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Lehrjahre in Wiwena-Welt

Von Constanze Matthes 04.01.2013, 15:41

Grossjena. - Das Strahlen hat sie bis heute nicht verloren. Auch wenn Silvia Friedel über ihre erste Arbeit spricht, lächelt die heute 53-Jährige herzlich. "Damals war ich gerade 18 und musste sehr hart arbeiten, um mein Soll zu erfüllen, aber schön war es trotzdem", blickt sie auf die Zeit Ende der 70er Jahre im Naumburger Möbelwerk nahe des Ostbahnhofs zurück.

Gelernt hatte sie nach der zehnten Klasse den Beruf des Tischlers im Möbelwerk Laucha - während ihre Mitschülerinnen Hortnerin, Kindergärtnerin oder Lehrerin wurden. Dass die insgesamt drei Lehrjahre keine Herrenjahre sein werden, bekam sie schnell zu spüren. Körperlich schwer war die Arbeit vor allem für die Frauen. Und als Lehrling machte sie Bekanntschaft mit allen Bereichen des Möbelwerks - von der Schleiferei über die Fertigung bis hin zur Lackiererei. "In der Schleiferei hat man durch den Holzstaub immer ausgesehen wie ein Mehlmann", sagt die gebürtige Naumburgerin, die sich noch an eine besondere Anekdote aus jener Zeit erinnert: "Statt eine Schublade zusammenzuschrauben, habe ich die Schrauben reingeklopft." Ihr Chef sah es und verwarnte sie mit den deutlichen Worten: "Einmal und nicht wieder". Nachdem sie ihren künftigen Mann Wolfgang kennengelernt hatte, ließ sie sich nach Naumburg versetzen. Der Arbeitstag im Werk begann um 6 Uhr. "Wenn man die Halle betreten hat, standen einem immer die Tränen in den Augen", berichtet Silvia Friedel weiter. Allerdings waren diese kein Zeichen der Rührung. Es war vielmehr der starke Geruch, des Lackes, das "blanke Gift", das die Halle durchzog. Mal die Arbeit schleifen zu lassen, gab es nicht. Das Soll musste erfüllt werden. Die Großjenaerin setzte Teile wie Scharniere oder auch an der "Straße" die Schränke zusammen. Alles im Stehen. Die schweren Holzteile mussten von den Paletten gehoben werden. "Jeder hatte seine Aufgabe, sein System", sagt die gelernte Tischlerin. Zwischendurch gab es 15 Minuten Frühstückspause, 30 Minuten für das Mittag und, wenn man gut in der Zeit lag, ein Raucherpäuschen. Nach der Schicht musste der Arbeitsplatz picobello saubergemacht werden, mit Besen, Handfeger und Schaufel.

Doch trotz der anstrengenden Arbeit erinnert sich Silvia Friedel gern an ihren ersten Job. Vor allem an das gute Betriebsklima, die Zusammenarbeit mit den Kollegen, die Betriebsfeiern. "Es war früher ein ganz anderes Zusammenarbeiten. Wir haben damals oft zusammen gelacht. Es gab weniger Neid." 1980 kam schließlich Sohn Mario auf die Welt, drei Jahre später Tochter Sandra. Silvia Friedel zog sich als zweifache Mutter erst einmal aus dem Berufsleben zurück. Sie blieb einige Jahre zu Hause, ehe sie in der Schirmabteilung des Naumburger Dienstleistungskombinats an der Post wieder in den Arbeitsalltag einsteigt.

Heute ist sie Hausfrau. Nach der langjährigen Pflege ihrer Mutter, die im vergangenen Jahr verstarb, versorgt sie nun ihre 87-jährige Schwiegermutter. Haus und Hof nehmen sie ebenfalls in Anspruch. Ihr Mann Wolfgang ist als Außendienstmitarbeiter in der Möbelbranche tätig. Sohn Mario arbeitet in einem Leipziger Schulbuchverlag, die Tochter lernte Altenpflege. Sie war es auch, die ihre Mutter kürzlich fragte, wie es denn damals so war. Auslöser war ein Foto, das im Nachlass von Silvia Friedels Mutter gefunden wurde. Das ist ihr neben den farbigen Erinnerungen und einer Schrankwand der Marke Wiwena, die sie einst in der Garage selbst zusammengebaut hatte, geblieben. Auf dem Schwarz-Weiß-Bild ist die Großjenaerin bei ihrer Arbeit im Möbelwerk zu sehen. Dabei ist sie gerade mit den Scharnieren beschäftigt. Vor ihr steht die Bohrmaschine, hinter ihr die Paletten. Im Hintergrund ist ihr Vorgesetzter, Brigadier Bernd Schäfer, zu erkennen. Und dann sieht man da noch neben der markanten Angela-Davis-Frisur eben jenes Strahlen.