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Letzte Naumburger Gemeinderatssitzung mit OB Küper Neue Straßen, neuer Platz

Stadt will den Verstorbenen Kniest, Samter und Schewe eine besondere Ehre zuteilwerden lassen.

Von Harald Boltze 23.06.2021, 08:11
Die auf dem Gelände der ehemaligen „Alten Stadtgärtnerei“ im Entstehen begriffenen Häuser sollen die Adresse „Friedrich-Ladegast-Weg“ bekommen.
Die auf dem Gelände der ehemaligen „Alten Stadtgärtnerei“ im Entstehen begriffenen Häuser sollen die Adresse „Friedrich-Ladegast-Weg“ bekommen. (Foto: Torsten Biel)

Naumburg - Am Mittwoch, 23. Juni, wird der scheidende Naumburger Oberbürgermeister Bernward Küper seine letzte Gemeinderatssitzung leiten. An dessen Ende soll er laut Tagesordnung feierlich verabschiedet werden. Zugleich findet ab 18.30 Uhr in der Sporthalle des Euroville, in die man weiterhin coronabedingt ausweicht, die Vereidigung des neuen OB, Armin Müller, statt.

Inhaltlich steht neben der Diskussion und geplanten Verabschiedung des Haushaltsplans für 2021 vor allem die Vergabe von vier Naumburger Straßennamen an. Lediglich erweitert werden soll dabei der Friedrich-Ladegast-Weg - und zwar um das neue, derzeit im Bau befindliche Wohngebiet auf dem Gelände der ehemaligen Stadtgärtnerei. Dass für die neue Ringstraße kein Extra-Name vergeben werden soll, begründet die Stadt in ihrer Vorlage damit, dass eine „unübersichtliche Kleinteiligkeit im Wohngebiet“ vermieden werden soll.

Während die Ringstraße nahe des Flemminger Wegs bereits sichtbar ist, existiert eine weitere, auf dem Gelände der ehemaligen „Getreidewirtschaft“, bisher nur auf dem Papier. Wenn sie einmal gebaut ist und das neue Wohngebiet zwischen Schönburger und Grochlitzer Straße erschließt, soll sie den Namen von Dr. Artur Samter tragen, der Anfang der 1930er-Jahre in Naumburg als Rechtsanwalt arbeitete und dann von den Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert wurde, wo er 1943 verstarb, wie es in den Kurzporträts der Stadtverwaltung (siehe Kasten rechts) heißt. Gleich nebenan, ebenfalls auf der ehemaligen „Getreidewirtschaft“, plant die Stadt entlang der Bahngleise den Bau einer neuen Verbindung zwischen Overwegstraße und Ostbahnhof (wir berichteten mehrfach). Sie soll nach Dr. Wilhelm Kniest benannt werden, der sich zu DDR-Zeiten als Leiter der Naumburger Kinderklinik große Verdienste erwarb.

Platz an Kreuzung Neustraße-Wenzelsgasse und Wenzelsstraße in Naumburg soll Waldemar-Schewe-Platz heißen
Platz an Kreuzung Neustraße-Wenzelsgasse und Wenzelsstraße in Naumburg soll Waldemar-Schewe-Platz heißen
(Foto: Torsten Biel)

Bisher keinen Namen hatte der Platz in der Naumburger Altstadt, an dem die Wenzelsstraße aus Richtung Vogelwiese kommend nach links in die Neustraße und nach rechts in die Wenzelsgasse mündet. Fortan soll dies laut Vorschlag der Stadt, der nun vom Gemeinderat noch beschlossen werden muss, den Namen „Waldemar-Schewe-Platz“ tragen. Dabei handelt es sich um eine Anerkennung der Verdienste des ehemaligen Propstes, der seit 2016 auf dem Domfriedhof beigesetzt ist. Zu Adressänderungen führt die neue Namensgebung laut Stadt jedoch nicht, „weil die angrenzenden Grundstücke den einmündenden Straßen zugeordnet sind“.

Auch wenn der Rat den vier Vorschlägen der Verwaltung folgen sollte, heißt dies nicht, dass solche Benennungen nicht auch kontrovers diskutiert werden. Für weitere Namensgebungen in der Zukunft soll deshalb eine Richtlinie erarbeitet werden. Auch weil es in anderen Städten, etwa Berlin und Potsdam, zuletzt Streit um Straßennamen gegeben hatte, und zwar wegen der „zunehmend kritischen Bewertung von Personen der neueren Geschichte“, wie es in der Vorlage der Stadt heißt.

In Naumburg und den Ortsteilen gibt es derzeit 425 Straßennamen. Davon sind 91 Straßen nach Personen benannt (21 Prozent), davon entfallen 80 auf Männer und elf auf Frauen. Hier will man in Zukunft mehr Ausgewogenheit schaffen. Nach dem Anfang der 90er-Jahre, als in Naumburg viele Rück- und Umbenennungen stattgefunden hatten, gab es mit Ausnahme des Wechsels vom Theater- zum Curt-Becker-Platz nur noch Neubenennungen von zusätzlich gebauten Straßen.

Auf dem Areal der früheren „Getreidewirtschaft“ soll es in Zukunft eine Dr.-Artur-Samter- und entlang der Bahnstrecke eine Dr.-Wilhelm-Kniest-Straße geben.
Auf dem Areal der früheren „Getreidewirtschaft“ soll es in Zukunft eine Dr.-Artur-Samter- und entlang der Bahnstrecke eine Dr.-Wilhelm-Kniest-Straße geben.
(Foto: Torsten Biel)

Zu den Personen:

Wilhelm Kniest wurde 1919 in Obersuhl geboren. Er studierte Medizin in Berlin, Leipzig, Wien, Würzburg und Göttingen. Nach einer Anstellung in der Kinderklinik Jena wurde Kniest 1953 Leiter der neuen Naumburger Kinderklinik, die sich alsbald einen sehr guten Ruf erwarb. Wissenschaftliche Bedeutung errang der Mediziner mit der Beschreibung einer besonderen Form einer angeborenen Entwicklungsstörung des Skeletts, die heute noch als Kniest-Displasie bekannt ist. Dr. Wilhelm Kniest starb am 10. September 2011 in Naumburg.

Artur Samter wurde 1886 in Posen geboren. Er studiert Jura in Genf, München und Breslau und promovierte in Würzburg. Ab 1914 kämpfte er an der Westfront, wurde 1917 verwundet. 1932 ließ sich Samter in Naumburg (Parkstraße 21) als Rechtsanwalt nieder. 1933 wurde er wegen seiner Tätigkeit in der Ortsgruppe der KPD vorübergehend inhaftiert. Berufsverbot sowie Haftzeiten wechselten sich mit Freiheit ab. Am 17. Februar 1943 starb Samter in Auschwitz, wohin er von den Nazis deportiert worden war.

Waldemar Schewe wurde 1940 in Stieglitz im heutigen Polen geboren und kam als Kind ins Eichsfeld. Nach dem Theologiestudium in Jena sowie Anstellungen in Berlin, Langensalza, Zwochau und als Superintendent berief man ihn 1988 als Pfarrer nach Naumburg. 1996 wurde Schewe erster Propst der neuen Propstei Halle-Merseburg-Naumburg. Schewe engagierte sich stark für gemeinnützige Projekte in Ostafrika und wirkte 2003 maßgeblich an der Gründung des Bürgervereins mit, wofür er 2007 den Wenzelspreis von Tageblatt/ MZ erhielt. Auch die Wiederinbetriebnahme des Domgeläutes ist vor allem ihm zu verdanken. Schewe verstarb 2016 in Naumburg.