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Kirche Kirche: Ruhestätte für Geistliche und Militärs

Von klaus-dieter kramer 11.09.2014, 14:37
Feuerreiter-Wandgemälde am Vereinshaus, gemalt von Steffen Blankenburg.
Feuerreiter-Wandgemälde am Vereinshaus, gemalt von Steffen Blankenburg. Speck Lizenz

Er kam aus dem Nichts, der Reiter, als Ebersroda in Flammen stand. Mit seinem Pferd preschte er mehrmals im Wechsel durch den oberen Dorfteich, dann durch das Feuermeer und brachte es so zum Erlöschen. Und verschwand. Von Stund an wurde der Feuerreiter nicht mehr gesehen. Doch die Sage, die man auf das Jahr 1849 datiert, hat ihren realen Hintergrund. Artur Rabestein (81) hat sie vom Großvater Wilhelm Rehme erzählt bekommen: Zwei Buben hatten in der Scheune von Haus 24 auf der Dorfstraße mit Schwarzpulver gezündelt und konnten das Feuer nicht mehr löschen. Es fraß sich durch die Strohdächer der Häuser und war schon bei Nummer 35 angelangt als der sagenhafte Retter erschien.

Rabestein, der heute im Haus Nummer 30 wohnt, hat noch eine Tafel im Hof, die an das Geschehen erinnert, wie auch die, die der der damalige Besitzer des Anwesens Nr. 26 an seiner Hofmauer anbringen ließ. Doch beides ist von der Witterung bis zu Unleserlichkeit verwaschen. Aber Wandmaler Steffen Blankenburg aus Gleina hat jüngst dafür gesorgt, dass das Geschehen nicht vergessen wird und ein großflächiges Gemälde im Vereinshaus, dem alten Backhaus, gestaltet. Und da reitet er noch einmal durch Wasser und Flammen mit rot-wehendem Umhang: Der Feuerreiter von Ebersroda.

In der Geschichte gewühlt

Ebersroda, das 180 Seelen-Dorf auf der Querfurter Platte zwischen Freyburg und Mücheln hat so seine Geschichten von einst und Interessantes von jetzt. Mit Annegret Eichardt und Sylvia Hofmann gehen wir die Dorfstraße entlang. Die beiden Frauen vom Heimat- und Traditionsverein haben mit Sylvia Rödel und vor allem mit der in diesem Jahr verstorbenen Doris Rzepka in mühevoller Kleinarbeit Dinge des dörflichen Alltags des 19. und 20. Jahrhunderts zusammen getragen. Daraus ist im alten Brauhaus eine Heimatstube entstanden, die inzwischen über einen solch umfangreichen Fundus verfügt, dass jährlich wechselnde Ausstellungen gestaltet werden können. Der Dorfkonsum und ein Schulklassenzimmer von einst, wie auch Einrichtungen bäuerlichen Lebens, vieles ist da zu bestaunen. Auch der alte Kartenspieltisch mit den ausklappbaren Bierglasablagen aus dem Gasthaus „Zum wilden Eber“ ist zu bestaunen. Und manchmal, wenn gerade Pfingstbierzeit ist, wird auch wieder ein zünftiger Skat daran gekloppt. Der „Wilde Eber“ ist zwar seit 1999 geschlossen, aber wir klopfen dennoch mal ans Hoftor, so wie es auch zu Gastwirtszeiten Usus war, denn geregelte Öffnungszeiten gab es nicht. „Hier war immer auf, wenn jemand kam“, erzählt Brigitte Schulz, die zuletzt mit dem inzwischen verstorbenen Gastwirtsehepaar Helene und Martin Knauth, ihren Eltern, die Gaststätte von 1953 an betrieben hatte.

Der „Eber“, immer im Familienbesitz, hat fast 280 Jahre die Ebersrodaer begleitet, und Brigitte Schulz zeigt uns noch den großen Saal mit den Wandmalereien aus Weinbau, Landwirtschaft und Natur, die Wolfgang Kahle aus Freyburg 1982 gestaltete. Vieles erinnert an längst vergangene Zeiten, und Frau Schulz nimmt extra für den Fotografen das große Bild mit den Dorfansichten von 1900 von der Wand, damit es richtig zur Geltung kommt.

Weiter auf der Dorfstraße unterwegs, beginnt es kräftig aus einem Gehöft zu meckern. Tierische Berufsmeckerer melden sich - nämlich Ziegen. Und zwar von ganz besonderer Art. Es sind Anglo-Nubier, Milchziegen aus Indien und Afrika, elegante und große Tiere mit hoher Milchleistung und -qualität. Zwölf davon hält Sabine Oeppert auf ihrem Hof. Sie werden zweimal täglich per Hand gemolken, denn: Seit August hat die junge Ebersrodaerin eine Ziegenkäserei eröffnet und verkauft donnerstags (16-18 Uhr) und sonnabends (11-14 Uhr) Frisch- und Weichkäse, Schnittkäse und Joghurt. Sabine Oeppert ist in der Landwirtschaft groß geworden und beschäftigt sich seit über 15 Jahren mit Ziegen. Nun hat sie ein Gewerbe daraus gemacht.

In Ebersroda ist alles schön zusammen, was zusammengehört: ein Rundlingsdorf, hufeisenförmig angelegt, das nur über einen Eingang verfügt. In der Mitte sind noch heute die einst wichtigen Gebäude angeordnet, das Dorfback- und das Brauhaus sowie zwei Brunnen für die Wasserversorgung und der obere Dorfteich.

1144 erscheint der Ort erstmalig als Eberhaczrode in der Chronik. Die führt Silke Müller. Ihr Herz hänge an der Regionalgeschichte, sagt die Lehrerin an der Freyburger Sekundarschule. Sehr wichtig seien die aufgezeichneten Erinnerungen alter Einwohner und die Geschichte der einzelnen Gehöfte. In Ebersroda reichen diese bis ins 16. Jahrhundert zurück. „Aber da gibt es noch große Lücken“, sagt die Chronistin, die dabei ist, alle Unterlagen zu digitalisieren. „Aber die alten Schriften werden natürlich gut aufgehoben.“

Zu lesen ist da auch von der Wasserversorgung. Zwei Brunnenhäuser stehen. Bis 1956 versorgten sie die Einwohner mit Trinkwasser. Aber trotz wiederholter Bohrungen bis auf über 40 Meter Tiefe, Wassermangel herrschte immer im Ort. „Wenn die Brunnen versiegten, musste Wasser mit Pferd und Wagen aus Freyburg geholt werden. Mitunter wurde es auch zugeteilt. „Wir erhielten immer einen Eimer mehr zum Gläserspülen“, erinnert sich Brigitte Schulz, die Wirtstochter aus dem „Wilden Eber“.

Der Ebersrodaer Lehrer und Heimatdichter Kurt Berthel schrieb 1948 über sein Dorf: „Tritt man aus des Waldes Schatten, hebt den Blick zum Dorf empor, blicken hohe Scheunendächer zwischen Bäumen rings hervor. Doch des Kirchleins Dach samt Turm überragt das ganze Bild. Und zwei schmucke Hollandmühlen stehn zur Linken im Gefild.“ Was Berthel bemerkte, ist auch heute noch ein Wahrzeichen von Ebersroda – die zwei Turmwindmühlen aus dem 19. Jahrhundert. Die stehen, nur durch die Straße nach Baumersroda getrennt, dicht nebeneinander. Das hat kein Dorf in der Umgebung aufzuweisen. Die eine der Mühlen hat eine Familie als Wohnung ausgebaut, die andere steht leer.

Da kommen wir mit Paul Kruppa ins Gespräch. Der 85-Jährige ist der letzte der Ebersrodaer Windmüller. „Eigentlich habe ich Maurer gelernt und auch in dem Beruf gearbeitet“, erzählt Kruppa. Doch dann heiratete er eine Müllerstochter, und der Schwiegervater verlangte, dass er Müller lerne. Was dann auch geschah. Bis 1960 wurde das Getreide der umliegenden Bauernwirtschaften gemahlen. „Wenn es länger Windstille war, fuhren wir auch mal nach Zeddenbach, der dortige Wassermüller half dann aus, damit das Mehl pünktlich ausgeliefert wurde“, erinnert sich Paul Kruppa und zeigt uns Dokumente, alte Schriften und Zeitungen, die er wie seinen Augapfel hütet.

Von der Wasser- zur Windmüllerei

Vorfahr seiner Frau war ein Friedrich Louis Ferdinand Kuhn, der die Mühle kaufte. Bemerkenswert dabei: Kuhn war Wassermüller in der Neumühle bei Schönburg und wechselte nun zur Windmüllerei. Das kam in diesem Handwerk kaum vor. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es noch 65 Mühlen im damaligen Kreis Querfurt, zu dem Ebersroda einst gehörte. Konkurrenz mit der benachbarten Mühle habe es nicht direkt gegeben. Auch wenn die Nachbarmühle dem Bürgermeister gehörte. „Die Mühlen liegen doch zwischen zwei Dörfern. Da hatte jede ihre Kundschaft“, weiß Kruppa. 1960 wurde der Mühlenbetrieb für immer eingestellt, die alte Technik verkauft. Bis zur Rente arbeitete der letzte Müller dann in der LPG.

Mindestens dreimal im Jahr ist von Ebersroda ein größerer Bericht auch im Naumburger Tageblatt/MZ zu lesen. Denn das gesellschaftliche Leben wird hochgehalten. Da gibt es Konzerte in der Kirche mit der schönen barocken Orgel vom Meister Gottfried Krug von 1769. Diese war durch eine großartige Spendenaktion der Ebersrodaer, unterstützt durch zwei Stiftungen und Mitteln der Kirche sowie Sponsorenhilfe, umfassend saniert worden. Der Jugendklub gestaltet für die Kinder alljährlich ein Ostereiersuchen und sorgt für das Osterfeuer, Pfingsten stellen die Pfingstburschen Birken vor die Häuser, und alle feiern zusammen das Pfingstbier. Erst vor wenigen Wochen wieder richtete der Freizeit- und Traditionsverein das Kinderfest im Dorf mit Theaterspiel und gesellige Beisammensein aus.

Bilder eines Dorfes: war schon immer blau, das blaue Haus
Bilder eines Dorfes: war schon immer blau, das blaue Haus
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Paul Kruppa, der letzte Windmüller von Ebersroda
Paul Kruppa, der letzte Windmüller von Ebersroda
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Auf dem Ziegenhof von Sabine Oeppert.
Auf dem Ziegenhof von Sabine Oeppert.
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Annegret Eichardt (l.) und Sylvia Hofmann in der von ihnen gestalteten Heimatstube
Annegret Eichardt (l.) und Sylvia Hofmann in der von ihnen gestalteten Heimatstube
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Brigitte Schulz vom „Wilden Eber“ mit alten Ansichten aus dem Ort.
Brigitte Schulz vom „Wilden Eber“ mit alten Ansichten aus dem Ort.
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