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Altenpflege im Burgenlandkreis Wenn die Zeit knapp ist

Drei Pflegerinnen aus dem Luisenhaus in Naumburg erzählen aus ihrem Alltag, den Herausforderungen und den vielen Momenten, die sie glücklich und traurig machen.

Von Anja Falgowski 29.03.2024, 20:15
Stephanie Seidel, Mechthild Schneider und Ilka Voit (v.l.) in der Gedenk-Ecke im Luisenhaus. In dem dicken Buch wird der Verstorbenen gedacht.
Stephanie Seidel, Mechthild Schneider und Ilka Voit (v.l.) in der Gedenk-Ecke im Luisenhaus. In dem dicken Buch wird der Verstorbenen gedacht. (Foto: Torsten Biel)

Naumburg - - Immer mehr Menschen in Deutschland werden pflegebedürftig. Angehörige können diese Aufgabe nur zu einem Teil übernehmen; professionelle Fachkräfte sind stattdessen gefragt. Zu ihnen gehören Stephanie Seidel (33), Mechthild Schneider (56) und Ilka Voit (39). Sie arbeiten im Naumburger Luisenhaus als Pflegekraft beziehungsweise Pflegefachkräfte. Mit ihnen sprachen wir über die Herausforderungen des Alltags, aber auch über beglückende Momente.

Wie läuft ein normaler Arbeitstag bei Ihnen ab?

Ilka Voit: Nehmen wir als Beispiel den Frühdienst. Der beginnt 6.30 Uhr mit der Übergabe vom Nachtdienst. Dann bereiten wir die Medikamentengabe vor, schauen im Dienstbuch nach, was tagsüber anliegt. Arztbesuche, Aufnahme neuer Bewohner, Entlassungen von Bewohnern aus dem Krankenhaus zum Beispiel. Da müssen wir schon abwägen, was zuerst zu tun ist. Welche Bewohner werden wann und von wem gepflegt? Welche Aufgaben stehen an? Dann werden die Bewohner geweckt, wir machen die Grundpflege, Hautbeobachtung, kleiden sie an, wechseln Verbände, verabreichen Medikamente.

Wieviel Zeit haben Sie dafür?

Mechthild Schneider: Für die Grundpflege etwa 20 Minuten. Das ist schon ein Problem: Zwar gibt es Bewohner, die vieles noch selbst machen können – das sollen sie ja auch –, aber wir müssen dann während der Anleitung warten. Es kommt auch vor, dass zum Beispiel Demenzkranke in dem Moment nicht gepflegt werden möchten, dann müssen wir abbrechen und unseren Tagesablauf umstrukturieren.

Wie geht es dann weiter?

Stephanie Seidel: Dann gibt es Frühstück für diejenigen, die das möchten. Manchen Bewohnern muss das Essen gereicht werden. Zu unseren Aufgaben gehört dabei auch, mit den Menschen zu reden und zum Essen und Trinken zu motivieren. Eine Besonderheit im Luisenhaus ist aber, dass die Bewohner nicht unbedingt an den Mahlzeiten teilnehmen müssen; wer ausschlafen möchte, darf das selbstverständlich tun. Das ist auch eine Erleichterung für die Pflegekräfte, weil dann die Grundpflege später gemacht werden kann.

Wie geht es nach dem Frühstück weiter?

Mechthild Schneider: Wird wieder gepflegt, geduscht, versorgt.

Stephanie Seidel: Um zehn Uhr sind unsere Hausveranstaltungen, da begleiten wir die Bewohner hin.

Mechthild Schneider: Wenn wir Glück haben, können wir dann selber Pause machen.

Ilka Voit: Anschließend gibt es Mittagessen, anschließend ruhen die meisten Bewohner, und wir bereiten das Kaffeetrinken vor, räumen auf, und dann übergeben wir an den Spätdienst. Ach ja, die Dokumentationen fehlen noch: Lagerungspläne, Trinkpläne bei Bedarf oder Berichte, wenn etwas Besonderes vorgefallen ist, ein Sturz zum Beispiel.

Stephanie Seidel: Oder Streit unter den Bewohnern, Unruhe bei Dementen...

Für wieviele Bewohner und Gäste in der Kurzzeitpflege ist denn jede von Ihnen zuständig?

Mechthild Schneider: Zwei bis drei Kräfte für 24 bis 30 Bewohner.

Das klingt herausfordernd.

Mechthild Schneider: Wenn alles ganz normal läuft, ist es zu schaffen. Schwierig ist es, wenn jemand ausfällt. Oder ein Bewohner im Sterben liegt. Oder wenn wir es mit Viren zu tun zu haben: Erst infizieren sich die Bewohner, dann die Pflegekräfte. Die müssen dann ersetzt werden. Das zehrt: wenn wir nicht genug Zeit haben, uns selber zu erholen.

Ilka Voit: Und für die eigene Familie dazusein, die gibt es ja auch noch. Dabei ist es wichtig, dass wir mit voller Kraft arbeiten, weil wir das ja mit Herz machen wollen.

Mechthild Schneider: Es kann schnell zur Überforderung kommen: Ich muss als Fachkraft 24 Bewohner überschauen. Muss ich jemanden vertreten, sind es 44. Das ist ein hohes Maß an Verantwortung. Dann können wir manchmal nicht jedem gerecht werden, das belastet uns.

Stephanie Seidel bereitet das Frühstück in einer Wohngruppe im Naumburger Luisenhaus vor.
Stephanie Seidel bereitet das Frühstück in einer Wohngruppe im Naumburger Luisenhaus vor.
(Foto: Torsten Biel)

Sie müssen auch mit dem Thema Tod umgehen.

Ilka Voit: Ja, das verlangt viel von uns ab. Wir müssen ja auch Angehörigengespräche führen, Halt und Trost spenden. Dafür ist nicht jeder gleich geeignet.

Stephanie Seidel: Wir begleiten die Sterbenden, so gut es geht. Halten ihre Hand, sind da, versuchen Schmerzen und Unruhe zu lindern. Wir sind hart im Nehmen, aber wir sind auch nur Menschen. Wir weinen auch manchmal.

Was mögen Sie an Ihrem Beruf?

Stephanie Seidel: Dass ich die letzte, kostbare Zeit der Bewohner schön gestalten kann. Dass ich Hilfe und Trost spenden kann, finde ich sehr erfüllend. Und die Dankbarkeit der Bewohner, auch wenn sie sich manchmal „nur“ mit einem Lächeln zeigt.

Ilka Voit: Es ist mein Traumberuf, war es auch schon immer. Er behinhaltet so viel!

Mechthild Schneider: Ich finde es erfüllend, dass ich gebraucht werde. Dass ich Menschen helfen, dass ich ihren Alltag verbessern kann oder ihre Schmerzen lindern.

Auch in Ihrem Beruf gibt es einen Mangel an Nachwuchs. Liegt es am Geld?

Mechthild Schneider: Nein, Geld ist nicht unser Problem. Sondern die fehlende Zeit, um den eigenen Ansprüchen und den Wünschen der Bewohner gerecht zu werden.