50 Jahre Meister und 50 Jahre privat
Westerhausen/MZ. - Als er 1948 die Volksschule in Blankenburg verließ, sein Vater war drei Jahre zuvor im Krieg gefallen, lernte er Bäcker. "Aber eigentlich wollte ich Rundfunkmechaniker werden", sagt Herbert Koch.
Doch die Zeit nach dem Krieg war hart, die Versorgung schlecht, vieles gab es nur auf Bezugsschein. Da riet ihm der Sohn seines künftigen Lehrmeisters, doch Bäcker zu lernen. "Weil ich jeden Tag dann frische, dunkle Brötchen hatte und sonnabends gab es dann ein Brot, das auf dem Schwarzmarkt eigentlich 40 Mark kostete", erinnert sich Koch, der nach einem Vierteljahr "das erste Mal die Nase von der Lehre voll hatte", aber dann doch weiter gemacht hat. Allerdings lernte er anfangs weniger das Bäckerhandwerk, vielmehr musste er sich um die zehn bis zwölf Schweine seines Chefs kümmern. "Da habe ich mehr über Schweinezucht gelernt", erzählt Koch mit einem Lächeln. Dann hatte er nur ein Ziel vor den Augen - sich selbständig zu machen. Dafür brauchte er aber mehr Grundwissen als das, was er sich bisher angeeignet hatte. So arbeitete Koch ein Jahr in einer der führenden Bäckereien in Blankenburg, wechselte für ein Jahr in einen meisterlosen Betrieb in Harzgerode, ging wieder zurück in die Bäckerei seines Heimatortes, um sich der Konditorei zu widmen.
Zwischenzeitlich hatte er 1955 seine jetzige Frau Elfriede (70) kennen gelernt, die aus dem brandenburgischen Kloster Lehnin stammt. "Damals hatte meine 13 Jahre ältere Schwester in Blankenburg in einer Fleischerei gearbeitet. Und irgendwann habe ich dann Herbert getroffen", erzählt Elfriede Koch. Beide haben am 26. Oktober 1957 standesamtlich heiratet - zwei Wochen nachdem er seine Meisterschule beendet hatte. Mitte November des gleichen Jahres pachteten die Kochs ihre erste private Bäckerei. 1964 kam das einzige Kind, Sohn Michael, zur Welt. Im Frühjahr 1966 kauften Kochs in der Planstraße in Westerhausen ihre eigene Bäckerei, bauten sie aus und eröffneten im September das Geschäft. Bis 1974 lief es gut mit der Selbständigkeit, "bis die Herren von der PGH kamen", wie sich Herbert Koch ungern erinnert. "Das passte denen nicht, dass wir privat sind. Mit acht Mann sind die vom Rat des Kreises gekommen und haben uns die Pistole auf die Brust gesetzt. Und wir mussten dann mitmachen", weiß Elfriede Koch noch. Letztendlich haben sie einen "Freiwilligenzutritt" zur PGH unterschrieben.
Dann kam die Wende und Kochs traten 1990 aus der PGH aus und haben sich sofort wieder selbständig gemacht. Mit dem 1. Januar 1993 übernahm Sohn Michael das Geschäft, weil sein Vater mit gesundheitlichen Problem zu kämpfen hatte. "Aber eigentlich sollte unser Sohn lieber in der Kfz-Branche arbeiten, weil er sich dafür interessierte", so seine Mutter. Letztendlich hatte sich Michael doch für den Bäckerberuf entschieden. Und seine Eltern sind im Nachhinein froh darüber. Der Senior hatte eigentlich nie richtig aufgehört, für das Familienunternehmen zu arbeiten. Hier und da mal helfen, Lieferungen ausfahren oder den Kontakt zu den Kunden halten - das war sein Beitrag. Im Oktober 2000 hatte Herbert Koch viel Pech, als er während eines Kreislaufzusammenbruchs vom Bürgersteig auf die Straße stürzte und sich den rechten Arm und die Schulter brach. "Die wenigen Zentimeter vom Bordstein haben gereicht, um mich kampfunfähig zu machen", erzählt Koch. Bei vier Operationen, darunter auch in einer Hamburger Spezialklinik, wurden ihm drei neue Gelenke eingesetzt. Die Genesung dauerte sehr lange, die Folgen ließen ihm nur eingeschränkte Bewegungen zu.
Sechs Jahre später und fast auf den Tag genau passierte Herbert Koch wieder ein Sturz vom Bürgersteig, er brach sich die linke Schulter und den Oberschenkel, so dass er sich heute nur mittels einer Gehhilfe fortbewegen kann. Und der mühsame Aufstieg über die Treppe hinauf in die Wohnung wird nun mit einem Treppenlift bewältigt.
Die Selbständigkeit kostet Familie Koch viel Kraft und ist ein tagtäglicher Kampf ums Überleben, weil in den Märkten Produkte aus der Massenproduktion ihre Käufer finden. Doch ist der Gründer des Familienunternehmens optimistisch, dass es weiter gut läuft. Denn auch sein Enkel Tobias tritt in die Fußstapfen seiner Großvaters und lernt im zweiten Jahr den Bäckerberuf, um dann irgendwann den Betrieb in der dritten Generation weiterführen zu können.