen 20 000 und 30 000 steril vermehrte Pflanzen, vor allem Orchideen, verlassen derzeit alle 14 Tage die Lindenstraße 8 in Quedlinburg. Dort hat, von außen kaum zu erahnen, die Firma "In Vitro Plant Service" von Dieter Schmidt ihren Sitz. Im Keller und auf zwei Etagen arbeiten er und zehn Mitarbeiterinnen an der Vermehrung von Pflanzen, hauptsächlich Orchideen und darunter vor allem von Phalaenopsis, Die auch als Schmetterlingsorchideen bezeichneten Pflanzen gibt es in vielen verschiedenen Farben. Die sterile Vermehrung im Labor gewährleistet gutes Pflanzmaterial und große Stückzahlen. Großkunden bestellen denn in Quedlinburg auch 100 000 und mehr. Die Sämlinge brauchen aber bis zur Auslieferung mindestens ein Jahr, oft auch anderthalb Jahre.
Als Dieter Schmidt, der vor 1990 bei der Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft (GPG) schon auf diesem Gebiet arbeitete, sich selbständig machte, wollte er sich eigentlich nur der Pflanzenvermehrung im Labor widmen. Gewächshäuser oder Freiluftanlagen überstiegen seine Möglichkeiten. Doch angesichts der Konkurrenz und der Umorientierung eines Großkunden hat er vor etwa drei Jahren doch mit Freilandversuchen begonnen. Dazu wurde auch eine Freifläche unterhalb des Galgenbergs angemietet. Ziel ist, eine Frauenschuh-Orchidee zu kreieren, die kostengünstig und winterhart Gärtnereien und weiteren Kunden angeboten werden kann.
In das Projekt sind drei Firmen einbezogen, neben der von Dieter Schmidt auch Betriebe aus Stuttgart und Rhede, unweit von Münster. Mit dabei ist auch die Humboldt-Universität Berlin, die mit mehreren Leuten unter Leitung von Dr. Kurt Zoglauer das Forschungsprojekt unterstützt. Alle halbe Jahr findet ein Projekttreffen statt - in diesen Tagen in Quedlinburg. Dabei werden die Ergebnisse ausgetauscht und weitere Schritte festgelegt. "Normalerweise braucht es fünf bis sechs Jahre von der Aussaat bis klar ist, ob sich der Aufwand gelohnt hat", erklärt Diplom-Biologe Schmidt. Er hat bereits nach drei Jahren eine Blüte präsentieren können. Jetzt sind zwei Pflanzen mit zwei Blüten zu sehen. Bis zu fünf Blüten könnten es sein. "Dann ist es eine Pflanze, die sich sehen lassen kann und hoffentlich Interessenten findet", sagt er.
Noch wird mit anderen Pflanzen das Geld verdient. Neben der sterilen Vermehrung von Orchideen haben Dieter Schmidt und seine Mitarbeiterinnen auch schon Aquariumpflanzen und Stauden im Labor vermehrt. Gerade im Stadium von wenigen Zentimetern Größe ist die Vermehrung von Paulownia. Dieser bläulich blühende Baum aus China kann zu einem guten Preis verkauft werden. Ein Bauer aus Sachsen-Anhalt hat den Auftrag in Quedlinburg ausgelöst, da er über die Laborvermehrung deutlich weniger investieren muss, um größere Stückzahlen zu erhalten.
Im Internet stellt "In Vitro Plant Service" seine Angebote vor. Darüber ist auch ein Auftrag aus Österreich reingekommen. Der Kunde, ein Produzent von Pflanzenfarbstoffen, möchte Holunder im Labor vermehrt haben. "Werbung brauche ich sonst nicht zu machen, vieles läuft über persönliche Kontakte", betont Dieter Schmidt. Der Konkurrenzdruck ist trotzdem groß, denn sterile Laborvermehrung von Orchideen und anderen Pflanzen wird an vielen Standorten in der Welt vorgenommen. Da muss sich der Quedlinburger der Globalisierung stellen. Die vollen Aufzuchträume, wo die Sämlinge in gut verschlossenen Plastikschälchen reifen, zeigen, dass es bisher gelungen ist.