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Rassegeflügelzucht Naumburger Taubenmarkt ganz anders?

Traditionsveranstaltung könnte bald auf der Vogelwiese stattfinden, vor allem unter verschärften Bedingungen - ein Reizthema für Züchter.

Von Gisela Jäger 17.10.2021, 00:00
Zur Tagung in Baumersroda müssen sich die Vorstandsmitglieder des Kreisverbandes der Rassegeflügelzüchter mit den EU-Vorgaben für Ausstellungen und Märkte beschäftigen - ein Reizthema.
Zur Tagung in Baumersroda müssen sich die Vorstandsmitglieder des Kreisverbandes der Rassegeflügelzüchter mit den EU-Vorgaben für Ausstellungen und Märkte beschäftigen - ein Reizthema. (Foto: Gisela Jäger)

Baumersroda - Im eigentlich beschaulichen Vereinsleben der Rassegeflügelzuchtvereine im Burgenlandkreis gibt es derzeit Reizthemen, die das Gemüt der Vereinsfrauen und -männer in Wallung bringt. So auch, als sich jetzt die Vorstände der im Kreisverband der Rassegeflügelzüchter Burgenlandkreis (ehemalige Kreise Naumburg und Nebra) organisierten Ortsvereinsvertretungen im Baumersrodaer Landgasthof trafen, um darüber zu diskutieren, wie es mit dem Naumburger Taubenmarkt in Zeiten von Corona und geplanter verschärfter Tierwohl-Vorgaben der Europäischen Union weitergehen soll. „Es gerät das wichtige Betätigungsfeld der Rassegeflügelzüchter in Gefahr, ehrenamtliche Arbeit und Zuchterfolge repräsentativ in der Öffentlichkeit vorzustellen, in Vergleich und Erfahrungsaustausch mit anderen Vereinen und Züchtern zu treten“, machte Falk Busch deutlich, der im Kreisverband unter Vorsitz von Maik Kolbmüller für Organisation und Schriftführung zuständig ist und die Sitzung leitete.

Seit rund 160 Jahren gibt es die Tradition des Naumburger Taubenmarktes, dieses Jahr aber der Corona-Pandemie wegen abgesagt. Mit Blick auf 2022 gibt es seitens der Stadt Überlegungen, die Taubenmarkttage auf die Vogelwiese abseits des Stadtzentrums zu verlegen. Damit sehen sich die Organisatoren allerdings an den Rand gedrängt. „Der Naumburger Taubenmarkt ist das größte und älteste Marktgeschehen dieser Art in Mitteleuropa und für uns die wichtigste Präsentationsveranstaltung in der Öffentlichkeit“, so Busch. Viele Ortsvereine hätten zudem keine andere Möglichkeit, Ausstellungen mangels geeigneter Hallen zu organisieren. Nicht zuletzt fehle die Kraft, weil Mitgliederzahlen sinken. Der Kreisverband befürchtet, dass ein Standort Vogelwiese ein geringeres Publikumsinteresse mit sich bringt und möglicherweise auch Absagen durch Aussteller.

Seitens der Stadt gab es andererseits immer wieder Kritik an der Ordnung, Sauberkeit und der Präsentation der Tiere in zu engen Käfigen. In der Mehrzahl betraf dies ausländische Aussteller, bei denen diese Vorgaben schwerer durchzusetzen seien. Noch im Oktober soll es einen Termin mit Naumburgs Oberbürgermeister Armin Müller (CDU) geben, um zu beraten, wie die Interessenlagen beidseits in Einklang zu bringen sind. Im Vorfeld gab es bereits ein Gespräch, auch CDU-Bundestagsabgeordneter Dieter Stier wurde mit der Problematik konfrontiert, denn die Auflagen des Veterinäramts verlangen bedeutend größere Käfige für die Tauben, die stets mit Wasser und Futter sowie Sitzstange bestückt sein sollen, sowie nun auch größere Reihenabstände. Mit diesen Auflagen verknüpft ist die Umsetzung von Vorgaben, die seitens der EU dem Tierwohl bei Ausstellungen Rechnung tragen sollen. Maik Kolbmüller und Falk Busch sprachen von überzogenen Forderungen, die kaum praxistauglich sind und regionale und überregionale Rassegeflügelzuchtausstellungen bis hin zu Landes- und Europaausstellungen zum Erliegen bringen könnten.

Würden beispielsweise Enten oder Gänse ausgestellt werden, müssten dann zwei mal zwei Meter große Volieren vorgehalten werden, ausgestattet mit einem Wasserbad. Die jetzt üblichen Käfiggrößen wären bei Schauen nicht mehr zulässig. Der Aufwand stünde in keinem Verhältnis und sei nicht finanzierbar, hieß es in der Runde. Die Taubenzüchter hätten kaum noch eine Lobby. Längst ist das Thema beim Europäischen Verband für Geflügel-, Tauben-, Vogel-, Kaninchen- und Caviazucht angekommen, der sich vehement gegen die EU-Verordnung 688 ausspricht, die bereits im Oktober in Kraft treten soll.

Und noch einen Punkt sprachen die Vorstandsmitglieder an, nämlich dass das friedliche dörfliche Miteinander gefährdet wird, weil von der Großstadt aufs Land ziehende Neubewohner sich durch traditionelle ländliche Lebensweise mit Haustieren, die Geräusche oder Gerüche mit sich bringt, gestört und belästigt fühlen. Klagen häuften sich in jüngster Zeit. Inzwischen gibt es eine bundesweite „Petition zum Erhalt der ländlichen Kultur“. Der Kreisverband legte deshalb Listen zur Unterstützung einer an den Bund gerichteten Petition unter dem Titel „Ortsübliche Emissionen des Landlebens als kulturelles Erbe schützen - Landleben soll Landleben bleiben dürfen“ aus. „Nur mit klaren rechtlichen Vorgaben kann der dörfliche Charakter alter Ortskerne sowie ländlicher Gebiete erhalten bleiben und nervenaufreibende Klagefälle vermieden werden“, heißt es in einer Passage des Begleittextes. Nicht zuletzt stünde die ländliche Kleintierhaltung auch für Biodiversität, so dass der immer noch breit aufgestellte Genpool unterschiedlicher Tierarten in vielfältigen Rassen erhalten bleibe und „ein Hahn auch noch am Morgen krähen darf“, so der Tenor der versammelten Rassegeflügelzüchter.

Der Kreisverband Burgenlandkreis der Rassegeflügelzüchter vereint unter seinem Dach in den Altkreisgebieten Nebra und Naumburg 15 Ortsvereine, in denen 240 Mitglieder im Durchschnittsalter von 58,8 Jahren die Haltung und Zucht von Rassegeflügel - unter anderem Tauben, Hühnervögel und Wassergeflügel - betreiben. Der Kreisverein versteht sich als Schnittstelle, um Neuerungen und Informationen von der Landesverbandsebene in die Ortsstrukturen weiterzutragen. Er organisiert drei Kreisausstellungen pro Jahr. Zum Vorstand gehören neben dem Vorsitzenden Maik Kolbmüller und Schriftführer Falk Busch Kreisringwart Lothar Bulliersch sowie Jugend-Obmann und zweiter Kreisvorsitzender Karsten Heine. Ehrenvorsitzender ist Wolfgang Ochsenfarth. Um die Zukunft der Vereinsstrukturen und da Hobby der Kleintierhaltung zu sichern, sind stets neue, interessierte Mitglieder willkommen.

Auf den Taubenmärkten in Naumburg sind lediglich der Kauf, Verkauf oder Tausch von Tauben und Taubenzubehör zugelassen. In der langen Geschichte der Taubenmärkte gab es 2021 wegen der Pandemie die zweite Absage innerhalb weniger Jahre. Bereits 2017 fiel der Taubenmarkt aus, damals, weil wegen der Geflügelpest Ausstellungen dieser Art untersagt waren. Die Taubenmärkte finden üblicherweise stets an zwei Samstagen jeweils im Januar und Februar statt.