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Merseburger Original Merseburger Original: Geschichte bewahrt

Von UNDINE FREYBERG 02.02.2016, 09:21
Reberziehung mit Trierer Rad: Am Steinauer Berg ist jetzt schon manches anders.
Reberziehung mit Trierer Rad: Am Steinauer Berg ist jetzt schon manches anders. Torsten Biel

Weinbau im Blütengrund, Weinhaus Heinrich, Familie Schuck bei Dorndorf und jetzt Sören Polster. Leipziger entdecken Saale-Unstrut. Und mit 2,5 Hektar ist Familie Polster mit einem ambitionierten Projekt am Start. Rings um das Steinerne Bilderbuch von Großjena haben sie sich ein Filetstück gekauft und gehen es engagiert an. Im Internet kann man sich dazu einen ebenfalls ambitionierten Auftritt anschauen, der das Jetzt, aber vor allem die Zukunft des Weingutes Steinauer Berg abbildet.

Es muss gut aussehen

Als ich, von Großjena kommend, unterhalb der Villa stehe, montiert ein Mann ulkige Räder auf Metallstangen. Diese Art der Reberziehung habe ich noch nicht gesehen. Wie ich später erfahre, nennt sich das: Trierer Rad. Die Reben tragenden Triebe werden dort durch ein drei-oder vierspeichiges Rad gezogen, so dass die Trauben frei hängen können. Eigentlich ist diese Form des Weinbaus vor allem für Steillagen gedacht, da Bindearbeiten minimiert werden. Hier am Fuß des Steinauer Berges ist es erträglich geneigt. „Das soll vor allem interessant aussehen“, begrüßt mich der Gastgeber, Sören Polster. „Meine Frau und ich stehen sehr darauf, dass etwas gut aussieht“, kommt es grinsend hinterher.

Das konnte ich schon vorab auf dem Internet-Auftritt erahnen, der vor allem richtig schick ist. Aber nicht mehr ganz aktuell. Christina Polster ist gerade dabei, ihn zu überarbeiten. So wird es den in einer Animation vorweggenommenen Kellerei-Neubau nicht geben. Das derzeit dort befindliche „Gebäude“ soll trotzdem abgerissen werden. Wozu? Zu Recht! Es ist ein Schandfleck, das auch dem Gesamtensemble des Steinernen Bilderbuchs nicht gut steht.

Wer sind diese Polsters nun? Über sich möchte Sören nicht viel sagen. Geboren 1975 in Altenburg, wie ein Jahr später auch seine Gattin, machte er in den frühen Nachwende-Jahren Abitur. Doch statt Studium wie Christina, die sich für Jura entschied, wählte er eine kaufmännische Ausbildung. Um am großen Umbruch Teil zu haben, wollte er schnell Geld verdienen. Möglichst viel Geld. 1996 fing er in einem Leipziger Unternehmen an, dass heute ein Branchen-Riese in der Lebensmittelindustrie ist. Und er einer der Geschäftsführer. Der Plan ging auf. Dank harter Arbeit.

Dann die Suche nach einem neuen Sinn, Lebensinhalt, Ziel. Dem Wein schon länger zugetan - zunächst Toskana, später Spanien, jetzt eher Frankreich - wuchs der Wunsch nach etwas eigenem. Die Entdeckung der verwilderten Anlage des Steinauer Berges, benannt nach dem Hofjuwelier, der den Berg einst besaß, war die Initialzündung. Dem zurückgekehrten Erben der Familie Barthel, Besitzers zum Kriegsende, wollte die inzwischen in Schweden lebende Familie Hanke nicht nachkommen, so gab er es in die Hände der Polsters. Nicht ohne ihnen das Versprechen abzunehmen, den Weinbau wieder zu beleben, das hatte Großmutter Bartel dereinst von ihm verlangt. Und kaufte sich nicht nur aus Sentimentalitäts-Gründen ein kleines Haus auf dem Grundstück zurück.

Seit 2009 ist viel passiert. Es wurde gerodet, gebaut, gepflanzt, ab 2011 auch geerntet. Jeder Riesling seither bekam einen eigenen Namen. „Himmelsmietzchen“ hieß der Erste. Das sächsische Wort für Marienkäfer erinnerte daran, dass im Lesegut mehr Punkteträger als Trauben waren und der Wein auch in etwa so schmeckte. Die 12er „Sonnenliege“ geht auf den verstauchten Fuß Christinas zurück, die die meisten Arbeiten nur von eben dort beobachten konnte. „Fritz“ für den 13er steht für den Onkel Christinas, den Bildhauer Fritz Böhme, der in diesem Jahr verstarb. Der 14er „Glücksspiel“ sollte dem schweren Jahr mit glücklichem Ende gerecht werden. Der Name des 15ers steht, wird aber erst demnächst auf der Internet-Seite verraten. Helfer und Freund seit der ersten Stunde ist Winzer Matthias Hey, der seinen „Riesling Buntsandstein“ aus Trauben der 2,5-Hektar-Anlage macht.

Unterm Ferienhaus, dessen Vermarktung noch etwas schleppend läuft, findet sich der aktuelle Keller. Und darin einige recht eigenwillig anmutende Horizontaltanks. „Die habe ich bei einem Winzer in der Pfalz gekauft, der aufgegeben hat. Die Wand, die er daraus gebildet hatte, sah total gut aus. Da habe ich die ganze Wand gekauft.“ Aktuell liegen hier 2015er Silvaner, der trinkbar ist, ein hochinteressanter Chardonnay und zwei sehr ambitionierte Rieslinge des Jahrgangs. Einer furztrocken, einer feinherb. Auch ein paar Liter Spätburgunder sind es geworden, das Experiment mit dem Chip-Sack brachte nicht den gewünschten Effekt. Trotzdem würde ich den in zwei Jahren gern noch mal probieren. Außerdem gibt es noch eine Junganlage mit Schwarzriesling.

Der 15er geht in den Verkauf

Der Keller soll nun im benachbarten Grundstück Blütengrund 4A entstehen, das man erwerben und so auch vor dem weiteren Verfall retten will. Und auch neue Rebflächen sollen hier entstehen. Die Trauben für seinen „Riesling Buntsandstein“ soll Matthias Hey „auf ewig“ bekommen. „Ich habe keinerlei Marketing-Talent, will bei überschaubaren Mengen bleiben“, so Polster. Die meisten Flaschen gehen derzeit an Bekannte und Geschäftsfreunde. Der 15er soll aber schon auch in den Verkauf. 12,90 Euro sind angestrebt. In einer Bar in Leipzig sind sie gelistet, auch in die hiesige Gastronomie strebt man, wenngleich ihnen klar ist, dass das bei diesen Preisen nicht leicht wird. Der Job in Leipzig soll nur noch drei Full-Time-Tage beanspruchen, der Rest gehört dem Steinauer Berg. Die beiden wollen alles selbst machen, sich körperlich auspowern.

Und der Mann mit den Trierer Rädern? Das ist der Schwiegervater und der „darf“ helfen.

Dem Wein zugetan: Christina Polster.
Dem Wein zugetan: Christina Polster.
Biel