Zündstoff am Breitengrad 51
Freyburg. - Und man kann ein bisschen den Kenner herauskehren, von der exponierten Steillage schwärmen oder vom Muschelkalk, der den Wein prägt. Allerdings: Der Müller-Thurgau vom Schweigen kann durchaus woanders gewachsen sein, auf dem Buntsandstein am Vitzenburger Schlossberg etwa. Freyburger Schweigenberg nämlich bezeichnet eine Großlage. Von denen gibt es vier im Anbaugebiet - Naumburger Göttersitz, Großjenaer Blütengrund und der Höhnstedter Kelterberg sind die anderen. Unter den Winzern gibt es einige, die Großlagen nicht für zeitgemäß halten.
35 Einzellagen im Anbaugebiet
Zur Generalversammlung des Weinbauverbandes Saale-Unstrut im Freyburger Schützenhaus am Sonnabend wurde das sehr kontrovers diskutiert. Man könne sich durchaus darüber streiten, ob der Verbraucher mit der Großlage getäuscht wird, räumte Siegfried Boy, der Weinbaupräsident von Saale-Unstrut, ein. Matthias Hey, der 3,5 Hektar in Steillagen bei Roßbach bewirtschaftet, forderte im Namen von acht Winzern die Abschaffung der Großlagen. Auf dem Etikett, so Hey, solle nur noch der Name einer Einzellage stehen dürfen. 35 Einzellagen gibt es im Weinbaugebiet. Pfortenser Köppelberg, Gosecker Dechantenberg, Freyburger Herrenberg, Karsdorfer Hohe Gräte gehören zu den bekanntesten.
Vor allem in der Freyburger Winzervereinigung trifft Heys Vorstoß auf entschiedenen Widerspruch. Er stehe im Gegensatz zu den Interessen der 480 Genossenschaftswinzer, erklärte Geschäftsführer Gerald Lange kategorisch. Zur Genossenschaft gehören viele Nebenerwerbswinzer, die an verstreuten Standorten mitunter sehr kleine Flächen bewirtschaften. Diese lassen sich schwer unter einer Einzellage vermarkten. Ein Vertreter aus dem Bereich der Mansfelder Seen erklärte mit Nachdruck, auf die Großlage Höhnstedter Kelterberg könne man nicht verzichten.
Jetziger Status gesetzlich verankert
Wer die Großlagen abschaffen wolle, verkenne die Gesetzeslage, so Lange. Die könne nur im Einvernehmen mit allen Winzern geändert werden. Eine einzige Gegenstimme würde das Vorhaben scheitern lassen. Es bleibe ja im Übrigen jedem freigestellt, auf dem Etikett mit der Einzellage zu werben, hält Lange dem Vorstoß entgegen.
Für André Gussek vom gleichnamigen Winzerhof, Mitglied im Verbandsvorstand, wäre die Beschränkung auf die Einzellage ein Stück Gerechtigkeit. Winzern, die auf Rebterrassen "den Buckel krumm machen", werden um ein Stück Lohn ihrer Mühe gebracht, wenn Bezeichnungen, die Steillagen assoziieren, auch anderen offen stehen, so Gussek vor der Presse.
Verein mit hohem Anspruch
Die Gliederung der Lagen an Saale-Unstrut sei zudem Anfang der 90er Jahre überstürzt erfolgt. Auch die Einzellagen seien sehr differenziert, wiesen sowohl Steillagen als auch ebene Flächen auf. Mit der Änderung der EU-Weinmarktordnung sieht Gussek Gelegenheit, das noch einmal anzufassen.
Hey will die Bezeichnung von Einzellagen zudem an bestimmte Qualitätsparameter binden. "Das wird zeigen, was Saale-Unstrut leisten kann", erklärte er. Die Winzer, für die er sprach, haben sich im Verein "Breitengrad 51" zusammengeschlossen und wollen unter diesem Label Weine mit hohem Qualitätsanspruch produzieren. "Wir laden alle Winzer ein, sich zu beteiligen", sagte Hey.