Besonderer Geburtstag Sessel als Lieblingsplatz: Baumersrodaerin erreicht 101. Lebensjahr
In ihrer Biografie spiegelt sich die Zeitgeschichte wider.

Baumersroda - 101 ist die Postleitzahl von Islands Hauptstadt Reykjavik, der Titel eines Live-Doppelalbums von Depeche Mode - und das Lebensalter von Erna Rödel, geborene Utikal. Die 1921 geborene Seniorin beging dieser Tage in ihrem langjährigen Wohnort Baumersroda ihr 101. Wiegenfest - sagenhaft!
Im langen Lebensweg von Erna Rödel spiegeln sich exemplarisch die Zeitenläufe wider. Geboren und aufgewachsen im Dorf Petersgrätz in Oberschlesien, dem heutigen Piotrówka in Polen, floh die seinerzeit 23-Jährige Anfang 1945 gemeinsam mit ihren Eltern vor der heranrückenden Sowjetarmee und landete nach einer traumatischen Flucht (über die sie bis zum heutigen Tage nicht sprechen möchte) in der Saale-Unstrut-Region: Als ganz junge Frau hatte sie hier während der sommerlichen Erntekampagne nämlich bereits mehrfach für die von Helldorffs, die - nach dem Krieg enteigneten - Besitzer von Schloss und Gut Gleina, gearbeitet.
In ihrer neuen Heimat lernte die Tochter eines Tischlers, die sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlug, ihren späteren Ehemann Arno kennen und lieben. 1949 wurde geheiratet und bald darauf eine Doppelhaus-Hälfte in Baumersroda bezogen.
„Ich habe ihr das Versprechen gegeben, dass ich alles in meinen Kräften stehende tun werde, damit sie bis zu ihrem letzten Atemzug hier in ihrer vertrauten Umgebung bleiben kann.
Tochter Simone Lenski
„Es waren glückliche Zeiten nach den Verheerungen des schrecklichen Krieges, der meiner Mutter alle ihre drei Brüder genommen hatte. Die jungen Eheleute gingen gern feiern, wobei sie keinen Tanz ausließen und kümmerten sich mit Hingabe um Garten und die Tiere - kurzum: Sie wollten leben und das Leben genießen“, schildert Tochter Simone Lenski. Nachdem es sie von Baumersroda nach Berlin gezogen hatte, ist diese in ihr Elternhaus zurückgekehrt, um ihre Mutter dort zu betreuen und zu pflegen: „Ich habe ihr das Versprechen gegeben, dass ich alles in meinen Kräften stehende tun werde, damit sie bis zu ihrem letzten Atemzug hier in ihrer vertrauten Umgebung bleiben kann“, sagt die Tochter - und kommt leise auf einen weiteren dramatischen Schicksalsschlag zu sprechen: Als ihrem damals 92-jährigen Vater 2016 nach langer Leidensgeschichte abermals ein Klinik-Aufenthalt drohte, habe dieser seinem Leben selbst ein Ende gesetzt - ein Schock, der bis heute nachhallt. 67 Jahre seien ihre Eltern durch dick und dünn gegangen.
Auch wenn die sozusagen „dreistellige“ Baumersrodaerin Erna Rödel inzwischen von manchem Zipperlein geplagt wird - die Oestoporose zwingt sie an Krücken, Gehör und Konzentrationsfähigkeit haben nachgelassen -, scheint sie im Großen und Ganzen unverwüstlich zu sein. „Vorkriegsware eben“, wie Tochter Simone augenzwinkernd befindet. Noch heute lasse sich es ihre Mutter nicht nehmen, nach jeder Mahlzeit den Tisch abzuräumen und eigenhändig das Geschirr abzuwaschen, was zudem eine Art persönliches Fitness-Ritual darstelle. Von ihrem Lieblingsplatz, dem gemütlichen Fernsehsessel, verfolgt die Seniorin nach wie vor ihre Leib-und-Magen-Serien „Rote Rosen“ sowie „In aller Freundschaft“ und schaltet auch zu Rosamunde-Pilcher-Filmen ein.