Aegidiikirche in Quedlinburg Aegidiikirche in Quedlinburg: Der Kelch aus New York

Quedlinburg - Der Kelch ist aus Silber und reich verziert. Eigentlich stammt er aus Quedlinburg, doch er hat eine lange Reise hinter sich: Aufgetaucht ist er vor wenigen Jahren in der amerikanischen Millionenstadt New York. Dort fand ihn Kurt Zimmerling aus Bad Schwartau, als er in New York für einige Zeit arbeitete, auf einem Flohmarkt. Die in der Inschrift enthaltenden Worte St. Aegidii und Quedlinburg ließen den Deutschen stutzen - und dann den Kelch für 100 Dollar erwerben.
Von Zimmerling gelangte der Becher in die Hände von Elke Kern, deren Mutter in Quedlinburg lebt. Sie wiederum brachte ihn zu Joachim Wolf, damals Pfarrer in der Marktkirche. Dort blieb der Becher unentdeckt in einem Safe - bis dieser sich öffnete und der Förderkreis St. Aegidii vor ein paar Tagen erstmals einen Blick auf das Schmuckstück werfen konnte.
Felix-Michael Vatterodt vom Förderkreis St. Aegidii hatte vom Ehepaar Gebhardt/Kern, das Quedlinburg und die Aegidiikirche vor kurzem besuchte, von dem Kelch erfahren - bei einer Führung durch das Gotteshaus hörte er von ihnen die Geschichte. Mitglieder des Förderkreises sprachen daraufhin Pfarrer Wolf an. „Sollte der Kelch zu den liturgischen Gegenstände gehören, die laut einer Liste sich einst in St. Aegidii befanden?“, überlegte Felix-Michael Vatterodt. Joachim Wolf öffnete für die Förderkreismitglieder den Tresor in der Sakristei der Marktkirche. Der Kelch erwies sich dann zwar als sehr interessantes Stück, doch nicht als ein Teil der nach St. Aegidii gehörenden Gegenstände.
Dank einer Aufschrift kann der Becher genau zugeordnet werden. Danach erhielt ihn Pfarrer Friedrich Albert Gerhard Becker 1829 als Dank für 25 Jahre Seelsorge von den Mitgliedern der St.-Aegidii-Gemeinde. Friedrich Becker war von 1804 bis zu seinem Tod 1843 Pfarrer an der Aegidiikirche. „Trotz dieser nicht ganz befriedigenden Geschichte, wenn es um die Gegenstände des Gotteshauses geht, ist der ganze Vorgang doch für die Förderkreismitglieder sehr interessant. „Wie kam der Kelch nach New York? Keine Ahnung“, gesteht Felix-Michael Vatterodt, der gern mehr wissen möchte. In den Kirchenunterlagen gebe es keine Hinweise auf diesen Kelch und wie er in die Vereinigten Staaten gelangen konnte.
Ältester Kelch stammt aus dem Jahr 1666
Insgesamt haben Förderkreismitglieder zwölf liturgische Gegenstände aus Kirchenunterlagen aufgelistet, die einst zu St. Aegidii gehörten. Dazu zählen fünf Abendmahlskelche und ein Krankenabendmalskelch von 1716. Der älteste Kelch stammt aus dem Jahr 1666. Von den Stücken der Aegidiikirche sind weiterhin drei Patenen für die Hostien, Teller für die Oblaten für das Abendmahl, eine Taufschale und eine Taufkanne zu nennen.
„Diese liturgischen Gegenstände sind höchstwahrscheinlich nach Auflösung der Aegidiigemeinde in andere Gotteshäuser gebracht worden“ - davon geht Gerhard Schwenk vom Förderkreis aus. Dort müssten sie noch in den Tresoren der jeweiligen Sakristei, dem Vorbereitungsraum des Pfarrers zum Gottesdienst, aufbewahrt werden. Der letzte Pfarrer der Aegidiikirche, Werner Rennecke, trat 1978 in den Ruhestand. Ein Jahr später wurde die Gemeinde aufgelöst, und die Mitglieder gingen zur Markt- und Nikolaigemeinde über.
„Wir sind auf der Suche und werden uns darum kümmern“, sagt Vatterodt. Er kann sich vorstellen, dann eine Ausstellung mit den liturgischen Gegenständen in St. Aegidii zu gestalten. Dafür bestehen verschiedene Möglichkeiten: Sowohl die Empore als auch die Sakristei sollen noch in diesem Jahr instand gesetzt werden, so dass sie wieder genutzt werden können. (mz)
