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Rückblick Startschuss um 11.19 Uhr: Naumburger Straßenbahn seit 15 Jahren im täglichen Linienbetrieb

Wie die beiden Geschäftsführer die Entwicklung seither bewerten.

Von Albrecht Günther 31.03.2022, 09:40
Die Straßenbahn startet an der Endstelle auf dem Aachener Platz zur Fahrt in die Innenstadt. Vor 15 Jahren nahm sie den Linienbetrieb auf.
Die Straßenbahn startet an der Endstelle auf dem Aachener Platz zur Fahrt in die Innenstadt. Vor 15 Jahren nahm sie den Linienbetrieb auf. (Foto: Olaf Döring)

Naumburg - Die Diskussion der Tageblatt/MZ-Leser war intensiv, inhaltsstark und umfassend: Auf welcher Strecke soll die Naumburger Straßenbahn künftig fahren? Dabei lohnt auch ein Blick zurück, denn vor 15 Jahren, am 30. März 2007, nahm die „Ille“ ihren täglichen Linienbetrieb wieder auf. Damit schuf sie die Basis für eben jene Zukunftsdiskussion.

Um genau 11.19 Uhr schickten damals Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre, Landrat Harri Reiche, Oberbürgermeister Bernward Küper und weitere geladene Gäste die erste Linienbahn ab der Haltestelle „Poststraße/Postring“ auf die Strecke. Seither steht die Naumburger Straßenbahn jeden Tag nach Fahrplan in Betrieb - mit historischen Wagen.

Zuvor nur an einzelnen Tagen

Vorher war während 16 Jahren nur ein Betrieb an einzelnen Tagen im Jahr möglich. Und auch in den vergangenen 15 Jahren war es nicht immer einfach, den täglichen Betrieb jeden Tag nahtlos fortzuführen, wie sich die beiden Geschäftsführer der Straßenbahn GmbH, Andreas Plehn und Andreas Messerli, in einer gemeinsamen Pressemitteilung erinnern.

So wurde die Finanzierung der ungedeckten Betriebskosten zum Start aus privaten Mitteln geplant. Im Juni 2006 hatte die Naumburger Straßenbahn GmbH dafür eine Spendenaktion lanciert. An der Eröffnungsfeier überraschte Verkehrsminister Daehre die Gäste mit der Ankündigung, das Land Sachsen-Anhalt werde sich an den ungedeckten Kosten des Probebetriebs beteiligen. „Diese Mittel haben es der Naumburger Straßenbahn GmbH erlaubt, den Probebetrieb auf einer sicheren finanziellen Basis durchzuführen. Der Burgenlandkreis als Aufgabenträger des öffentlichen Straßenpersonennahverkehrs hat dazu auch die Aufgabenträgerschaft für den täglichen Betrieb der Naumburger Straßenbahn übernommen“, so die Geschäftsführer. Seither steht die Naumburger Straßenbahn als Linie 4 (neben den Stadtbuslinien 101 bis 103) ununterbrochen täglich in Betrieb. Das ist möglich dank einer Gesetzesänderung: Der Landtag von Sachsen-Anhalt hatte im Dezember 2010 eine Änderung des ÖPNV-Gesetzes verabschiedet, womit Straßenbahn-Linienverkehr mit ausschließlich historischen Fahrzeugen in den Öffentlichen Personennahverkehr integriert wird.

Damit konnte die Finanzierung der ungedeckten Betriebskosten weiter abgesichert werden. Ebenso übernimmt die Stadt Naumburg einen Anteil dieser ungedeckten Kosten. Der Burgenlandkreis als Aufgabenträger für den öffentlichen Personennahverkehr beteiligt sich bisher nicht an den ungedeckten Kosten.

Zur Aufnahme des täglichen Betriebs hat die Naumburger Straßenbahn GmbH fünf Stellen geschaffen, die von sieben Mitarbeitern besetzt wurden. Heute sind es neun Stellen mit zwölf Mitarbeitern. „Die eingesetzten Fahrzeuge der Naumburger Straßenbahn müssen zum Charakter der Stadt und der Linienführung passen sowie für Touristen attraktiv, möglichst einmalig sein. Daher werden Originaltriebwagen aus der Nachkriegszeit eingesetzt, die bereits zu DDR-Zeiten in Naumburg im Einsatz standen“, heben die beiden Geschäftsführer hervor. Die Naumburger Straßenbahn hat sich deshalb als Alleinstellungsmerkmal für die Stadt Naumburg positioniert und ist so zu einem weiteren Anziehungspunkt für Touristen geworden - als lebendiges kulturhistorisch-technisches Denkmal.

Bis 2019 sind die Fahrgastzahlen laut GmbH jedes Jahr gestiegen. Mehr als 500 Fahrgäste haben die Naumburger Bahn durchschnittlich pro Tag genutzt. Im Jahr 2020 ergab sich pandemiebedingt ein starker Einbruch, doch schon 2021 liegen die Zahlen wieder höher. Aktuell liegt der März-Wert im Vergleich zum Monatsergebnis März 2019 sogar bei rund 90 Prozent. „Und sobald die Tourismus-Saison wieder richtig zum Laufen kommt, werden die Zahlen weiter steigen.“ Für viele Bürger ist die Straßenbahn wieder ein fester Bestandteil des Stadtbilds und des öffentlichen Nahverkehrs geworden, nicht zuletzt, weil auch der Fahrplan regelmäßig ausgeweitet und an die wachsenden Bedürfnisse der Bürger und Gäste der Stadt angepasst wurde. Eine Wiederaufnahme der Idee „Ringbahn“ ist für Plehn und Messerli damit nicht nur eine logische Konsequenz aus der Historie, „sondern vor allem ein Beitrag zur Verbesserung der Bewältigung städtischer Mobilitätserfordernisse im Rahmen einer sich abzeichnenden Verkehrswende“.

Stadt könnte Vorreiter sein

Die Stadt Naumburg hätte die Möglichkeit, eine Vorreiterrolle für ein Nahverkehrskonzept aus Stadtbus und Straßenbahn einzunehmen und zusätzlich mit einer im täglichen Linienverkehr präsenten historischen Straßenbahn ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal zu erreichen.

Eine vom Burgenlandkreis in Auftrag gegebene Studie hat verschiedene Varianten eines möglichen Ausbaus der Naumburger Straßenbahn in Verbindung mit Anpassungen der Stadtbuslinien wissenschaftlich untersucht, um ein attraktives, gemeinsames sowie effizientes Nahverkehrskonzept zu entwickeln. „Aus dieser Studie resultiert nach unserer Auffassung eine klare Empfehlung und Motivation für den Ausbau der Naumburger Straßenbahn mit gleichzeitiger Anpassung des Stadtbusverkehrs zu einem modernen Mobilitätsangebot mit historischem Hintergrund, das nicht nur für die Einheimischen attraktiv ist, sondern auch für die Gäste“, sind sich die Geschäftsführer sicher.

Mit diesen Maßnahmen würde nicht nur der öffentliche Nahverkehr gestärkt, sondern auch dem Individualverkehr im Stadtgebiet eine attraktive Alternative geboten. Damit wäre auch der Fortbestand der Naumburger Straßenbahn langfristig gesichert.