1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Naumburg
  6. >
  7. Rasante Verfolgungsjagd durch Naumburg

Amtsgericht Rasante Verfolgungsjagd durch Naumburg

37-Jähriger nimmt vor Streifenwagen Reißaus, transportiert für Kumpel Beute und stiehlt Werkzeug vom Naumburger Bauhof: zwei Jahre Haft und Therapie.

Von Jana Kainz 28.03.2022, 11:02
Unter anderem wegen einer wilden Verfolgungsjagd mit der Polizei wurde ein 37-Jähriger im Amtsgericht Naumburg zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Unter anderem wegen einer wilden Verfolgungsjagd mit der Polizei wurde ein 37-Jähriger im Amtsgericht Naumburg zu zwei Jahren Haft verurteilt. (Foto: dpa)

Naumburg - Als ob eine wilde Verfolgungsfahrt mit der Polizei unter, wenn auch geringem Drogeneinfluss und ohne Führerschein in einem Auto, für das es keine Haftpflichtversicherung gibt, dafür aber gestohlene Kfz-Kennzeichen an den Stoßstangen nicht schon genug wäre, saß vergangenen Donnerstag im Amtsgericht Naumburg ein 37-Jähriger wegen drei weiterer Strafkomplexe auf der Anklagebank. Um es vorwegzunehmen: Das Schöffengericht verurteilte den Mann, wenn auch noch nicht rechtskräftig, zu zwei Jahren Haft. Auf sein Konto, das stand nach einer ganztägigen Verhandlung fest, gingen auch ein Diebstahl, Beihilfe zum Diebstahl sowie der Besitz sowohl von illegalen Drogen als auch einer Waffe. Doch der Reihe nach.

Beute aus Heimatmuseum

In den frühen Morgenstunden eines Julitages 2020 soll er mit einem Kumpel ins Leißlinger Heimatmuseum eingestiegen sein und einen alten Ofen, mehrere Scharniere und an die 20 alte Koffer gestohlen haben. Er behauptete allerdings, lediglich für den Transport der Beute zuständig gewesen zu sein. Deshalb habe er die gesamte Zeit über im Auto gesessen. So hatte es auch jene Zeugin beobachtet, die an jenem Tag am Heimatmuseum vorbeifuhr, während das Diebesgut von einem der Täter ins Auto gepackt wurde. Die 33-jährige Leißlingerin, deren Mutter das Museum betrieb, drehte um, um nach dem Rechten zu sehen. Die Diebe fühlten sich ertappt und machten sich aus dem Staub. Unterdessen hatte die Frau schon die Polizei am Mobiltelefon. Die Beamten hätten sie gebeten, den Flüchtenden auf den Fersen zu bleiben.

Zeugin verfolgt Fluchtauto

Kein leichtes Unterfangen, ging es doch mit hoher Geschwindigkeit teils über Feldwege und mit überhöhter Geschwindigkeit samt riskanter Überholmanöver über öffentliche Straßen. Die Frau blieb zwar dran, konnte aber nicht viel ausrichten. Letztlich brachte ein geplatzter Reifen das Fluchtauto zum Stehen. Die beiden Insassen türmten.

Als jenen, der die Beute einst einsackte, machte die Zeugin einen jungen Mann aus - den Bruder der Freundin des Angeklagten, der derzeit eine Haftstrafe absitzt. Er war gemeinsam mit dem ebenfalls inhaftierten Kumpel des Angeklagten der Zeugin vorgestellt worden, in der Hoffnung, den Mittäter wiederzuerkennen. Nur vage meinte sie, dass es besagter Bruder gewesen sei. Als Zeuge verweigerte dieser kurz darauf jedoch die Aussage.

Mehr als erwartet, bekam das Gericht vom inhaftierten Kumpel des Angeklagten zu hören. Dieser erzählte, dass sie durchaus einmal gemeinsam auf der Suche nach Beute ins Heimatmuseum Leißling eingebrochen hätten. Doch als er begann, die Beute aufzulisten, wurde schnell klar, dass er von einem anderen Tattag sprach. Kurzerhand schwenkten die Prozessbeteiligten auf den angeklagten Diebstahl um. Bei diesem, das stand letztlich für das Gericht fest, habe der Angeklagte lediglich, für wen auch immer, Beihilfe geleistet - „für einen Gehilfenlohn“.

Werkzeuge aus dem Bauhof

Tiefer involviert war er indes, als er an einem Wochenende im September 2020 mit besagtem Kumpel den Naumburger Bauhof in der Friedrich-Fröbel-Straße heimsuchte. Unmengen diverses Werkzeug und 100 Meter Kupferkabel im Wert von etwa 1.700 Euro ließen sie mitgehen. Einzig auf das Kabel habe es der Kumpel abgesehen, der das Areal einst ausgekundschaftet und dann den Angeklagten angehauen hatte, mitzumachen. Als dieser wiederum all das Werkzeug sah, packte er für sich reichlich davon ein. In Summe gesprochen, handelte es sich um einen Gesamtwert von zirka 1.500 Euro.

Die Prozessbeteiligten gingen davon aus, dass der Angeklagte auf diese Weise seine Drogensucht finanzierte. Bereits mit 16 Jahren sei er heroinabhängig gewesen und das über viele Jahre. Der Ausstieg gelang ihm über ein Entzugsprogramm. Drogenfrei ging er von da an aber nicht durchs Leben. Er verlegte sich vielmehr auf Crystal und Cannabis. Geld bekam er regelmäßig von seiner Mutter, doch hätte sie nicht gewusst, dass sie damit die Sucht ihres arbeitslosen Sohnes finanziert.

Drogen und Waffe

Mit Drogen im Rucksack - nämlich fast acht Gramm Marihuana und knapp vier Gramm Methamphetamin - wurde der Angeklagte fahrradfahrend im Februar 2020 in der Roßbacher Straße erwischt. Im Gepäck hatte er allerdings auch ein Messer mit einer 17 Zentimeter langen Klinge sowie eine Schreckschusspistole.

Wegen der Drogensucht hatte er in jungen Jahren die Fahrerlaubnis verloren - wie auch die Arbeit. Fortan saß er des Öfteren ohne derartigem Dokument am Steuer. So auch in der Nacht des 6. Januar 2020 - der Nacht der eingangs erwähnten Verfolgungsjagd. In der Weißenfelser Straße war Polizisten in einem Streifenwagen ein Opel aufgefallen. Die Kfz-Kennzeichen waren gestohlen. Der Streifenwagen folgte dem Auto. Als der Angeklagte dies bemerkte, trat er das Pedal durch und machte innerörtliche Straße zur Landstraße. Er raste Richtung Henne und steuerte Weißenfels an. Erst auf der A38 Höhe Rastplatz Querfurter Platte brachten mehrere Polizeiwagen das Fluchtauto einkeilend zum Stehen. Auf der Fahrt sei der Opelfahrer bei Rot über eine Kreuzung gerauscht und habe mit Schlängellinien und Bremsen versucht, die Polizei abzuschütteln.

Nicht in Haus eingestiegen

Der Angeklagte saß einst nicht allein im Auto. Auf dem Beifahrersitz hatte seine Freundin, auf der Rückbank sein Kumpel, mit dem er im Bauhof auf Diebeszug war, Platz genommen. Wegen des Kumpels habe er, wie er dem Schöffengericht erklärte, vor dem Streifenwagen Reißaus genommen. Der Kumpel sei sich damals nicht sicher gewesen, ob ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt.

Nicht nachgewiesen werden konnte dem Angeklagten der Diebstahl hochwertiger und mit allerlei wichtigen Dokumenten, Bargeld bis an die 1.000 Euro sowie Geld- und Kreditkarten gefüllten Handtaschen, die der oder die Täter aus dem Untergeschoss eines Naumburger Einfamilienhauses mitgehen ließen, während im Obergeschoss eine Hochzeitsgesellschaft zu Bett ging. Mit den erbeuteten Geldkarten hoben die Diebe dank der in den Taschen mit aufbewahrten PIN-Nummern noch in der gleichen Julinacht 2020 zweimal 1.000 Euro ab. Ein Foto einer Überwachungskamera zeigte eine in einen Anorak gekleidete Person, deren Gesicht nicht zu erkennen war. Weil dieses Foto als Beweis, zumal einziger, nicht taugte, wurde er von diesem Vorwurf des Wohnungseinbruchsdiebstahls und unrechten Geldabhebens freigesprochen.

Therapie statt Bewährung

In das Urteil von zwei Jahren Haft bezog das Gericht ein vom Amtsgericht Erfurt ergangenes Urteil mit ein. In Thüringen war der Angeklagte in diesem Jahr wegen des Besitzes von fast 20 Gramm Methamphetamin zu einem Jahr Haft verurteilt worden - ausgesetzt zur dreijährigen Bewährung.

In Naumburg nun hatte auch der Verteidiger für Bewährung plädiert - anders als die Staatsanwältin, die gar drei Jahre und drei Monate Haft forderte. Das Schöffengericht lag mit seinem Urteil dazwischen: keine Bewährung, aber auch nicht über drei Jahre Haft. Der Vorsitzende Richter zeichnete den möglichen Verlauf der zweijährigen Haft: Diese könnte der Angeklagte in einer offene Therapieeinrichtung absolvieren. Nach erfolgreichem Abschluss könnte die verbleibende Haftzeit zur Bewährung ausgesetzt werden. Nur so, meinte das Gericht, komme der Angeklagte von der Sucht weg, die Ursache seines strafbaren Tuns sei.