Wenzel vom 24. Februar Wenzel vom 24. Februar: Unappetitliches Thema

Freyburg - Sein neues Album hat einen langen Namen. „Hatte ich dich nicht gebeten im Auto zu warten“, heißt es. Mit seinem Werk geht der Hamburger Michy Reincke auf Tour und kommt am 29. März auch in das Kellertheater der Rotkäppchen-Sektkellerei nach Freyburg. Mit dem 54-jährigen Musiker sprach Constanze Matthes.
Kennen Sie Freyburg, waren Sie schon einmal in der Gegend?
Michy Reincke:Nein, hier war ich noch nicht. Ich kenne natürlich einige Ecken in Thüringen, war schon in Erfurt und Weimar, das sind wunderschöne Städte. Sachsen-Anhalt ist mir natürlich auch bekannt. In Magdeburg kommen immer wieder unwahrscheinlich viele Leute in mein Konzert.
Sie bringen Ihr neues Album mit. Erzählen Sie uns etwas darüber!
Reincke: Es ist das vierte Album innerhalb von viereinhalb Jahren. Das soll signalisieren, ich bin sehr fleißig. Ich bin jetzt über 50, aber habe große Lust anzugreifen. Denn ich empfinde, dass der Grad der Verflachung der deutschen Musikkultur zunimmt. Ich möchte die Leute unterhalten, aber auch mit meinen Themen zum eigenständigen Denken und Handeln anregen.
Warum ist es sehr oft schwer, als talentierter Musiker erfolgreich zu sein und die Aufmerksamkeit von vielen Menschen zu erhalten?
Reincke: Das ist eine sehr gute Frage, die ich mir natürlich auch oft gestellt habe. Aber da ich sie nicht beantworten kann, mache ich so weiter, wie ich vor vielen Jahren angefangen habe. Ich glaube, wenn eine Gesellschaft und Kultur Qualität nicht wirklich definieren und differenzieren kann und nur für die Bewertung Quantität zur Hand nimmt, dann hat sie sich selbst zu einem Roboter gemacht. Das ist eine traurige Erklärung. Lebendiges und Wertvolles wird nicht mehr als das erkannt, weil es dafür im System keinen Platz gibt.
Sie persönlich unterstützen mit Ihrem Plattenlabel und auch mit einer eigenen Veranstaltung junge Talente. Warum ist das für Sie so wichtig?
Reincke: Das ist ein grundlegendes humanistisches Prinzip. Aber da gibt es auch eine Geschichte zu erzählen. Als kleiner Junge fehlten mir für eine Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel in Hamburg zwei Mark. Eine Frau hinter mir in der Schlange gab mir allerdings das Geld und sagte, gib es eines Tages an jenen weiter, der es braucht. Und das habe ich getan. Man ist immer umgeben von Menschen, die einem Türen öffnen und helfen, das zu tun, was man gerne machen will. Und das ist mein einziger Antrieb. Ich finde es wichtig, für eine Kultur einzutreten, die über einen seelischen und geistigen Nutzen verfügt und nicht nur über einen kommerziellen. Ich möchte den Nachwuchs aus meinem Genre und die jungen Kollegen, die nach mir kommen, anregen, viel darüber nachzudenken, Jemand, der nur eine Sache wegen des Geldes macht, macht sie nicht richtig. Nur der geistige und seelische Nutzen macht die Menschen klüger und sensibel.
Woher nehmen Sie Ihre Ideen, und gibt es auch Themen, über die Sie niemals schreiben würden?
Reincke: Die Themen, die mich interessieren, sind nicht unbedingt furchtbar neu. Sie haben soziale Komponenten, beschäftigen sich natürlich auch mit den Schwierigkeiten, eine Beziehung zu führen. Darüber sind zwar schon viele Lieder gesungen worden, aber häufig mit schlichten Angaben. Mein Anliegen ist es, Schubladendenken und Klischees zu meiden und zu zeigen, wie einzigartig unsere Existenz ist. Ich bin ein aufmerksamer Mensch und habe ein großes Interesse an der Seele und dem Geist. Ich lese viel, schreibe mir erlebte Monologe und Dialoge aus der Erinnerung heraus auf. Und das alles fließt ein. Es gibt sicherlich Dinge, über die man schwer singen kann, wie über Menschen, die damit konfrontiert werden, ein Leid gemeinsam ertragen zu müssen. Es ist immer eine Gratwanderung, verständlich zu bleiben und die Dinge zu benennen. Aber es gibt natürlich auch Themen, die ich mir nicht annehme.
Sie bezeichnen sich als Fan von Bob Dylan. Von welchen anderen Musikern werden Sie beeinflusst?
Reincke: Inspiriert haben mich früher meine Cousins und Cousinen, die älter waren als ich und die mich als Kind in den 60er eingeführt haben, die wirklich guten Sachen zu hören. Ich kam so früh in Kontakt mit den Beatles und der Motown-Musik. Ich bin ein großer Fan von Bob Dylan geworden, als ich noch kein Englisch konnte und für mich die Texte übersetzt wurden. Joni Mitchell ist eine wunderbare und sehr intelligente Sängerin, die ich schätze, und ich bin ein großer Fan von Prince. Ich glaube, ich bin der einzige Musiker, der einen seiner Titel ins Deutsche übertragen konnte.
Früher waren Sie Teil einer Band, heute wandeln Sie auf Solopfaden. Trauern Sie der damaligen Zeit hinterher?
Reincke: Nein. Ich war zum Beispiel auch schon verheiratet. Ich denke an diese Zeit nicht mit Wehmut zurück. Wir kennen uns und sind noch befreundet, das gilt sowohl für meine Ex-Frau als auch meine Band. Das ist gelebtes Leben.
Um den Kreis zu schließen und nach Freyburg zurückzukehren: Auf was kann sich das Publikum freuen?
Reincke: Auf ein musikalisches Feuerwerk von extrem gut aussehenden Musikprotagonisten, die so tierische Laune mitbringen, dass die Freyburger vom ersten Song an durchdrehen und beim Lied „Taxi nach Paris“ in Unterwäsche auf den Tisch stehen und tanzen.
Tickets gibt es bei Rotkäppchen unter 034464/3 41 22 oder in der Tageblatt/MZ-Geschäftsstelle, Telefon: 03445/2 30 78 30